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Mehr unbeantwortete Fragen

24.10.2019  |  Theodore Butler

Im Grunde war es eine einfache Frage, die mein Interesse an Silber von Anfang an weckte. Vor ca. 35 Jahren forderte mich mein nun verstorbener Freund und Mentor, Israel Friedman, mit einer Frage heraus, für deren Antwort ich ein Jahr brauchte. Eigentlich ist "herausfordern" nicht das richtige Wort; weder damals noch heute.

Izzy stellte jemanden einfach eine Frage, auf die er selbst keine wirkliche Antwort hatte, von dem er dachte, dass er diese Frage beantworten könne. Tatsächlich vermittelt die Frage einen gewissen Grad an Respekt, insofern als Izzy mich nur fragte, weil er dachte, ich hätte eine Antwort. Mit diesem Grad an Respekt frage ich heute nach Antworten auf meine Fragen.

Damals (1985) fragte mich Izzy, warum meiner Meinung nach Silber so günstig sei (ungefähr 5 Dollar je Unze) trotz des universellen Bewusstseins, dass die Welt mehr Silber verbrauchte als produziert wurde (Bergbau plus Recycling); ein Defizitverbrauchsmuster, das bis dahin bereits seit mehr als 45 Jahren existierte. Einfach ausgedrückt ist ein Defizitverbrauchsmuster die bullishte Voraussetzung für einen Rohstoff überhaupt. Doch Silber schien immun gegen das Gesetz von Angebot und Nachfrage zu sein.

Natürlich war der Silberpreis erst fünf Jahre zuvor auf bis zu 50 Dollar gestiegen, größtenteils dank der Brüder Hunt. Izzy spielte diese Rally besser aus als die meisten; er kaufte bei 4 Dollar und verkaufte bei 40 Dollar. Doch das war damals (1980) und dies war heute (1985) und der Silberpreis war wieder so tief wie bei Izzys ersten Kauf Mitte der 1970er Jahre.

Da er den Silbermarkt bereits gemeistert hatte, war ich etwas perplex, warum Izzy mich überhaupt bat, die Frage zu beantworten. Doch ich konnte sehen, dass er fragte, weil er Wert auf meine Meinung legte - es war weniger eine Herausforderung und vielmehr eine Suche nach der richtigen Antwort. Unter diesen Umständen wollte ich keine gedankenlose, spontane Antwort geben und sagte Izzy, ich würde darüber nachdenken.

Es stellte sich heraus, dass ich mehr als ein Jahr über die Antwort nachdenken würde, weil Izzys Frage so verdammt gut war - warum Silber angesichts der bullishten Angebots- und Nachfragebedingungen für jeglichen Rohstoff so günstig war. Die Antwort lautete natürlich, dass der Silberpreis aufgrund exzessiver und konzentrierter Leerverkäufe von COMEX-Futures künstlich gedrückt wurde - dieselbe Antwort, die den niedrigen Silberpreis bis heute erklärt.

Ironischerweise akzeptierte Izzy meine Antwort mehrere Jahre lang nicht (weil er sie meiner Meinung nach nicht erwartet hatte). Doch irgendwann griff er sie bereitwillig auf und prägte schließlich Begriffe wie "slicing the salami" (die Methode, durch die die Commercials die technischen Fonds zum Kauf oder Verkauf bewegen) und "full pants down" (ein Überschuss der großen Short-Positionen der Commercials).

Ich glaube, dass insgesamt sehr viel Gutes dabei herauskam, dass Izzy mir vor so vielen Jahren seine Frage stellte. Daher möchte ich jetzt die gleiche Herangehensweise benutzen und um die Antwort auf eine Frage bitten, die mich seit 8,5 Jahren beschäftigt. Ich denke, dass ich einen Großteil der Antwort bereits kenne (was ich ausführen werde), doch ich würde gern wissen, was andere dazu zu sagen haben, da es selten diskutiert wird. Ich werde Fakten darlegen, die leicht überprüft werden können und bitte Sie eine Antwort auf die Frage zu finden, wieso so viel physisches Silber in die Silberlager der COMEX und aus ihnen heraus bewegt wird.

Seit April 2011 explodierte die Menge von Silber (in Form von 1.000 Unzen schweren Barren nach Industrienorm), die physisch entweder in die von der COMEX genehmigen Silberlager geliefert oder von dort entnommen wurde, um den Faktor 5 von der davor bewegten Menge. Daten zu physischen Bewegungen bzw. dem Umschlag sind auf täglicher Basis von der CME Group (Besitzer der COMEX) für alle COMEX/NYMEX-Metalle (kostenlos) erhältlich; einschließlich Gold, Silber, Kupfer, Platin, Palladium, Blei und Zink.

https://www.cmegroup.com/clearing/operations-and-deliveries/nymex-delivery-notices.html

Auf Wochenbasis betrug der durchschnittliche Umschlag von Silber, das in die COMEX-Lager eingelagert oder herausgenommen wurde, 4,5 Millionen Unzen wöchentlich bzw. mehr als 230 Millionen Unzen jährlich seit 2011, obwohl in den letzten 52 Wochen mehr als 300 Millionen Unzen physisch bewegt wurden. In den vergangenen 8,5 Jahren wurden mehr als 2 Milliarden Unzen Silber in die Lager der COMEX physisch geliefert oder herausgenommen.

In demselben Zeitraum stieg der gesamte COMEX-Silberbestand um ungefähr 200 Millionen Unzen auf derzeit 315 Millionen Unzen an. Der Löwenanteil dieser Zunahme kann auf Metalllieferungen in die COMEX-Silberlager von JPMorgan in Höhe von 158 Millionen Unzen (im April 2011 waren es null) zurückverfolgt werden.

Andere Fakten sind unter anderem, dass es überhaupt keine Anzeichen für eine Zunahme der Bewegungen im Bestand der anderen Metalle der COMEX/NYMEX gibt oder der Metallbestände anderer Börsen oder für die physische Bewegung anderer Rohstoffe abseits der Metalle - nur die Bestände in den COMEX-Silberlagern. Das macht den physischen Lagerumschlag von COMEX-Silber vollkommen beispiellos, sowohl was Silber vor 2011 angeht als auch alle anderen Rohstoffe davor oder danach.

Es steht außer Frage, dass Silber tatsächlich, so wie ich es beschrieben habe, physisch in und aus den COMEX-Silberlagern bewegt wird. Die Daten sind bis auf eine hundertstel Unze exakt. Die Bewegungen werden in den Spalten "received" (empfangen) und "withdrawn" (entnommen) aufgeführt und unterscheiden sich grundlegend von den Kategorieanpassungsänderungen von "eligible" (verfügbar) zu "registered" (registriert") oder anders herum (was keine physischen Bewegungen erfordert).

Ich beziehe mich auf den Umschlag, bei dem Metall von einem LKW geladen und in die COMEX-Lager gebracht wird oder Metall aus den Lager in LKWs geladen wird und dann irgendwohin anders versandt wird. Es gibt keine Daten dazu, woher das Metall kommt oder wohin es geht, wenn es die COMEX-Lager verlässt. Nochmals, die Daten, die die physischen Bewegungen bestätigen, werden täglich veröffentlicht.

Beachten Sie bitte, dass sich der Lagerumschlag von physischem Silber deutlich von der Positionierung der Papier-Futureskontrakte unterscheidet, die den Preis für Silber und andere Rohstoffe festsetzt. Der Handel mit Futures dreht sich um die Positionierung in Papier-Derivatekontrakten. Der Lagerumschlag, von dem ich spreche, beinhaltet ausdrücklich die physischen Bewegungen von 1.000 Unzen schweren Barren Silber. Das eine ist Papier, das andere physisch.

Die Fragen, auf die ich Antworten suche, drehen sich darum, warum so viel physisches Silber seit April 2011 bewegt wurde und immer noch bewegt wird. Wieso brachen die physischen Bewegungen in den Silberlagern der COMEX aus und nicht in anderen Rohstofflagern der COMEX oder anderer Börsen? Wieso dauern diese physischen Silbertransfers über 8,5 Jahre an, seit sie damals plötzlich explodierten?



Ich bin mir sicher, dass Izzy im Jahre 1985 gespürt hatte, das etwas mit der Silberpreisgebung nicht stimmte, obwohl er es nicht genau ausmachen konnte. Andernfalls hätte er nicht gefragt. Eine Antwort zu suchen, war ein Beweis für seine angeborene Intelligenz. Im Gegenzug ist es das, was ich heute suche. Ich erwarte gewiss keine große Zahl sofortiger Antworten auf meine Fragen, doch wenn Sie eine konstruktive Beobachtung oder Meinung zu der Materie haben, würde ich mich freuen, von Ihnen zu hören.

Vielleicht vermitteln die Probleme und Fragen, die ich aufgeworfen habe, gar kein so ungewöhnliches oder bemerkenswertes Bild, für das ich es halte. Wie Sie wissen, hatte ich bereits lange bevor die beispiellose physische Bewegung der COMEX-Silberbestände im April 2011 begann, ein starkes und spezielles Interesse an Silber. Also vielleicht bin ich zu sehr auf Silber fokussiert.

Aber es ist wahrscheinlicher, dass mir die Veränderung der Bewegungen noch nicht einmal aufgefallen wäre, wenn ich die täglichen Lagerstatistiken nicht bereits 25 Jahre vor 2011 beobachtet hätte. Andererseits geht dieses Problem über Silber hinaus. Ich stelle mir vor, dass es eine größere geistige Herausforderung wäre, die Frage zu beantworten, warum so viel physisches Metall in und aus COMEX-Lagern befördert wird, wenn das Metall Gold, Kupfer oder Palladium wäre und nicht Silber.

Ich möchte ein Beispiel abseits von Silber und anderen Rohstoffen benutzen, um mein Argument zu untermauern. Stellen Sie sich einen Autohändler vor, der als einziger von allen Händlern der USA seinen Fahrzeugbestand viel öfter umwälzt als alle anderen Händler. PKWs und LKWs verlassen das Gelände dieses Händlers zehn, zwanzig Mal schneller als bei jedem anderen Händler. Und während die Fahrzeuge das Gelände verließen, wurden sie schnell durch neue Fahrzeuge ersetzt, sodass der Gesamtbestand leicht zunahm.

Würde es nicht jeden - insbesondere die anderen Händler - interessieren, was der Händler mit hohem Lagerumschlag tat, um so viele Fahrzeuge zu verkaufen und zu bewegen? Sollte nicht jeder, der auch nur ein flüchtiges Interesse in Silber hat, daran interessiert sein, warum so viel Metall in und aus dem weltweit zweitgrößten Lagerbestand von Silber bewegt wird?

Eine Sache scheint sicher - aus dem hohen Umschlag lässt sich starke Nachfrage folgern, denn ohne eine starke Nachfrage wären die COMEX-Silberbestände im letzten Jahr bei einem physischen Umschlag von 300 Millionen Unzen viel stärker gewachsen als um 20 Millionen Unzen. Ja, 300 Millionen Unzen kamen an die COMEX, doch mehr als 93% dieser Zuflüsse wurden herausgenommen.

Genau wie Izzy instinktiv wusste, dass etwas mit dem Silberpreis nicht stimmte, als er mich vor 35 Jahren nach meiner Meinung fragte, meine ich zu wissen, was hinter der beispiellosen Explosion des Umschlags in den COMEX-Silberlagern seit April 2011 steckt. Der beispiellose Umschlag kann JPMorgan zugeschrieben werden.

Ich bin seit langem zu dem Schluss gekommen, dass sich JPMorgan, als der Silberpreis Anfang April 2011 auf fast 50 Dollar stieg und die Bank mit ihrer COMEX-Short-Position mehrere Milliarden Dollar verloren hatte, nicht nur dazu entschied den Preis zu drücken, sondern sich auch gegen zukünftige Preisanstiege zu wappnen, indem sie so viel physisches Silber wie möglich kauft.

Was April 2011 so entscheidend macht, ist, dass es sich mit so vielen ungewöhnlichen Entwicklungen zu der Zeit überschneidet. Es war nicht nur der Beginn des heftigen physischen Umschlags und die Eröffnung des JPMorgan-COMEX-Lagers, sondern auch der Anfang eines acht Jahre langen Abstiegs des Silberpreises um bis zu 70%.

Dieser Zeitraum markiert auch eine ungewöhnliche Zunahme der Verkäufe der Münzen "American Silver Eagle" und "Canadian Silver Maple Leaf", die bis 2016 anhalten würde und alle stichhaltigen Beweise schließen einfache Privatkäufe als Grund aus. Mehr neue Silbermünzen wurden bei dem tiefsten und beständigsten Preisrückgang der Geschichte verkauft - wenn die menschliche DNA nicht flächendeckend irgendwie verändert wurde, wurden die Münzen nicht von gemeinsam agierenden Investoren gekauft.

Die einzige Erklärung für die Rekordkäufe zwischen 2011 und 2016 ist ein einzelner großer Käufer. Und ja, all diese Münzen - insgesamt 150 bis 200 Millionen - wurden eingeschmolzen und von JPMorgan zu 1.000 Unzen schwere Barren umgewandelt. Aus diesem Grund wurde der Markt seitdem nicht mit diesen Münzen überflutet. Der einzige Grund, warum JPMorgan aufhörte, American Eagles und Canadian Maple Leafs zu kaufen, lag darin, dass es zu offensichtlich wurde, dass sie der Käufer war. Also stellte sie freiwillig ihre Käufe ein.

Was den massiven und beispiellosen physischen Umschlag der COMEX-Silberbestände angeht, so glaube ich, es ist das Ergebnis davon, dass JPMorgan physisches Silber kauft und es vom freien Markt nimmt. Es hat nur bedingt damit zu tun, dass JPMorgan auch die größten physischen Lieferungen von Silber-Futureskontrakten ins eigene "House"-Depot erhält.

In anderen Worten machten JPMorgans ununterbrochenen Käufe physischen Silbers von den Futures-Auslieferungen weg den beispiellosen großen physischen Umschlag notwendig. Weil JPMorgan so viel physisches Silber vom Markt "abschöpfte", musste neues Silber gekauft werden, um das zu ersetzen, was JPMorgan akkumulierte. Das ist die Nachfrage, die den beispiellosen physischen Umschlag antrieb.

In der Tat ist der einzige Grund, dass die COMEX-Silberbestände in den letzten 8,5 Jahren zunahmen, JPMorgans bewusste Entscheidung, etwas von ihrem Hort von über 850 Millionen Unzen in den COMEX-Lagern aufzubewahren. Zusätzlich zu den 157 Millionen Unzen im JPMorgan-COMEX-Lager, glaube ich, dass die Bank weitere 100 Millionen Unzen in anderen COMEX-Lagern aufbewahrt oder 250 Millionen Unzen bzw. 80% der gesamten 315 Millionen Unzen der COMEX-Bestände besitzt.

JPMorgan lagert ihre 250 Millionen Unzen im COMEX-Lager. Denn sollte klar werden, dass nur 65 Millionen Unzen (die Menge nicht im Besitz von JPMorgan) existieren, würden sogar die hirntoten Aufsichtsbehörden erkennen, dass JPMorgan beinahe das ganze Silber in den COMEX-Lagern besitzt.

Ich bitte Sie nicht darum, meiner Version für den Grund hinter dem höchst ungewöhnlichen physischen Umschlag der COMEX-Silberbestände zuzustimmen. Doch ich bitte Sie, die Bewegung in Ihrem Sinne zu erklären. Der Umschlag ist so ungewöhnlich und beispiellos, dass es förmlich nach einer Erklärung schreit.

Die Fakten sind einfach vorzubringen; schwieriger ist es, die Fakten zur plausibelsten Erklärung zusammenzufügen. Natürlich könnte das US-Justizministerium oder die CFTC leicht ermitteln, ob JPMorgan verantwortlich ist, wie ich behaupte. Doch beide scheinen sich damit zufrieden zu geben, JPMorgan weiterhin wegen des Spoofings zu verwarnen, anstatt tiefer nach dem wirklich Wichtigen zu graben.


© Theodore Butler
www.butlerresearch.com



(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.)
Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 18.10.2019 auf der Webseite www.silverseek.com veröffentlicht