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Was sollte man als junger Mensch auf der Suche nach Freiheit in der heutigen Zeit wissen?

12.09.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

1.

Vielen Dank für eure Einladung. Ich hoffe, ihr könnt mich gut hören und, was aber nicht ganz so wichtig ist, auch gut sehen. Ich weiß, es ist der Drang nach Freiheit, der euch heute Abend zusammengebracht hat. Und dass ihr euch vor allem auch mit den theoretischen Grundlagen der Freiheit auseinandersetzen wollt, ist großartig, und daher habe ich Eure Einladung auch sehr gern angenommen.

Die Überschrift meines Referates, die mir vorgeschlagen wurde, und die ich anstandslos angenommen habe, lautet: Was sollte man als junger Mensch auf der Suche nach Freiheit in der heutigen Zeit wissen?

Nun, zunächst solltet ihr wissen - und viele von euch wissen das bereits vermutlich -, dass man der Wahrheit am besten ins Gesicht sieht. Das kann manchmal unangenehm sein. Es ist aber unverzichtbar, wenn man wissen will, was sich tatsächlich abspielt und man seine Ziele auf dieser Welt erreichen will. Und wenn ihr der Wahrheit ins Gesicht seht, dann erkennt ihr, dass die Freiheit, die ihr sucht, in der westlichen Welt auf dem Rückzug ist. Das ist zwar einerseits besorgniserregend. Aber gleichzeitig ist es nichts ungewöhnliches, wie ein Zitat des Ökonomen Ludwig von Mises euch vermitteln soll.

Mises schrieb 1962: “Die Geschichte des Westens, vom Zeitalter der griechischen Polis an bis zum heutigen Widerstand gegen den Sozialismus, ist im Wesentlichen die Geschichte des Kampfes um Freiheit gegen die Übergriffe der Amtsinhaber.”

Was allerdings besorgt machen muss, ist, auf welche Weise die Freiheit von den Übergriffen der Amtsinhaber, vom Staat, unterwandert, relativiert und zerstört wird. Die Tendenz zum autoritären Staat hat in den letzten Jahren mächtig an Fahrt aufgenommen, und das ist vor allem auch deshalb möglich geworden, weil der schleichende Entzug der Freiheit für viele Menschen nicht erkannt oder duldend hingenommen wird.

Viele Menschen sind bereits den Sirenenrufen der kollektivistischen-sozialistischen Ideen zum Opfer gefallen, häufig ohne es zu wissen. Sie streben nicht mehr nach Freiheit von Herrschaft, sondern nur noch nach Beteiligung an der Herrschaft. Sie erblicken im Staat eine Art Heilsbringer, einen Garanten für Recht und Sicherheit, nicht eine Bedrohung für ihre Freiheiten, ihren Wohlstand, ihr Leben.

Das zeigt sich jüngst in aller Deutlichkeit bei den Themen “Klimawandel” und der “Coronavirus-Krise”. Die Sorgen und die Ängste, die sie auslösen, weiß der Staat für seine Zwecke zu nutzen - und zusätzlich zu schüren. Er schmeißt sich als "Retter in der Not" in Pose. Und der Trick scheint zu gelingen. Dem Staat wird mittlerweile nahezu alles anvertraut - Bildung, Gesundheit, Rente etc. -, und Kritik an ihm und seinem Handeln wird vielfach argwöhnisch beäugt oder gar empört zurückgewiesen.

In diesem geistigen Umfeld ist es sogar möglich geworden, dass der Staat und die Sonderinteressengruppen, die ihn für ihre Zwecke einzuspannen wissen, ungeniert an einem “Großen Neustart” der Volkswirtschaften, an einer “Großer Transformation” arbeiten. Dabei geht es im Kern darum, das, was vom freien Markt- und Gesellschaftssystem übrig ist, auch noch auszuschalten und es durch eine Art Befehls- und Lenkungswirtschaft zu ersetzen, in der von zentraler Stelle gesteuert wird, was wann wo und in welcher Menge produziert wird, und wer was wann und wieviel konsumieren darf.

Ihr werdet fragen: Wie kann da die individuelle Freiheit überleben? Wie lässt sich verloren gegangene Freiheit wiedergewinnen?


2.

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, sollte man zunächst das Folgende wissen: Es ist vor allem der intellektuelle Feldzug gegen ökonomische Erkenntnisse - die antikapitalistische Mentalität -, der Freiheit und Wohlstand der Menschen schädigt beziehungsweise zerstört. Vielen Menschen ist heutzutage nicht mehr bewusst, dass ihr Wohlstand nicht vom Himmel gefallen ist, sondern dass sie ihn aus einem ganz bestimmten Grund genießen können: und zwar aufgrund der friedvollen und produktiven Kooperation der Menschen.

Nicht wenige denken irrtümlich, der Staat würde für Wohlstand sorgen. Sie sehen ihn als Beschützer, Helfer, und nicht etwa als das, was Staat und Regierung wirklich sind: Sie stehen für Zwang und Gewalt. (Ich werde das gleich noch näher erläutern.) Häufig wird gesagt: Der Staat, das sind wir alle. Das aber stimmt nicht, wie sich ganz einfach einsehen lässt. Der Staat spaltet die Gesellschaft in zwei Klassen: in Netto-Steuerproduzenten und Netto-Steuerkonsumenten. Der Staat ist Netto-Steuerkonsument und damit nicht "alle".

Die friedvolle und produktive Kooperation der Menschen ist das Ergebnis des freien Marktes, nicht des Staates. Das Geheimnis des materiellen Wohlergehens heißt: freiwillige Arbeitsteilung. Arbeitsteilung bedeutet, dass nicht jeder alles, was er benötigt, selbst produziert, sondern jeder erzeugt das, was er am relativ besten (also mit den vergleichsweise geringsten Kosten) herstellen kann. Man produziert nicht für den Eigenbedarf, sondern für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen; und die in Arbeitsteilung erzeugten Güter werden sodann gegen andere Güter getauscht.

Die Arbeitsteilung erhöht die Ergiebigkeit der Arbeit und ist damit nützlich für alle daran Beteiligten. Sie erhöht den Wohlstand für alle - im Vergleich zu einer Situation, in der es keine Arbeitsteilung gibt. Und noch etwas bewirkt die Arbeitsteilung: Die Menschen, die sich arbeitsteilig verbinden, erkennen sich gegenseitig als nützlich in der Bewältigung ihrer Lebensherausforderungen. Die Arbeitsteilung macht sie zu Partnern. Die Arbeitsteilung und der freie Markt sind friedenstiftend.

Die Einsicht, dass Arbeitsteilung vorteilhaft ist für alle daran Beteiligten, gilt nicht nur national, sondern auch international. Die Möglichkeit, die Arbeitsteilung global auszuschöpfen, ist daher nicht nur ein Wohlstands-, sondern auch ein Friedensprogramm für den Planeten. Es ist im allgemeinen Interesse, dass die produktiven Kräfte aller zum Einsatz kommen. Scheidet zum Beispiel ein Land aus der internationalen Arbeitsteilung aus (weil es zum Beispiel sich in einem Bürgerkrieg aufreibt oder von außen mit Handelssanktionen belegt wird), ist das zum Schaden aller. Denn dadurch fällt das Güterangebot geringer aus, als wenn das Land in der internationalen Arbeitsteilung verblieben wäre.

Noch etwas ist wichtig zu erkennen: In einem arbeitsteiligen freien Markt setzen die Eigentümer ihr Eigentum ein, nicht um damit ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen, sondern um die Bedürfnisse der Mitmenschen, der Kunden zu bedienen. Der Bäcker backt mit seinem Ofen Brötchen, die den Kunden schmecken sollen, nicht ihm selber. Und wenn er dabei erfolgreich ist, wird er mit Gewinn belohnt.

Der Gewinn ist die Auszeichnung, den Kundenwünschen entsprochen zu haben. Er versetzt den Unternehmer in die Lage, sein Angebot im Sinne der Kunden ausweiten zu können. Erzeugt der Bäcker hingegen Brötchen, die keiner kaufen will, geht er früher oder später Pleite, die Kunden wandern zu besseren Brötchenbäckern ab. Letztere machen dann Gewinne, weil sie die Kundenbedürfnisse besser bedienen.

In einem freien Markt sind es also die Kunden, die bestimmen, was produziert wird und was nicht, und welcher Unternehmer Erfolg hat und welcher nicht. Und die Unternehmer setzen alles daran, die Kundenbedürfnisse bestmöglich zu geringsten Preisen zu bedienen. Dass man dieses Wirtschaftssystem - das für Wohlstand und Frieden sorgt - politisch diskreditiert und sabotiert (durch vielfältige staatliche Eingriffe), ist wohl nur durch ökonomische Unwissenheit, antikapitalistischen Fanatismus und/oder Böswilligkeit zu erklären.

Wenn Ihr Freiheit für Euch und Eure Mitmenschen durchzusetzen wünscht, dann solltet ihr Euch dafür einsetzen, dass dem System des freien Marktes der Weg bereitet wird - denn es ist das System des freien Marktes, dass die Freiheit repräsentiert und bewahrt.




3.

Ich habe bereits von freiwilliger Arbeitsteilung gesprochen - und damit im Grunde schon die Verbindung hergestellt zur Freiheit des Individuums. Denn nur derjenige, der die Fähigkeit hat, freiwillig (also mit freiem Willen, aus freien Stücken) etwas zu tun oder zu unterlassen, hat Freiheit im wohlverstandenen Sinne. Die Idee der menschlichen Freiheit ist keine willkürliche, ihre Erklärung bedarf keines Rückgriffs auf irgendwelche übernatürlichen, metaphysischen Erklärungen. Auch das ist etwas, was junge Menschen, die nach Freiheit streben, wissen sollten. Die Freiheit des Menschen hat vielmehr etwas mit Eigentum zu tun.

Ohne Eigentum lässt sich so etwas wie individuelle Freiheit gar nicht denken. Um das zu verstehen, führen wir uns zunächst das vor Augen, was wir über das menschliche Handeln wissen. Wir Menschen handeln unter Knappheit. Das ist keine empirische Annahme, sondern eine Einsicht, die wir handlungslogisch gewinnen können.

Menschen wollen durch ihr Handeln Ziele erreichen. Dazu müssen sie Mittel einsetzen. Mittel sind knapp, und zwar denknotwendigerweise. Wären sie nicht knapp, wären sie keine Mittel (und müssten nicht bewirtschaftet werden). Zeit ist ein Mittel, dass wir einsetzen müssen, um zum Ziel zu gelangen. Jedes Handeln bedarf des Einsatzes von Zeit. Zeitloses Handeln lässt sich widerspruchsfrei nicht denken: Denn dann wären die Ziele sofort und unmittelbar erreicht, und man könnte nicht handeln.

Doch es wäre ein logischer Widerspruch, wollte man behaupten, dass der Mensch nicht handeln kann. Zu sagen “Der Mensch handelt nicht” ist ein Akt des Handelns und widerspricht dem Gesagten. Die Aussage “Der Mensch handelt nicht”, ist ein Widerspruch und damit falsch.

Kurzum: Wir Menschen handeln unter Knappheit, immer und überall. Und es ist das Phänomen der Knappheit, das Konflikte zwischen unterschiedlichen Personen entstehen lässt. Ohne Knappheit gäbe es keine Konflikte. Dann könnte ich beispielsweise heute eine Banane verspeisen, ohne dass ich dadurch meinen heutigen oder künftigen Bananenkonsum schmälere; und ich würde durch den Verzehr der Banane auch nicht deinen heutigen oder künftigen Bananenkonsum verringern.

Aber es gibt nun mal Knappheit, und zwar denknotwendig. Nicht nur erfordert das Handeln den Einsatz von knapper Zeit. Auch der Standort, wo mein Körper sich gerade befindet, ist knapp. Denn die Stelle, wo mein Körper sich befindet, kann von deinem Körper nicht eingenommen werden. Wie geht man mit dem Problem der Knappheit um, die interpersonelle Konflikte verursachen kann? Antwort: Man braucht eine Norm, eine Regel, die Konflikte verhindert, oder wenn sie dennoch entstehen, die sie nach einer einheitlichen Regel beilegt.


4.

Welche Norm kann das sein? Antwort: Der unbedingte Respekt vor dem Eigentum. Wenn klar ist, was Dir und was mir gehört, dann ist es möglich, Konflikten aus dem Weg zu gehen beziehungsweise, wenn sie dennoch eintreten, sie nach einer für alle geltenden Regel zu schlichten. Eine Norm, die allen Christenmenschen gut bekannt ist, ist das siebte Gebot: “Du sollst nicht stehlen”; und auch das 9. Gebot: “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus”, sowie auch das 10. Gebot: “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.”

Wichtig ist an dieser Stelle auch zu verstehen, dass das Phänomen des Eigentums sich mit handlungslogischen Überlegungen erklären und begründen lässt. Wie wir wissen, kann der Mensch nicht nicht handeln. Wir wissen auch, dass Wahrheitsansprüche, die wir machen, im Zuge des Argumentierens entschieden werden. Ich sage “Inflation ist schlecht, weil sie Wachstum und Beschäftigung schädigt”, Du entgegnest mir "Inflation ist gut, weil sie die Schuldner entlastet". Das ist ein Austausch von Argumenten.

Argumentieren ist eine besondere Form des menschlichen Handelns, und man kann nicht argumentieren, dass man nicht argumentieren kann. Der Satz "man kann argumentieren, dass man nicht argumentieren kann", läuft auf einen logischen Widerspruch hinaus und ist damit falsch. Man kann daher vom Apriori des Argumentierens sprechen.

Was heißt a priori? Diejenigen von ihnen, die sich schon einmal mit der Philosophie des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) beschäftigt haben, sind sicherlich dem Begriff Apriori begegnet. Mit Apriori sind Aussagen gemeint, die erfahrungsunabhängig als wahr eingesehen werden und die Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Anders gesagt: Eine Aussage a priori kann man nicht verneinen, ohne ihre Gültigkeit bereits vorauszusetzen. Ein Beispiel dafür ist der bereits genannte Satz “Der Mensch handelt”.

Ein weiteres Beispiel lautet: Man kann nicht nicht argumentieren. Das Argumentieren lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen, ohne seine Gültigkeit bereits vorauszusetzen. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Argumentieren ist an Körperlichkeit gebunden. Um ein Argument zu machen, muss ich Eigentümer meines Körpers sein, muss in der Lage und fähig sein, mein Gehirn, Sprachzentrum, meine Stimmbänder, Arme etc. einzusetzen. Argumentieren setzt Eigentum am eigenen Körper voraus.

Mehr noch: Es setzt auch voraus, dass derjenige, mit dem ich argumentiere, Eigentum an seinem Körper hat. Schließlich muss er ebenfalls seinen Körper einsetzen, um mein Argument aufnehmen und gedanklich verarbeiten zu können und mir etwas zu entgegnen. Und aus dieser Einsicht lässt sich auch das Eigentum an externen Gütern, die zum Erhalt der Körperlichkeit notwendig sind, rati-onalisieren.

Wie lassen sich externe Güter (Land, Nahrungsmittel etc.) erwerben, ohne gegen die Eigentumsnorm zu verstoßen? Das geht auf drei Wegen: 1) Inlandnahme (von Ressourcen, die zuvor von niemand anderem beansprucht wurden), 2) Produktion und 3) Tauschen und Schenken. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Eigentum ist ein Apriori, und es ist Dreh- und Angelpunkt der individuellen Freiheit. Das ist wichtig zu wissen, wenn man die Freiheit verteidigen will.


5.

Wenn man das Eigentum als ein Apriori versteht, dann wird auch die Ungeheuerlichkeit klar, die sich seit Jahr und Tag in unseren Volkswirtschaften abspielt. Denn der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist - um einen positive Definition zu verwenden - ein territorialer Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet, und der sich das Recht nimmt, Steuern zu erheben.

An dieser Stelle sei betont: Niemand (der bei Verstand ist) wird in Abrede stellen, dass ein friedvolles und produktives Zusammenleben der Menschen die Güter Recht und Sicherheit braucht. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass die Güter Recht und Sicherheit vom Staat (zwangs-)monopolisiert werden müssten oder sollten.

Zudem stellt sich folgendes Problem: Derjenige, der sich und sein Eigentum einem territorialen Monopolisten unkündbar und auf ewig unterstellt, ist nicht mehr Eigentümer seiner selbst und seiner Güter, er landet dadurch vielmehr in einer Art Sklaverei. Der Staat, wie wir ihn heute kennen, ist also mit dem Apriori des Eigentums unvereinbar! Ganz augenscheinlich ist das bei der Besteuerung: Steuern sind Abgaben, denen keine konkrete Leistung gegenübersteht. Diese Definition entspricht der des Diebstahls. Das Urteil, Steuern sind Diebstahl, lässt sich vor dem Hintergrund des Apriori des Eigentums nicht entkräften.



In diesem Sinne schrieb der US-amerikanische Jurist und libertäre Autor Lysander Spooner (Zitat): “If taxation without consent is not robbery, then any band of robbers have only to declare themselves a government, and all their robberies are legalized.” Übersetzt heißt das: “Wenn die Besteuerung ohne Zustimmung keine Räuberei ist, dann bräuchte jede Räuberbande nur zu erklären, sie sei die Regierung, und alle Räuberei wäre legalisiert.”

Das ist eine logische Einsicht, die übrigens nicht auf den Kreis der Libertären beschränkt zu sein scheint. Der Philosoph Peter Sloderdijk (* 1947) hat am 13. Juni 2009 in der FAZ einen Aufsatz veröffentlicht mit dem Titel “Die Revolution der gebenden Hand”. Seine Forderung: Verzicht auf Zwangssteuern, Steuern sollten fortan freiwillige Zuwendung an das Gemeinwesen sein. Es gibt viele weitere Beispiele, die zeigen, wo der Staat das Eigentum der Bürger und Unternehmer verletzt beziehungsweise zerstört: Schulzwang, Wehrpflicht, gesetzliche Rente, Mindestlöhne, Monopolisierung des Geldes, Besteuerung etc.

Man mag sich vielleicht beruhigen wollen: Es lebt sich ja ganz gut unter den Bedingungen, die der Staat in der westlichen Welt setzt, die meisten haben ihr Auskommen, es herrscht Frieden. Doch das wäre kurzsichtig geurteilt. Denn der Staat, wie wir ihn heute kennen, wird immer größer und mächtiger. Er lässt sich nicht zähmen, nicht auf eine gewisse Größe beschränken. Selbst jeder Minimalstaat wird früher oder später zum Maximalstaat, wie es Hans Hermann Hoppe eindrücklich formuliert.


6.

Der Kampf gegen die Unfreiheit, gegen Kollektivismus, Sozialismus ist ein intellektueller Kampf, ein Kampf der Ideen. Denn es sind die Ideen, die die Menschen zum Handeln bewegen. Wenn die Mehrheit der Menschen meint, sie müsse sozialistische Politiken unterstützen, dann wird es Sozialismus geben. Wenn sie aber einsehen, dass der Sozialismus und alle seine Spielarten Armut, Chaos und Gewalt bringen, gibt es Hoffnung auf Besserung. So betrachtet kann sich niemand, dem etwas an seiner Freiheit und der seiner Mitmenschen liegt, aus dem Kampf der Ideen heraushalten.

Wo aber kann man ansetzen? Man kann beispielsweise mithelfen, eine "Graswurzelbewegung" für die Freiheit in Gang setzen. Dazu will ich zehn praktikable Maßnahmen nennen:

1) Verbreitet die ökonomische Erkenntnis, dass die freien Märkte Wohlstand und Frieden schaffen, dass Sozialismus hingegen Armut und Gewalt bringt. Vermittelt diese Einsicht, wo immer ihr könnt: im Familienkreis, Schule, Universität, in der Nachbarschaft, im Sportverein.

2) Verschenkt zu Geburtstagen und Festtagen Bücher von Mises, Hayek und anderen libertären Denkern.

3) Versendet per Mail Artikel und Videovorträge an Freunde und Bekannte, in denen die freiheitliche Lehre erklärt werden. Im Internet findet sich ein überaus reichhaltiges Angebot.

4) Widersprecht aktiv all denen, die bewusst oder unbewusst sozialistische Ideen verbreiten. Schreibt Leserbriefe, meldet euch auf Social Media zu Wort.

5) Sucht Kontakt zu und Austausch mit Gleichgesinnten. Besucht Konferenzen und Vortragsveranstaltungen, auf denen die Lehre der Freiheit verbreitet wird. Ladet Freunde, Eltern, Onkel und Tante ein, euch dorthin zu begleiten.

