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Goldanleger aufgepasst: Das Währungsprojekt der BRICS nimmt Fahrt auf

22.07.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

"It is possible to increase paper-money income to any amount by debasing the currency. But real income can only be increased by working harder or more efficiently, saving more, investing more, and producing more." - Henry Hazlitt

Die BRICS wollen ihre US-Dollar-Abhängigkeit verringern. Ein Vorschlag dazu ist, eine neue Recheneinheit zur Abwicklung von internationalen Handels- und Finanztransaktionen zu schaffen. Die neue Recheneinheit soll mit Gold gedeckt sein.

Am Freitag, den 7. Juli 2023, machte in den Finanzmarkt-Medien die Nachricht die Runde, die "BRICS" (also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) wollten schon bald eine goldgedeckte Handelswährung einführen. Möglicherweise werde dazu ein entsprechender Beschluss schon im August gefasst. Das Vorhaben der BRICS, dem US-Dollar die Stirn bieten zu wollen, steht seit geraumer Zeit im Raum.

Zuletzt hatten sich am 2. Juni 2023 die Außenminister der BRICS – sowie Repräsentanten aus mehr als 12 Ländern – in Cape Town, Südafrika, getroffen (bezeichnenderweise also: am "Kap der guten Hoffnung"). Es wurde hier unter anderem betont, eine internationale Handelswährung schaffen zu wollen. Zweifellos ein Vorhaben, das weitreichende Folgen haben könnte.

Schließlich repräsentieren die BRICS etwa 3,2 Milliarden Menschen, damit also etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung mit einer gemeinsamen Wirtschaftsleistung, deren Größenordnung mittlerweile der US-amerikanischen entspricht. Und es gibt auch viele weitere Länder (wie zum Beispiel Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Iran, Ägypten und Kasachstan), die sich den BRICS anschließen wollen.

Das ausgesprochene Ziel der BRICS ist es, ihre wirtschaftliche und politische Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren – und dazu wollen sie eine neue internationale Währung für Handels- und Finanztransaktionen aus der Taufe heben.

Es geht ihnen nicht um eine heimische Geldreform, sondern den US-Dollar-Imperialismus zurückzudrängen, am liebsten wohl den US-Dollar zu entthronen.

Der Grund ist offensichtlich. Die US-Administration setzt den Greenback als "geopolitische Waffe", zur "finanziellen Kriegsführung" ein: Sie verwehrt ihren Opponenten mitunter den Zugang zum US-Dollar-Kapitalmarkt, vor allem aber auch den Zugang zum internationalen Zahlungssystem.

Das Einfrieren der russischen Währungsreserven (immerhin handelt es sich hier um einen Gegenwert von aktuell fast 600 Mrd. US-Dollar) hat nunmehr in vielen nicht-westlichen Ländern die Alarmglocken schrillen lassen. Es hat in einer ganzen Reihe von nicht-westlichen Ländern bereits dazu geführt, die Währungsreserven umzuschichten: weniger US-Dollar zu halten, auf andere (kleinere) Währungen auszuweichen, vor allem aber verstärkt Gold zu kaufen.

Doch wie könnte es den BRCIS gelingen, sich vom US-Dollar loszuschwimmen? Zwar liegen noch keine Details vor, aber man kann an dieser Stelle durchaus einige Spekulationen anstellen, welchen Weg die BRICS beschreiten könnten.

Ein Weg ist, dass die BRICS eine neue Bank gründen (die "BRICS-Bank"), die bei Gründung durch Goldeinlagen der BRICS-Zentralbanken beziehungsweise BRICS-Staaten finanziert wird. Die physisch eingelagerten Goldbestände werden in der Bilanz der BRICS-Bank auf der Aktivseite ausgewiesen – und zwar in der Nominierung, sagen wir, "BRICS-Gold".

Dabei könnte zum Beispiel 1 BRICS Gold als 1 Gramm Feingold definiert werden. Die BRICS-Bank kann daraufhin Kredite gewähren in BRICS-Gold (etwa an Exporteure aus dem eigenen Länderkreis beziehungsweise an Güterimporteure aus dem Ausland). Dazu vereinbart die BRICS-Bank einen Kreditvertrag mit ihren Goldeinlegern, für eine gewisse Zeit (sagen wir drei Monate, ein oder zwei Jahre) gegen eine Zinszahlung ihre Goldeinlage an die BRICS-Bank zu verleihen.

Nachfolgend kann die BRICS-Bank auch weitere Goldeinlagen entgegennehmen von internationalen Investoren, die auf diesem Wege (verzinsliche) BRICS-Gold-Depositen beziehungsweise Goldforderungen gegenüber der BRICS-Bank halten können. Der Halter von BRICS-Gold in Form von Golddepositen kann idealerweise auf Wunsch sein Guthaben in physisches Gold eintauschen.

BRICS-Gold kann dann als internationales Geld beziehungsweise als internationale Recheneinheit in den weltweiten Handels- und Finanztransaktionen verwendet werden. Die neue de facto Gold-Recheneinheit müsste nicht einmal physisch ausgeprägt werden, sondern könnte eine rein buchhalterische Größe sein und bleiben.

Damit das Vorhaben funktioniert, müssten die Exporteure aus den BRICS-Staaten und aus den weiteren Mitgliedsländern bereit sein, ihre Güter gegen BRICS-Gold anstelle von US-Dollar & Co zu verkaufen; und die Importeure aus den westlichen Ländern müssten bereit und in der Lage sein, ihre Rechnungen in BRICS-Gold zu bezahlen.



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Quelle: Refinitiv, WGC; eigene Berechnungen. – Die Goldreserven der BRICS beliefen sich im ersten Quartal 2023 auf 5452,7 Tonnen (Marktwert derzeit etwa 350 Mrd. US-Dollar).


Um an BRICS-Gold zu gelangen, muss der Nachfrager nach BRICS-Gold sich entweder bei der BRICS-Bank einen BRICS-Gold-Kredit besorgen. Oder er muss physisches Gold im Markt kaufen und sodann in eine dafür vorgesehene Lagerstelle (bei der BRICS-Bank oder einer lizensierten Lagerstelle) einbringen, und die Gewichtseinheiten des eingelagerten Goldes werden ihm dann auf seinem Konto in entsprechenden BRICS-Gold-Depositen gutgeschrieben.

Bei Bezahlungsvorgängen werden beispielsweise die BRICS-Gold-Guthaben des Güterimporteurs (gehalten bei der BRICS-Bank) dem Konto des Güterexporteurs gutgeschrieben (ebenfalls gehalten bei der BRICS-Bank oder bei einer lizensierten Lagerstelle).

Die BRICS verfügten im ersten Quartal 2023 über insgesamt 5.452,7 Tonnen Gold mit einem Marktwert von derzeit etwa 350 Mrd. US-Dollar. Das damit verfügbare Finanzierungsvolumen dürfte ausreichen, um zunächst ausgewählte Rohstofftransaktionen abzuwickeln. Bei Zunahme der Goldbestände – etwa durch Aufbau von Handelsüberschüssen und/oder Goldeinlagen von internationalen Anlegern bei der BRICS-Bank – kann auch das Transaktionsvolumen nach und nach steigen, sich auf weitere Gütergruppen ausweiten.

Der Übergang, die Verwendung des Goldes (beziehungsweise des "BRICS-Goldes") als internationale Handels- und Transaktionswährung wären allerdings mit überaus weitreichenden Folgen verbunden:

(1.) Die Goldnachfrage würde vermutlich merklich (vielleicht sogar recht stark) ansteigen, und das würde den Goldpreis (gemessen in US-Dollar, Euro & Co, aber auch in den Währungen der BRICS) in die Höhe treiben.

(2.) Ein steigender Goldpreis wiederum würde die Kaufkraft der offiziellen Währungen US-Dollar, Euro & Co, aber auch in Rubel, Rupie und Renminbi gegenüber dem Gold abwerten. Die Güterpreise würden sich, gemessen in den offiziellen Währungen, sehr wahrscheinlich über kurz oder lang (sehr stark) verteuern.

(3.) Die BRICS würden – soweit sie Handelsüberschüsse ausweisen beziehungsweise künftig weiterhin erzielen – Goldreserven aufbauen. Sie wären vermutlich die Gewinner der "Währungsumstellung", die Länder mit einem Handelsbilanz-defizit (allen voran die USA) hätten das Nachsehen.

(4.) Alle Regierungen, einschließlich die der BRICS, würden gewaltig an Macht einbüßen, wenn sich BRICS-Gold durchsetzt. Die Frage stellt sich daher: Wird man in den Regierungszentralen der BRICS das akzeptieren wollen?

Diese wenigen Überlegungen zeigen bereits, wie schwergewichtig und komplex das Thema "Schaffung einer neuen mit Gold gedeckten internationalen Handelswährung" tatsächlich ist. Ein Voranschreiten der BRICS mit diesem Projekt könnte durchaus geradezu erdrutschartige Veränderungen in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzstruktur verursachen.

Das Thema verdient so gesehen Aufmerksamkeit von Seiten der (Edelmetall-)Investoren. Wie so häufig gilt aber auch hier: Der Teufel steckt im Detail. Was aus dem Vorhaben der BRICS letztlich wird, eine internationale Handelswährung zu lancieren, hängt ganz entscheidend von der inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Recheneinheit ab. Das nächste Treffen der BRICS vom 22. bis 24. August 2023 in Johannesburg kann mit Spannung erwartet werden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH