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Glosse: Metall-Exoten und ihre Heilsbringer

16.07.2007  |  Hans Jörg Müllenmeister

Blasenartige Anomalien der Rohstoffmärkte tauchen alle Jahrzehnte auf. Bereits im Vorfeld rollen vermehrt selbstgekürte Gurus wie Falschgeld durch die Lande und verheißen Heil und Segen in Gold und Silber.



Alle Gurus profitieren vom beginnenden Rohstoffboom: Selbsternannte Rohstoffspezialisten füllen Bücher mit den aberwitzigen Blaupausen anderer Pseudoexperten. Eurofett honorierte Rohstoff-Seminare werden von Dampfplaudertaschen abgehalten. Willig lässt sich die Schar zur Tränke führen. Droht aber ein Rohstoffmarkt zu versiegen, zaubert man rasch eine neue Investment-Idee aus dem Hut. Konkret: Laufen mal die Edelmetalle unrund, müssen statt ihrer Exotenmetalle Hightech-Glanz verbreiten.

Die Zeit scheint reif, denn neue Applikationen in der Industrie schreien nach Metallen, die viele von uns nicht einmal namentlich kenne. Wie aber auf den rumpelnden Rohstoffzug nach Exotia aufspringen, ohne Fahrkarte und Ziel. Bei den Edelmetallen kann sich der Investor mit vielen Optionen einbringen: Aktien, Derivate, Naturware. Für den Großteil exotischer Industriemetalle gibt es aber kaum diese Auswahl an "Fahrkarten". Der Staat verbietet z.B. Uran privat zu bunkern, aber dafür gibt es Aktien von Uranminen, ja sogar einen Aktienkorb aus einem Dutzend dieser Strahlemänner. Einige Metallexoten sind "Zubrot" z.B. bei der Kupferraffination, etwa Zink und Silber. Wieder andere verbergen sich hinter dem Leitmetall in geringsten Mengen wie das Rhenium hinter dem Molybdän. So sind mir auch keine Derivate für Seltenerdmetalle bekannt.

Sei’s drum, der Privatmann möchte partizipieren vom Boom metallhaltiger Exotenkuchen, bestenfalls in physischer Form. Aber wie? Der Normalbürger macht sich auf die Wanderschaft nach physischen Möglichkeiten und wird sogar fündig. Hurra! Der verschlossene Marktzugang öffnet sich ihm wie ein Taubenschlag. Ohne Zertifikate. Kein Future versperrt ihm den Weg. Er kann direkt sein Papiergeld ummünzen in Metallwerte als zeitloses Vermögen mit besten Renditeaussichten. Wo ist da der Haken? Schließlich fußt auch die Beratung dieser Metall-Experten auf eine Jahrhunderte alte Kenntnis. Erstaunlich, wo doch die meisten dieser Hightech-Metalle erst vor 100 Jahren entdeckt wurden.

Die Argumente der neuen Finanzprodukte auf strategische Metalle sind einleuchtend, so kann das Geld in einigen Jahren in der Tat nichts mehr wert sein, dagegen kann eine Portion Tantal oder Nickel oder auch ein Sandsack voll Seltenerdmetalle ein Vermögen kosten. Wohl dem, der beizeiten derartige Exoten hinter Schloß und Riegel bringt, will heißen: diese todsicher in ein Wertdepot einlagert, das zudem security-geschützt, jederzeit zu besichtigen und versichert ist.

Und dann die riesige Auswahl. Der kaufwillige Hightechler






Der begeisterte Investor bekommt selbstverständlich für all seine Kaufregungen einen Depotschein über sein Eigentum. Endlich ein verbriefter Sachwerte als absoluter Schutz gegen die anbrandende inflationäre Bedrohung.

Soweit, so gut! Die Zertifikate dieser edlen Zauberwerkstätten sind aber Schuldverschreibungen. Der Anleger sollte die Bonität des Emittenten bedenken und auch wissen, dass diese Metallprodukte nicht tägliche gehandelt werden. Der physische Erwerb dieser Metalle ist mit Risiken und Kosten verbunden. Das ist der punctum saliens. Wenn der Hightechler als Käufer lediglich eine wie immer geartete Quittung für seine fabelhafte Geldtransformation bekommt, reicht das nicht. Erwirbt er die Exoten aber sicherheitshalber selbst und steckt sie in seinen Keller, steht er vor der Frage "wer kauft mir später die Einkellerkartoffeln wieder ab". Notgedrungen kann er sein Eingemachtes nur wieder an seinen Emittenten veräußern, der dann seinen Magerpreis diktiert.

Ich erinnere Sie daran, dass viele Gutgläubigen ihre im Ausland erworbenen Klunker abgesichert glaubten, eben durch das mitgelieferte Kaufzertifikat. Das ist aber genau so viel wert wie das Papier, auf dem es ausgestellt wurde. Eine Depotquittung besteht auch aus einem Fetzten Papier, und das ist geduldig, gutgläubig dagegen ist der stolze Papierbesitzer. Bedenken Sie: Das Wareneingangslager dieser Anbieter ist gewiss kein Fort Knocks, zumindest fehlen da 300 Panzer. Doch Gemach, Gemach, sicherlich wird es in absehbarer Zeit einen Indexfond für Metallexoten geben, der handelbar ist. Ich könnte mir vorstellen, dass die Strategen bei der London Metal Exchange dabei sind, das goldene Jahrhundert-Ei aus Metallexoten auszubrüten.

Egal aus welcher Ecke "Quittungspapiere" stammen, in Zertifikat-, Derivat- oder Geldform, der vorsichtige Private meidet diese Luftnummern und geht direkt in die Hardware. Selbst da ist der Laie hilflos dem ausgeliefert, was er als Verkaufsstory aufgetischt bekommt. Erinnern Sie sich: Als Ende der 70er Jahre der Goldpreis Himalajaluft schnupperte, schwatzten eloquente Telefonseelsorger betuchten, aber naiven Bürgern ihr Geld ab. Sie sollten es in die härteste Währung der Welt umtauschen: in sogenannte Anlagediamanten. Diese Hardware war in wenigen Jahren von 3.000 DM auf über 60.000 DM pro Karat hochgehievt. Gläubige Naivlinge erhielten das überteuerte "Hartgeld" in einer versiegelten Plastikbox und dazu ein oft windiges Zertifikat von dubioser Stelle. Selbst heute kommen noch Erben dieser Käufergeneration zu mir. Wenn ich ihnen dann als Diamantgutachter reinen Wein einschenke, wundern sie sich darüber, dass das einstige teure "Hartgeld" zu Kleingeld mutierte. Übrigens im Gleichschritt zur guten alten Dampf-DM. Die Mark von einst ist heute auch nur noch 16 Euro-Cent wert. Jedes Währungsuniversum schrumpft beim Urknall (Währungsreform) auf seinen inneren Wert, nämlich auf Null.

Und wie steht’s mit den feilgebotenen Ersatzwährungen? Kaum einer von uns kann Hightech-Metalle auseinander halten, geschweige denn mit der gebotenen Handelsform (Pellets, Granulat, Sand) etwas anfangen. Die meisten dieser Exoten sind farbgleich silbrig-glänzend, etwa Barium, Beryllium, Erbium, Gallium, Hafnium, Indium, Lantan, Molybdän, Niob, Rhenium, Tellur, Titan, Uran und Yttrium. So bleiben wir weiterhin Gläubiger des Fiat money.

Goethe bemerkte schon in seinem Faust: Der Glaube ist des Wunders liebstes Kind. Und ich ergänze den Cicero-Ausruf: Ceterum Censeo ... kaufen Sie Gold statt Hightech-Silberlinge!


© Hans-Jörg Müllenmeister