6) Veranstaltet im Freundeskreis Diskussionsabende. Schickt dazu jedem Gast vorab einen Aufsatz von Mises, Hayek und Co, verbunden mit der Bitte, den Aufsatz vorher durchzulesen (und belohnt das mit "Freibier").

7) Verbreitet Zuversicht unter euren Gesprächspartnern, und bleibt sachlich und höflich, geht mit gutem Beispiel voran, verliert nie die Geduld.

8) Konsumiert so wenig wie möglich das Angebot der Hauptstrom-Medien. Lest stattdessen ein gutes Buch und hört klassische Musik.

9) Versucht einen Beruf zu ergreifen, der euch nicht direkt abhängig macht vom Staat (und überlegt euch auch gut, ob ihr für einen Großkonzern arbeiten wollt).

10) Strebt nach finanzieller Unabhängigkeit. Durch Sparsamkeit, aber auch durch umsichtiges Investieren. Lest dazu, wie die wirklich erfolgreichen Investoren vorgegangen sind.

7. Vor allem auf zwei Einsichten, mit denen die Idee der Freiheit befördert werden kann, solltet ihr eure Gesprächspartner aufmerksam machen. Die erste Idee lautet: Informiert eure Mitmenschen darüber, dass das ungedeckte Papiergeldsystem das große Übel unserer Zeit ist. Erklärt ihnen klipp und klar, warum sie dem Euro ihre Ersparnisse nicht anvertrauen sollten. Eine große Zahl von Menschen - das ist meine Überzeugung - wird das verstehen. Und aus diesem Verstehen erwächst der Ruf nach besserem Geld (und in der Folge gebietet das dem Staat Einhalt).

Die zweite Idee lautet: Setzt eure Mitmenschen darüber in Kenntnis, dass jeder Mensch ein unbestreitbares Recht auf Selbstbestimmung besitzt; dass sie und du selbst ein nicht in Abrede zu stellendes Recht haben, eigenbestimmt zu leben - und dass niemand ein Recht hat, anderen ihr Selbstbestimmungsrecht abzusprechen (und das könnt ihr bei Bedarf über das Apriori des Eigentums auch noch näher begründen.)

Diese zentrale Erkenntnis der Aufklärung, dass jeder von uns ein Selbstbestimmungsrecht besitzt, bedeutet, konsequent zu Ende gedacht, vor allem eines: Wir alle haben das Recht, aus einem Staat (wie wir ihn heute kennen) auszusteigen, haben das Recht auf Sezession. Im Aufspalten der großen politischen Einheiten in kleine politische Einheiten liegt ein Schlüssel, den übergroßen Staat zu verhindern und Wohlstand und Frieden zu bewahren.

Kleine politische Einheiten sind besser, sie sind wohlhabender und friedvoller. Denken Sie nur an die Rangliste der wohlhabenden Länder auf der Welt: Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Hong Kong, Singapur. Alles Kleinstaaten. Der Grund für den Erfolg der "kleinen Einheiten" liegt auf der Hand: Kleine politische Einheiten sind angewiesen auf freien Handel, auf Kapitalimporte, sie müssen freundlich zu ihren Bürgern sein, müssen niedrige Steuern haben, damit Talente sich ansiedeln und nicht abwandern. Es gibt gute Gründe darüber nachzudenken, ob eine politische Einheit wie die EU nicht doch zu groß ist; gleiches gilt für die Vereinigten Staaten von Amerika, China, die Bundesrepublik Deutschland.

Das Bestreben, große politische Einheiten in viele kleine politische Einheiten zu überführen, ist ein sehr erfolgsversprechender Weg, um dem Sozialismus, der gerade zur Tür hereinspaziert, vielleicht doch noch von der Schippe springen zu können. Das rigorose Durchsetzen des Freiheitsgedankens, das damit eingefordert wird, sollte uns nicht verschrecken. Denken wir nur etwa an die Worte von Friedrich Schiller (1759-1805):

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren.
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.


Ein Zoom-Vortrag von Thorsten Polleit, gehalten auf der Veranstaltung des "Liberty Sunrise Summer Camp" am 13. August 2021.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH