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Das Goldpreismanagement in Zeiten der Finanzrepression (Teil 3/3)

07.09.2017  |  Lars Schall

Teil Drei: "Shock & Awe" im Goldmarkt

Eine "vertrauliche Kooperation" unter Bankern


Preisschocks, das heißt: "überraschende, schnelle Kursrückgänge", sind eine bevorzugte Methode des Goldpreismanagements. "Sinn dieser Interventionsmethode ist es, Anleger und Interessenten abzuschrecken. Sie sollen dem Markt fernbleiben." (1) Man spreche von einer Übertragung der Shock & Awe-Praxis, welche im Irakkrieg Anfang 2003 Anwendung fand, auf das Terrain der Finanzmärkte.

Die "schockartigen Fallbewegungen", die beim Goldpreis auftreten, können im Sinne von "Ausmaß, Art und Dauer" jedoch "individuell recht unterschiedlich" ausfallen: "Manche Schocks ziehen sich über viele Minuten hin und betreffen einen größeren Rückgang, andere finden deutlich schneller statt, wobei die Kurse weniger stark fallen." (2) Solche Abwärtsschocks sind fernerhin "nur eine Interventionsmethode von mehreren". Andere wären "das Abfangen steigender Kurse" bzw. "Begrenzungen von Kursanstiegen im Innertagesverlauf“ und "das Zur-Verfügung-Stellen physischen Goldes durch Verkäufe und Verleihungen (insbesondere bis 2001)". (3)

Statistisch lässt sich darüber hinaus belegen, dass der Goldpreis vor allem dann fällt, wenn der Terminmarkthandel an der New Yorker Rohstoffbörse COMEX läuft. "Er tut dies dann meist auch schockartig. Dabei fällt er in kurzer Zeit, oft ohne jeden Anlass, um nennenswerte Beträge." (4) Die Wirkung, die vom Terminmarkt auf Gold ausgeht, wird zumeist unterschätzt. Tatsächlich lassen sich über den Terminmarkt jedoch "plötzliche und extrem schnelle Abwärtsbewegungen über massive Verkäufe" einleiten, und diese Einflussnahme vermag die Preisentwicklung dauerhaft zu beeinträchtigen, "ohne dass dazu physisches Material auf den Markt kommen muss. Damit aber werden die schockartigen Verkäufe am Terminmarkt eine dritte wichtige Säule der Interventionen am Goldmarkt, neben den Verkäufen und Verleihungen. Sie wirken ähnlich wie diese im physischen Markt.

Obwohl diese auffälligen Rückgänge seit Jahren bekannt sind und von Marktbeobachtern diskutiert werden, wird die Dauerhaftigkeit des Effekts oft unterschätzt, vor allem aber seine Bedeutung für den physischen Markt. Man braucht weniger physisches Gold, um den Preis zu beeinflussen. Umgekehrt bedeutet das aber, dass relativ wenig Gold aus Verleihungen ausreichend sein kann, um den Preis in dem Ausmaß zu beeinflussen, wie es geschehen ist. Es muss nicht die Hälfte des Zentralbankengoldes in den Markt gelangt sein, um die Entwicklung am Goldmarkt in den letzten Jahren erklären zu können." (5)

Leerverkäufe am Terminmarkt in großen Umfängen führen zu einem fallenden Preis des Golds. Das Gold wird theoretisch ausgeliehen (existiert aber praktisch nur auf dem Papier), und kommt anschließend zum Weiterverkauf. Das, was verkauft wird, befindet sich beim "Leerverkauf" also nicht im Besitz des Verkäufers. Theoretisch kann der Verkäufer bei einem gefallenen Preis das Gold im Markt kaufen und es dem Leihgeber zurückerstatten. Aus der Preisdifferenz zwischen dem vorherigen Verkauf und dem späteren Kauf ergibt sich dann der Gewinn.

Für eine Kursbeeinflussung bietet der Terminmarkt "die beste und günstigste Möglichkeit", insofern man dort "mit geringem Kapitaleinsatz, bruchteilig in Relation zum vollen Preis, große Positionen einzugehen" in der Lage ist. "Damit kann auch der finanzielle Aufwand deutlich reduziert werden." (6)

Im November 2015 bestand zwischen jeder Unze Gold, die im registrierten Inventar der COMEX als lieferbar geführt wurde, und jenen Unzen, die lediglich auf gehandeltem Papier existierten, ein Verhältnis von 1:298. (7) Mit anderen Worten, die COMEX erlaubte, dass über 290-mal so viel Gold auf dem Papier gehandelt wurde, als an wirklichem Gold an der Börse vorhanden war. Würden die Beteiligten auf physische Gold-Lieferungen bestehen, müsste die COMEX dicht machen.

Da es aber zumeist nur zu Barausgleichen kommt, wenn die gehandelten Papierverträge fällig werden, kann das Spiel problemlos weitergehen. Überdies ist es möglich, die Goldfuturekontrakte, die an der COMEX gehandelt werden, abseits der Börse zu begleichen. Dies bedeutet: steht tatsächlich die Auslieferung von physischem Gold an, muss dafür nicht das Gold herangezogen werden, das von der COMEX vorrätig gehalten wird, sondern es kann sich direkt um Gold überall auf der Welt handeln. (8)

Anfang 2016 legten die Forscher Jonathan Battena (Monash University, Australien), Brian Lucey (Trinity College Dublin, Irand) und Maurice Peat (University of Sydney, Australien) in ihrer wissenschaftlichen Arbeit Gold and Silver Manipulation: What Can Be Empirically Verified? nahe, dass die Wahrscheinlichkeit höher liegt, dass jemand an den Preisen für Gold und Silber manipulierend herumdoktert, wenn an den Terminmärkten der Fälligkeitstermin für Optionskontrakte ansteht, als dies an anderen Tagen der Fall ist. (9)

Gewöhnlich hängen akademische Historiker und Ökonomen der Neigung an, die Beeinflussung des Weltgeschehens durch Gruppen von Individuen, die zusammen auf vertraulicher Basis einen Plot entwickeln, abzustreiten und ins Reich der Fabeln zu verweisen, obwohl ein ganz offensichtlicher Weg, um Dinge, die einem wichtig sind, erledigt zu bekommen, darin besteht, mit seinen Freunden und/oder Verbündeten Pläne auszudenken und umzusetzen, währenddessen man seine Konkurrenten auf der anderen Seite so lange wie möglich darüber im Dunkeln tappen lässt. Man mag das vielleicht "Verschwörung" nennen; "vertrauliche Kooperation" trifft es eher.

Zentralbanken handeln beispielsweise nicht alleine im Goldmarkt, "sondern kooperieren mit privaten Instituten. Solche Kooperationen gibt es auch in anderen Bereichen, etwa bei der Übernahme angeschlagener Bankhäuser. Auch beim 2012 aufgedeckten Libor-Skandal, bei dem Privatbanken langjährig den Referenzzinskurs manipulierten, scheint mit der Bank of England eine Zentralbank involviert zu sein. Motive für solche Kooperationen gibt es viele, etwa das Delegieren von Tätigkeiten.

Außerdem können Kooperationen Aufwand und Zahl der unmittelbar involvierten Personen reduzieren, denn nicht jeder, der an einer Intervention mitwirkt, dürfte wissen, dass er sich an einer Intervention beteiligt. Viele dürften einfach ihre Arbeit im Gewinninteresse der Bank machen. Die involvierten Privatbanken agieren dabei nicht so nur als Agenten, sondern verfolgen aus Gewinnstreben dasselbe Ziel wie die Zentralbanken." (10)

Eine "Verschwörung" zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass sich mindestens zwei Personen vertraulich hinsichtlich einer bestimmten Angelegenheit zusammentun, um gemeinsam diesbezüglich tätig zu werden.

Anders erklärt: "Eine Verschwörung bezeichnet einen heimlichen Bund zur Durchführung eines Planes mit entweder egoistischer Zielsetzung zum Schaden Dritter oder mit dem Ziel, Missstände zu beseitigen. Diese Definition belegt, dass Mobbing in der Firma, dass Kartellabsprachen bei Siemens, dass die Irreführung der UN im Fall des Irak durch die USA oder auch ein Seitensprung eines Ehepartners alle diese Voraussetzungen erfüllen. Ergo ist die Verschwörung weitaus häufiger die Norm, als es diejenigen behaupten, die bei dem Begriff Verschwörungstheoretiker in verächtlicher Manier ein Schlagwort bemühen, um eine sachliche Debatte über harte Indizien im Keim zu ersticken. So etwas ist übrigens nicht mehr als gelebte Arroganz." (11)

Besondere Beachtung sollte auch der Definition des Begriffs "Verschwörung" gezollt werden, die Mark Twain zugeschrieben wird: "Eine Verschwörung ist nichts anderes als eine geheime Übereinkunft einer Reihe von Männern zur Verfolgung von Vorhaben, die sie sich in der Öffentlichkeit nicht zuzugeben trauen."

Wenn Zentralbanken, wie der BIZ-Ökonom White im Jahre 2005 nahelegte, zusammenarbeiten, und dies heimlich geschieht, vermag gesagt zu werden, dass sie sich im obigen Sinne "verschwören", um die Gold- und Devisenmärkten verdeckt zu beeinflussen, namentlich in eine Richtung, die ihnen beliebt. Den Begriff "Verschwörung" rationalisierend, ließe sich formulieren, dass sich der "Verschwörungs"-Prozess durch Konsensbildung und der anschließenden Ausführung des erzielten Konsens im jeweils vertraulichen Rahmen auszeichnet. In diesem Lichte betrachtet war es wohl eine "Verschwörung", als sich Mitglieder der Europäischen Zentralbank vertraulich trafen, um ihre Abmachungen zum Zentralbankengold abzuschließen und mehrfach zu erneuern. Ziel: durch koordinierte Goldtransaktionen zur Verhinderung von Marktturbulenzen beitragen. (12)

Das sogenannte Washington Agreement on Gold vermag durchaus als Absprache und Einrichtung zur Preiskontrolle betrachtet werden. (13) Und als sich das G-10-Gold- und Währungskommitee im April 1997 im Geheimen bei der BIZ in der Schweiz traf, um seine vertrauliche, mit der Öffentlichkeit nicht weiter kommunizierte Goldpolitik zu koordinieren, handelte es sich wohl auch um eine Art von "Verschwörung". (14)

Interventionen im Goldmarkt stehen nach wie vor auf der Agenda. Alexandre Gautier, der damals die Marktoperationen der Banque de France leitete, teilte auf einem Treffen der London Bullion Market Association (LBMA) im September 2013 mit, dass die französische Zentralbank "nahezu täglich" mit Gold Handel treibe und "aktiv im Goldmarkt für andere Zentralbanken und öffentliche Institutionen“ sei. (15) Im Januar 2015 wurde Gaultier gefragt, welchen Zweck der Goldhandel der Banque de France erfülle. Gaultier entgegnete, dass die französische Zentralbank ihre Operationen im Goldmarkt nie erkläre. (16)



Abermals auf einem Treffen der LBMA ließ Gautier im November 2014 durchblicken, dass die Zentralbanken ihre Goldreserven in letzter Zeit "aktiver" handhabten. Die Folien, die er präsentierte, deuteten darauf hin, dass dieses aktivere Management hauptsächlich über Goldswaps, ein Instrument für heimliche Marktinterventionen, erfolgt. In einer augenscheinlichen Bezugnahme auf die jüngsten Forderungen nach einer Goldrückführung in Deutschland und der Schweiz äußerte sich Gautier gegenüber seinen Zuhörern von der LBMA, dass das, was er als "Auditierbarkeit" bezeichnete, sich "derzeit zu einem kritischen Punkt" für Zentralbankgoldreserven entwickele. (17)

James G. Rickards, einen führenden Praktiker auf dem Gebiet der Kapitalmärkte und der nationalen Sicherheitspolitik der USA, befragte ich Ende 2010 zum verdeckten Goldpreismanagement. Rickards hat leitende Positionen u. a. bei Citibank, RBS Greenwich Capital Markets, OptiMark sowie Tangent Capital Partners bekleidet und war der Hauptverhandlungsführer der von der NY Fed unterstützten Rettung von Long Term Capital Management (LTCM) im Jahre 1998. Ferner trug er 2009 zur Organisation und Durchführung einer Finanzkrieg-Simulation des Pentagon bei, der ersten ihrer Art. (18)

Rickards erklärte mir in dem Interview, dass Zentralbanken von sich gerne behaupteten, sie unterhielten keinerlei Aktivitäten im Goldmarkt, und dass sie beliebten, die Rolle von Gold in internationalen Finanztransaktionen herunterzuspielen. (19)

James G. Rickards: Doch tatsächlich sind sie aktiv. Dafür haben wir unlängst Belege gefunden, und zwar im letzten Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der BIZ mit Sitz in Basel (Schweiz). Dort wurden in einer Fußnote zum Abschluss Goldrückkaufvereinbarungen, im Prinzip Golddarlehen, über wenigstens mehrere hundert Tonnen Gold ausgewiesen. (20) Wir wissen, dass die BIZ als Agent ihrer Mitglieder auftritt, darunter Deutschland und die Vereinigten Staaten.

Das heißt, es finden Zentralbank-Goldaktivitäten über die Einrichtungen und die Zwischenschaltung der BIZ statt. Das ist definitiv nachweisbar, aber wir wissen nicht, welche Länder dahinterstecken. Ob es die Vereinigten Staaten oder Deutschland sind, darüber habe ich keine Informationen. Aber sie haben die beiden größten Bestände und es erfolgen Zentralbankaktivitäten über die BIZ. Daher könnte man vermuten, dass die Vereinigten Staaten und Deutschland etwas damit zu tun haben, aber ich habe keine Beweise dafür. Wir haben nur indirekte Belege.


Lars Schall: Wie Sie schon festgestellt haben, sind Zentralbanken im Allgemeinen geheimnistuerisch. Warum trifft das insbesondere zu, wenn es um Gold geht?

James G. Rickards: Weil, wenn Sie versuchen, den Markt zu manipulieren, gilt: Je mehr Geheimhaltung, desto besser.

Lars Schall: Stimmt, und Sie glauben, dass sie den Markt manipulieren?

James G. Rickards: Ja, ich denke, das machen sie seit mindestens 60 Jahren. Die Zentralbanken betrachten es nicht als Manipulation, sie halten es für einen Teil ihrer Aufgabe oder Politik. Aber aus Marktsicht lässt es sich am besten als eine Form der Marktmanipulation betrachten.

Lars Schall: Wie würden Sie die Goldpolitik von China und Russland kommentieren?

James G. Rickards: Nun, ihre Politik ist sehr klar, sie müssen Gold kaufen. Betrachten Sie irgendeine Messgröße: das absolute Eigentum an Gold, Gold als Prozentsatz der Reserven, Gold in Prozent des BIP - wenn Sie eine beliebige Messgröße nehmen, bei der Gold mit der Wirtschaftsaktivität verglichen wird, sind Länder wie die Vereinigten Staaten und Deutschland sehr stark und Länder wie China und Russland sehr, sehr schwach. China ist auf dem Papier ein Tiger, aber bei Gold ein Zwerg. Ich schätze, dass Russland über 1.000 Tonnen und China über 3.000 Tonnen kaufen muss, um eine Goldparität mit den Vereinigten Staaten von Amerika herzustellen.

Angenommen, das Goldpreismanagement des Westens sorgt dafür, dass der Goldpreis nach unten beeinflusst wird, dann kaufen China und Russland das Gold, das sie nunmehr seit Jahren stetig erwerben, zum Diskontpreis. Wie beim Jiu-Jitsu wird die Energie, die der Widersacher aufwendet, gegen ihn gerichtet, um ihn zu Boden zu ringen. In China scheint man sich der Gold-Gegnerschaft westlicher Zentralbanken bewusst zu sein, wie ein Kommentar nahelegt, der im April 2013 im chinesischen Journal Global Finance veröffentlicht wurde.

In dem Kommentar, verfasst vom stellvertretenden Herausgeber Zhang Jie, der auch als Berater der China Gold Association fungiert, hieß es: "Wenn man Gold kontrollieren will, ist es eine Notwendigkeit, die Fähigkeit zu haben, es leerverkaufen zu können. Eine Zentralbank, die Gold direkt unterdrückt, würde als Marktmanipulator verdächtigt werden. Das Gold-Leasing durch die Zentralbank könnte dagegen unbemerkt stattfinden. Während einer Finanzkrise würde Gold sowohl mehr Geldkraft als auch Vertrauen haben. Die Staaten müssen das Vertrauen in ihre nationalen Währungen kontrollieren und deshalb den tatsächlichen Marktpreis von Gold drücken, der die Wechselkurse beeinflusst." (21)


Fragen der Währung

Unterdessen die Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen des "Global War on Terror" eine Orgie des Schuldenmachens zu Gunsten des Militärs, der Rüstungsfirmen und privater Großbanken feiern, ist China auf der geopolitischen Landkarte, wo mit ökonomischen Mitteln geschickt gekämpft werden kann, eher langfristig orientiert und sucht seine Triumphe im Stillen. Wozu auch die Entwicklung der im Westen viel zu wenig beachteten Shanghai Cooperation Organization (SCO) gehört.

Die Organisation besteht derzeit aus den Mitgliedsstaaten China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Indien, Pakistan sowie Staaten, die einen Beobachterstatus halten: Mongolei, Iran, Afghanistan und Weißrussland. Partner im Dialog sind u.a. die Türkei, Aserbaidschan, Turkmenistan und die Association of Southeast Asian Nations, ASEAN. "Das Ziel ist, die Zusammenarbeit in Politik, Handel und Wirtschaft zu fördern. Als interessante Randnotiz: die Region macht einen signifikanten Anteil an der weltweiten Goldproduktion aus." (22)

Die Mitgliedsstaaten der im Sommer 2001 gegründeten SCO neigen dazu, im Goldmarkt auf der Käuferseite zu stehen und die einheimische Goldproduktion zu großen Teilen im eigenen Lande zu behalten. Die chinesische Zentralbank ist seit Jahren ein überaus emsiger Käufer auf dem physischen Goldmarkt (etwa über den staatlichen Fonds namens SAFE) - und wird es auch bleiben. Zudem arbeitet China sehr eng mit Russland zusammen - ebenfalls ein großer Nettokäufer physischen Golds -, wenn es um Investitionen in gemeinsame Energieprojekte und den Aufbau begleitender Währungs-Swaps geht.

Beim gemeinsamen Handel verzichten China und Russland inzwischen zunehmend auf den Zahlungsverkehr via US-Dollar und vertrauen mehr und mehr auf ihre jeweils eigenen Währungen. Andere Länder tun es ihnen zunehmend gleich. Womit sich allmählich ein stetes Abrücken vom US-Dollar abzeichnet, den wohl auch die Exporteure von natürlichen Ressourcen insgesamt nachvollziehen dürften. In diesem Sinne fragte ich den oben erwähnten US-Finanzanalysten James G. Rickards: "Die spannendste Geschichte in der Zukunft ist für mich der Zeitpunkt, an dem die Länder des Nahen Ostens ihr Öl und Erdgas nicht mehr für Papiergeld verkaufen. Wann denken Sie, werden sie dafür mit Edelmetallen bezahlt werden?"

James G. Rickards: Nun, das ist alles Teil einer Entwicklung weg vom Dollar. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten. Ich denke, was passieren könnte ist, dass Gold als Preismechanismus verwendet werden wird. In anderen Worten, die Exporteure von natürlichen Ressourcen im Mittleren Osten und auch in Russland könnten beginnen, den Preis ihrer Waren in Einheiten von Gold festzusetzen, aber Dollar akzeptieren, doch das Problem ist natürlich, dass die Dollarmenge nicht behoben werden wird. Einfaches Beispiel: Öl ist derzeit, ich verwende abgerundete Zahlen, rund 100 $ pro Barrel und Gold ist rund 1500 $ pro Unze, es braucht also 15 Barrel Öl, um eine Unze Gold zu erwerben.

Übrigens, wenn man sich das Öl-zu-Gold-Verhältnis anschaut, so ist dieses über einen sehr langen Zeitraum sehr konstant gewesen. Selbstverständlich hat sich der Ölpreis zwischen 30 $ pro Barrel und 150 $ pro Barrel bewegt, und der Goldpreis hat sich zwischen 200 $ pro Unze und 1500 $ pro Unze bewegt, aber wenn man sich das Verhältnis ansieht, schwebt es immer rund um diese Ratio von 15 oder 16 zu 1 herum, und das sagt Ihnen etwas über den wirklichen inneren Wert von Rohstoffen.




Wie dem auch sei, man könnte eine Situation haben, wo jemand in Saudi-Arabien sagt: Von jetzt an wird ein Barrel Öl 1/15 von einer Unze Gold sein. Nun, wenn Sie mich in Dollar bezahlen möchten, ist das in Ordnung, aber Sie müssen die Dollar-Gold-Konvertierung vornehmen (um herauszufinden, wie viele Dollar Sie mir in einer Welt des zunehmenden Goldpreis schulden), das bedeutet, dass Sie mehr Dollar für ein Barrel Öl zahlen müssen. Selbst wenn sie also Dollar akzeptieren, kann man immer noch eine Welt haben, wo es in Gold als Preis festgelegt wird, aber Gold ist konvertierbar in Dollar und man kann mit Dollar zahlen, nur muss man dann sehr viel mehr zahlen.

Ich denke, dies ist eine von vielen Lösungen, die auf dem Tisch liegen. Eine andere sind natürlich die SDR (Special Drawing Rights, Sonderziehungsrechte). Der IWF versucht, den Einsatz der SDR als einen Währungskorb zu fördern. Aber nichts davon ist bislang machbar. Es erfordert einige Jahre des Studiums, es erfordert eine Konvertierung und einige Vorankündigungen für den Markt. Aber unter dem Strich ist der Punkt bei der ganzen Sache der: die Exporteure natürlicher Ressourcen und Waren im Nahen Osten, in Russland, China, Brasilien, sie alle haben tiefe, tiefe Unzufriedenheit mit dem derzeitigen internationalen Währungssystem und der Rolle des US-Dollar im Besonderen geäußert, also denke ich, werden Sie einige Abkehr davon in den kommenden Jahren sehen.
(23)

Sieben Jahrzehnte lang war der US-Dollar unumschränkter Herr im Hause, und einmal mehr ist der "Schlüssel für die Zukunft des Dollars … der Petrowährungsstatus - ob er für den Handel von Öl und anderen führenden Rohstoffen verwendet wird." (24) Im Währungsverkehr vollzieht sich ein Wandel: "Peking hat zahlreiche Abkommen mit Brasilien und Indien abgeschlossen, die den Dollar umgehen. China und Russland haben auch Rubel-Yuan-Swaps angeschoben, die Amerikas Währung aus dem Bilde verdrängen. Aber wenn Peking und Moskau - der weltweit größte Energieimporteur und der weltweit größte Energieproduzent - das Einpreisen in Dollar fallen lassen, könnte der Leitwährungsstatus Amerikas ins Wanken geraten." (25)

Einen deutlichen Schritt in ebendiese Richtung unternahmen China und Russland mit der Gashandelsübereinkunft, die im Mai 2014 stattfand. Welcher Anteil genau in Yuan-Rubel-Basis lautet, vermochte damals nicht gesagt zu werden. Eines dafür schon: "Diese Frage, scheinbar albern, gehört zu den wichtigsten diplomatischen Fragen unserer Zeit." Noch wird das Gros des Handels zwischen Russland und China "in Dollar abgewickelt. Aber die Kombination aus diesem neuen Gas-Deal und den westlichen Sanktionen gegen Russland" führt zu einer Intensivierung der Bemühungen, Abwicklungen zu erleichtern, die den Dollar außenvorlassen.

"Innerhalb ungefähr eines Jahrzehnts könnte ein 'Reserve-Währungskorb' entstehen, bei dem die Zentralbanken Vermögen in einer Mischung aus Dollar, Yuan, Rupie, Real und Rubel sowie Edelmetallen aufbewahren. Vielleicht wird eine Art von synthetischem Bündel der weltweit führenden Währungen entwickelt werden, wobei der Schwerpunkt nach Jahren des westlichen Geld-Druckens auf Vermögenswerten gelegt werden wird, die durch Rohstoffe und andere Sachwerte gedeckt sind." (26)

Einstweilen bleibt der US-Dollar die weltweite Reservewährung: nach Informationen des IWF waren über 30 Prozent aller Devisenbestände, die im Jahre 2013 auf dem Globus gehalten wurden, Geldscheine der US Federal Reserve (bzw. Schuldverschreibungen des US Treasury). Im Jahre 2000 waren es jedoch noch bis zu 55 Prozent. "Niemand weiß den Prozentsatz in Yuan …, aber der IWF stellt fest, dass Reserven in 'anderen Währungen' in den Schwellenländern seit 2003 um 400 Prozent zugenommen haben." (27)

Falls China möchte, ist es langfristig in der Lage, die Hegemonie des US-Dollar anzugreifen: "China hat die Macht, den Yuan zur alternativen Reservewährung im Welthandel zu machen, indem es einfach alle chinesischen Exporte in Yuan denominiert. Es kann diese Maßnahme als souveräner Staat in seinem Ermessen jederzeit einseitig umsetzen. Danach werden Importeure chinesischer Waren in aller Welt, die nun nicht mehr Yuan in Dollar tauschen müssen, fieberhaft versuchen, Yuan zu kaufen, da der Yuan, gestützt durch den Wert der chinesischen Exporte, universell im Handel akzeptiert wird. Die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), die beträchtliche Mengen chinesischer Güter importieren, würden den Yuan als Bezahlung für ihr Öl akzeptieren." (28)

Auf dem Weg dorthin ging Peking in den letzten Jahren eine Reihe von Handelsvereinbarungen mit anderen Staaten ein, die die Verwendung des Yuan vorsahen. Darüber hinaus kaufte der chinesische Staat mit seinen angehäuften Dollarbeständen erkleckliche Mengen an Goldreserven auf, um der eigenen Währung mehr Vertrauenswürdigkeit zu verleihen, und eröffnete einen physisch hinterlegten Goldbarren-Terminmarkt in Shanghai, der ebenfalls den Yuan verwendet.


Der Ferne Osten und das Gold: Let’s get physical!

Schon im Laufe des Jahres 2015 war deutlich geworden, dass China gewillt ist, Gold zu einem integrierten Part des Infrastrukturgürtels zu machen, der im Regierungszentrum Zhongnanhai in Peking als One Belt-One Road (OBOR) bezeichnet wird. Bei einer Rede, die im April 2015 in Dubai gehalten wurde, legte Albert Cheng, der Geschäftsführer des World Gold Council, die erklärte Absicht einer Zusammenarbeit unter den Gold-Produzenten und -Verbrauchern der OBOR-Staaten dar. Die Initiative werde von der chinesischen Zentralbank angeführt, die Shanghai Gold Exchange solle als Handelsplatz dienen und in den OBOR-Plan einbezogen werden. "Diesbezügliche Fachpläne und unterstützende Maßnahmen werden auch entwickelt werden, um die regionalen Entwicklungen in China auszugleichen und die Verbindung mit den Ländern entlang der Routen zu beschleunigen." (29)

Chinas größtes Goldminenunternehmen, die China National Gold Group Corporation (CNGGC), verkündete einen Monat später, es habe eine Vereinbarung mit dem russischen Goldminenunternehmen Polyus Gold abgeschlossen, um die Zusammenarbeit bei Goldexplorationsarbeiten zu intensivieren. Die Zusammenarbeit umfasst Mineralressourcenexploration, technischen Austausch und Materiallieferungen. Song Xin, Geschäftsführer bei CNGGC und Präsident der China Gold Association, sagte: "Chinas Belt&Road-Initiative bringt beispiellose Möglichkeiten für die Goldbranche hervor. Es gibt reichlich Platz für die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, und wir haben Vorteile bei Technik, Ausstattung, Cash und Talente." Song Yuqin, stellvertretender Geschäftsführer der Shanghai Gold Exchange, erklärte, er erwarte, dass Gold "ein wesentlicher Bestandteil der Geschäfte von *Belt&Road‘-Ländern* werde. (30)

Ebenfalls im Mai 2015 war zu vernehmen, dass China einen Fonds von 100 Milliarden Yuan startete, der von der Shanghai Gold Exchange angeführt wird. Viele Länder, die an Pekings OBOR-Plan beteiligt sind, kaufen über ihre Zentralbanken substanzielle Mengen Gold. Die Shanghai Gold Exchange wird das Gold für jene Mitglieder kaufen, die in den Fonds einzahlen - und das waren im Mai 2015 immerhin schon rund 60 Nationen. (31) Ein weiterer Fonds, der von China aufgelegt wurde, sollte laut Informationen vom Juni 2015 bis zu 16 Milliarden US-Dollar für Gold-bezogene Investments im Zuge der "Neuen Seidenstraße"-Initiative bereitstellen. In dem Fonds, so hieß es, würde der Goldproduzent Shandong Gold Group insgesamt 35 Prozent übernehmen, gefolgt von der Shaanxi Gold Group mit 25 Prozent. (32)

Im März 2016 stattete eine Finanzdelegation aus Kasachstan einen Besuch bei der Shanghai Gold Exchange ab, um Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen des OBOR-Projekts zu diskutieren, (33) während sich chinesische Goldminenbetreiber zugleich auf eine "aggressiven Suche nach Übersee-Akquisitionen" machten, wie sich das Wall Street Journal ausdrückte. Die "historisch niedrigen Goldpreise" böten die Gelegenheit, besonders günstig zuzuschlagen, da "mehrere Bergbauunternehmen vor einer Kreditkrise stehen und eine massive Verschuldung haben". Wenn das mit üppigen Devisenreserven ausgestattete China auf Einkaufstour gehe, könnte es einerseits "seine Abhängigkeit von anderen internationalen Produzenten für den Nachschub verringern" und anderseits "sein Gewicht in den globalen Goldmärkten steigern". (34)

Zugleich wurde im April 2016 begonnen, das Goldfixing an der Shanghai Gold Exchange in der chinesischen Währung Yuan vorzunehmen. Daran waren zunächst 18 Banken beteiligt, darunter Standard Chartered und ANZ sowie die vier größten chinesischen Staatbanken, namentlich die Bank of China, die Industrial and Commercial Bank of China, die China Construction Bank und die Agricultural Bank of China. Vom Goldfixing in Yuan werde keine unmittelbare Gefahr für die Preisfindungsdominanz in London und New York erwartet, hieß es; "aber es könnte Asien letztlich mehr Macht geben, besonders wenn die chinesische Währung vollständig konvertibel wird". (35)

Im gleichen Monat stellten Russland und China Überlegungen an, eine gemeinsame Goldhandelsplattform zu starten. Sergei Schwetsow teilte in seiner Funktion als erster stellvertretender Gouverneur der russischen Zentralbank mit: "Die BRICS-Länder sind große Volkswirtschaften mit großen Goldreserven und einem beeindruckenden Produktions- und Verbrauchsvolumen an diesem Edelmetall. In China wird der Goldhandel in Shanghai durchgeführt, in Russland ist es in Moskau. Unsere Idee ist es, eine Verbindung zwischen den beiden Städten zu schaffen, um den Handel zwischen den beiden Märkten zu erhöhen." (36)



Die OBOR-Initiative soll Handelsbarrieren beseitigen und freie Handelszonen schaffen, was chinesischen Goldminenunternehmen zusätzliche Möglichkeiten im Ausland geben wird: Angaben der China Gold Association zufolge weisen die OBOR-Länder insgesamt 42 Prozent aller Goldreserven der Welt auf (23.600 Tonnen) und bringen 36 Prozent der jährlichen Goldförderung hervor (1.150 Tonnen). "Sieben der weltweit 30 größten Goldminen befinden sich in den OBOR-Ländern. Im Rahmen des 12. Fünfjahresplans haben die chinesischen Goldkonzerne von 2011 bis 2015 rund 2,5 Milliarden US-Dollar in Übersee-Operationen investiert und mehr als 1.000 Tonnen Gold abgebaut. Diese Zahl wird größer werden, indem OBOR voranschreitet und mehr chinesische Goldminenfirmen im Ausland aktiv werden." (37)

Während China der größte Goldproduzent der Welt ist, steht Russland in dieser Rangliste auf dem dritten Platz. Zusammen produzieren beide Länder 25 Prozent der weltweiten Goldproduktion. (38) Allerdings gilt es der Tatsache Aufmerksamkeit zu schenken, dass das Gold, das in China und Russland produziert wird, nur in geringen Maßen, wenn überhaupt, auf dem internationalen Markt landet.

Im Frühjahr 2016 veröffentlichte der irische Goldmarktanalyst Ronan Manly ein Profil von 25 verschiedenen Goldmärkten der Welt, darunter London, New York, Shanghai, Indien, Hongkong, Japan, Malaysia, Thailand, Indonesien, Süd-Afrika, Deutschland, Italien, Frankreich, Saudi-Arabien, Dubai und die Türkei. (39) Kurz darauf fragte ich Manly in einem Interview, welcher der Märkte, die er untersuchte, künftig am interessantesten sein werde.

Ronan Manly: Ich denke, es gibt einige interessante Märkte. Aber derjenige, der mich am meisten fasziniert hat und von dem ich denke, dass er künftig sehr wichtig sein wird, ist der in Russland. Und das hat mehr damit zu tun, dass der russische Goldmarkt in den letzten Jahren von Käufen der russischen Zentralbank dominiert wurde. Ihre Schwestern-Organisation heißt Gokhran, sie ist der staatliche Fonds für Edelmetalle.

Ich hatte darüber nicht wirklich nachgedacht, bis ich das zu erforschen begann, doch im Augenblick wird die Mehrheit der Goldproduktion, die jedes Jahr aus Russland kommt, von der Zentralbank aufgekauft. Sie tun das aber über einen sehr cleveren Prozess, bei dem die Geschäftsbanken als Zwischenglied dienen. So finanzieren die Geschäftsbanken die Goldproduzenten, die das Metall abbauen, das dann an die Raffinerien geschickt wird, allerdings wird es von den Geschäftsbanken wie Sberbank, NOMOS, VTB und Gazprombank gekauft. Und dann verkaufen sie es entweder an die Gokhran oder an die Zentralbank.

Was man also beispielsweise sieht ist, dass die russische Zentralbank vor ungefähr sieben oder acht Jahren bloß 400 Tonnen Gold in ihren offiziellen Reserven hatte, und nun hat sie knapp über 1.400 Tonnen. Und ich denke, ein anderer Teil der Gleichung, den die Leute nicht begreifen, und es ist ziemlich undurchsichtig, ist die Tatsache, dass die Gokhran auch Gold kauft. Deswegen denke ich, dass manchmal, wenn die Zentralbankreserven aktualisiert werden, es Übertragungen von der Gokhran gibt, in der Weise, die wir vermuteten, dass die PBoC in China Metall von anderen chinesischen Staatsentitäten überträgt.

Von einer Angebotsperspektive betrachtet ist es auch interessant, denn wenn das russische Staatssystem eine Menge der russischen Goldproduktion verschlingt, bedeutet das, dass es weniger Gold fürs Weltangebot gibt. Darum denke ich, dass es wirklich wichtig sein wird, diesen fortgesetzten Trend zu beobachten, bei dem eine Menge der russischen Goldproduktion vom Staat übernommen wird. Und das wird definitiv Auswirkungen auf das weltweite Goldangebot haben, wenn die Nachfrage das Angebot weiterhin übertrifft.
(40)

Die von Manly angesprochene Gokhran, eine Abteilung des russischen Finanzministeriums, ist buchstäblich die staatliche Schatzkammer der Russischen Föderation, die 1996 etabliert wurde, um Edelmetalle, Edelsteine, Juwelen und Mineralien zu erwerben, zu verkaufen und zu lagern. Als solche ist die Gokhran auch verantwortlich für den Staatsfonds für Edelmetalle und Edelsteine Russlands.

In Anbetracht der Sanktionen, die der Russischen Föderation ob der Ukrainekrise auferlegt wurden, mochten die ziemlich konstanten Goldkäufe auffallen, die Russland in dieser Zeit tätigte. Bei Einschränkungen im internationalen Zahlungsverkehr dürfte Gold, über das man souverän, uneingeschränkt und physisch verfügt, nach wie vor die beste Währung darstellen, auf die Nationalstaaten zurückgreifen können. Im Mai 2015 war über den Zuwachs der russischen Goldbestände zu vernehmen, dass dieser bei der russischen Zentralbank explizit als Versicherung gegen "politische Risiken" angesehen wurde. (41)

Ende Oktober 2014, als er beim Council on Foreign Relations (CFR) auftrat, sagte der ehemalige Vorsitzende der U.S. Federal Reserve Alan Greenspan: "Gold ist eine Währung. Es ist immer noch, nachweislich, eine erstklassige Währung. Keine Fiat-Währung, einschließlich des Dollar, kann es mit ihr aufnehmen." (Wenn man die Videoaufnahme, die beim CFR entstand, mit dem dazugehörigen Transkript des CFR vergleicht, stellt man fest, dass diese Einschätzung von Greenspan aus irgendeinem Grund in der begleitenden Abschrift unberücksichtigt blieb.) (42)

Wenige Wochen später fand man den Sinn von Russlands Absichten und Greenspans Worten in der Tageszeitung Die Welt aus dem Hause Springer gespiegelt, als es dort hieß: "Während Amerika mit seiner Leitwährung die eigenen politischen Interessen durchsetzen kann und damit auch Sanktionen, gibt es beim Gold keinen derartigen Hegemon. Der Aufbau von Goldreserven ist damit auch eine Art Unabhängigkeitserklärung gegenüber Amerika." (43)

Besonders klipp und klar wird die Unabhängigkeit, die mit dem Besitz von Gold einhergeht, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) physisch vorhandenes Gold als das höchste Reserve-Asset von Zentralbanken einstuft, höher noch als seine eigenen Sonderziehungsrechte. Der IWF schreibt: "Der Goldbarren-Anteil des monetären Goldes ist der einzige Fall einer Finanzanlage ohne Ausfallrisiko." (44) Will heißen: Der Teil des monetären Goldes, der in Form von Goldbarren vorliegt, ist die einzige Finanzanlage ohne jedes Risiko, dass ein Vertragspartner seiner Verpflichtung eventuell nicht nachkommt.

Die chinesischen Eliten nutzten die Massenpädagogik der Kommunistischen Partei, um dem Volk - etwa über die staatlich kontrollierten Fernsehsender - in den letzten Jahren die Empfehlung auszusprechen, Gold zu kaufen - was zu einem Florieren der Goldnachfrage in China führte. Über die Gründe dieser Goldkaufempfehlung, die den Segen der KP-Führung genießt, mag man freilich spekulieren. So meinte etwa der World Gold Council im April 2014: "Die chinesische Führung betrachtet die privaten Goldbestände als Teil der nationalen Reserve, auf den sie im Notfall zugreifen kann." Auch hieß es: "Wie Südkorea während der asiatischen Finanzkrise die privaten Goldbestände mobilisieren konnte, hat die Chinesen beeindruckt." (45)

Im Sommer 2015 ließ Peking verlautbaren, dass seine Zentralbank nunmehr insgesamt knapp unter 1.700 Tonnen Gold besitzen würde. (46) Diese neue offiziell angegebene Goldposition, die erste ihrer Art seit 2009, blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück - und wurde in der Folge als Grund für den fallenden Goldkurs herangezogen. Wie das britische Magazin The Economist seinen Lesern erklärte: "Die große Hoffnung für Gold-Fans war, dass China, welches den Yuan zu einer Reservewährung zu machen beabsichtigt, seine Goldbestände auf das beträchtliche Niveau westlicher Zentralbanken in die Höhe treiben würde, um sie in internationalen Augen glaubwürdig zu machen. Aber das scheint nicht zu geschehen. China hat seine Reserven etwas angehoben. Doch sein Barrenhort ist noch immer kümmerlich, und als Anteil an seinen Gesamtreserven fallen Chinas Goldbestände." (47)

Dennoch wurde der Yuan einige Monate später vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte aufgenommen. Der Clou mit der Neuverteilung der Anteile und Proportionen an den IWF-Sonderziehungsrechten bestand freilich darin, dass hauptsächlich die EU die Chinesen zulasten ihrer Anteile aufgenommen hat. Der Yuan sollte ab dem 1. Oktober 2016 einen Anteil am Währungskorb von 10.92 Prozent bekommen. Der Anteil des US-Dollars fiel kaum, während der Euro runde 6 Prozent einbüßte (der japanische Yen verzeichnete ein Minus von 1%, das britische Pfund ein Minus von 3%). (48)

Gut möglich erschien, dass die Zentralbank PBoC mehr Gold hielt, als sie offiziell wissen ließ - wobei ihr entgegenkam, dass sie große Goldmengen kaufen konnte, die nicht auf dem Radar offizieller Handelsdokumente auftauchten. (49)

Zum Thema der chinesischen Goldkäufe unterhielt ich mich im Dezember 2015 mit dem US-Amerikaner Avery Goodman, einem Anwalt für Wertpapierrecht.

Lars Schall: Mr. Goodman, die chinesische Zentralbank kauft Mengen an Gold. Warum tut sie das, und warum erregt das Ihre Aufmerksamkeit? Ich meine, so etwas gerät normalerweise nicht in den Fokus eines Wertpapierrechtsanwalts, nicht wahr?

Avery Goodman: Nein, normalerweise nicht. Ich habe vor einiger Zeit angefangen, mich mit Gold zu beschäftigen, als ich den Verdacht zu hegen begann, dass die US-Regierung im Goldmarkt interveniert, und das wurde zu einem meiner Interessenschwerpunkte. Ich denke, dass mir meine Fähigkeiten als Forscher, die ich als Kapitalrechtsanwalt entwickelt habe, bei der Suche nach der Funktionsweise dieses Marktes und der Motivation der verschiedenen involvierten Parteien, einschließlich der USA und Chinas, sehr geholfen haben.



Was nun China betrifft, glaube ich, dass sie Mengen an Gold aus dem einfachen Grund kaufen, weil sie die Bedeutung von Gold als Reserve-Vermögenswert erkannt haben, genauso wie die Tatsache, dass die USA natürlich daran interessiert sind, den Dollar als die Reservewährung zu bewahren. Wenn sie jedoch den USA für alle Zeiten erlauben, dies zu tun, macht das ihre Pläne zunichte, eine der führenden politischen Mächte zu werden. Ich glaube nicht, dass China aufgrund seines politischen Systems die Fähigkeit besitzt, eine Währung zu schaffen, die weltweit so attraktiv ist wie der US-Dollar, und deshalb glaube ich, dass sie auf Gold als Möglichkeit gekommen sind, um die Dominanz der USA zu verringern. Gold ist die einzige Währung, die sich mit dem Dollar messen kann. Ich denke, die USA wissen das genauso wie China, und das ist schon einmal ein Vorteil.

Die USA verdienen auch eine Menge daran, dass der Dollar die Reservewährung der ganzen Welt ist, und das gefällt China überhaupt nicht. Vor allem nehmen sie Seigniorage-Einkünfte ein. Dies bedeutet, dass der Wert, der jedes Mal dann geschaffen wird, wenn ein Dollar hergestellt wird, weit höher ist als die Herstellungskosten für den Dollar. In den letzten Jahren haben die USA wahrscheinlich Kaufkraft im Wert von Hunderten Milliarden Dollar gewonnen, indem sie Dollars hergestellt und in der ganzen Welt verteilt haben, und dies ermöglicht es uns, politisch und militärisch viel stärker zu sein, als wir es sonst wären.

Die Chinesen wissen das. Wenn sie also zulassen, dass alles so bleibt, wie es ist, d.h. dollarzentriert, dann wissen sie auch, dass dies die Vereinigten Staaten stärkt. Deshalb bleibt ihnen als einzige Alternative, auf Gold zurückzugreifen, und ich glaube, dass sie genau das tun, und das ist die Motivation hinter ihrer Anhäufung von Goldreserven.


Lars Schall: Aber glauben Sie den offiziell von den Chinesen angegebenen Zahlen, die Goldreserven betreffend?

Avery Goodman: Nicht wirklich. Offen gestanden glaube ich nichts, was die chinesische Regierung sagt. Ich denke nicht, dass es irgendeinen Grund gibt, das zu glauben, was sie sagen. Es könnte eine Menge mehr sein, es könnten Zehntausende Tonnen Gold sein, es könnten aber auch vier oder fünf Tausend sein, oder es könnten so viele sein, wie sie behaupten. Es gibt keinerlei Grund, Ihnen zu glauben oder nicht zu glauben.

In der Vergangenheit hatten sie, was die Wahrheit betrifft, keine gute Bilanz vorzuweisen. Deshalb glaube ich, dass alles, was sie sagen, mit Vorsicht zu genießen ist. Es ist eine Tatsache, dass sie Gold kaufen. Das ist für jeden offenkundig, der im Geschäft tätig ist, der irgendetwas darüber weiß, was sie tun und wie viel sie kaufen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand das wissen wird, bis sie bereit sind, es der Welt zu sagen, und ich glaube nicht, dass sie schon so weit sind. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn sie der Welt sagen würden, was sie gekauft haben, sagen wir mal, dass sie statt der 1600 Tonnen Gold, die sie zugeben gekauft zu haben, sagen wir, dass sie sagten: "Wir haben 4500 Tonnen Gold", und dabei stehen sie kurz davor, in den IWF aufgenommen werden zu wollen.

Nun ist der IWF aber heutzutage im Grunde eine Anti-Gold-Organisation, seit die USA den Goldstandard aufgegeben haben, und so würde dies im Grund ein direkter Angriff auf die Struktur und Funktion des IWF darstellen, der von den Vereinigten Staaten und Westeuropa dominiert wird, und es würde die derzeitigen Mitglieder, hauptsächlich die Vereinigten Staaten und nachrangig die Westeuropäer, mit der Aussicht bedrohen, dass China viel stärker ist, als sie es gern hätten. Ich denke, sie hielten sich zurück, zum Teil weil sie wollten, dass der Yuan in die Liste der Reservewährungen des IMF aufgenommen wird, den Sonderziehungsrechten (Special Drwaing Rights, SDR).


Lars Schall: Gibt es verschiedene Methoden, die die Chinesen benützen können, um ihr Gold im Wesentlichen zu verbergen?

Avery Goodman: Ich denke, es ist ziemlich einfach, das Gold zu verstecken. Sie haben in ihrer Regierung jede Menge Unterabteilungen. Zunächst einmal brauchen sie schlicht nicht die Wahrheit sagen, und niemand wird wissen, wie viel Gold sie haben, denn niemand geht in ihren Keller, um es zu zählen.

Lars Schall: Es hat keine offizielle Buchprüfung gegeben, richtig?

Avery Goodman: Ich glaube nicht, dass es jemals eine offizielle Prüfung des chinesischen Goldes gegeben hat.

Lars Schall: Ja.

Avery Goodman: Es hat auch seit den 50er Jahren keine offizielle Prüfung des amerikanischen Goldes gegeben. Wir wissen auch nicht, wie viel da vorhanden ist, und ich glaube nicht, dass es jemals zuvor eine Prüfung des chinesischen Goldes gegeben hat.

Lars Schall: Der Yuan wurde kürzlich zu den Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds zugelassen. Was halten Sie davon?

Avery Goodman: Ja, das stimmt. Ich glaube, dass sie sehr daran interessiert waren, in diese Organisation hineinzukommen, weil es Teil ihres Spiels um Macht ist. Dies alles ist eine Sache von Machtpolitik, und Gold im Kontext von nationalen Reserven ist Teil nationaler Politik. Damit ist dies nur ein weiterer Aspekt ihres Versuchs, in der Welt an Macht hinzuzugewinnen. Wenn sie Sonderziehungsrechte bekommen, ist das ein Zuwachs an Prestige. Dann haben sie mehr Mitsprache bei der Arbeit des Internationalen Währungsfonds, und ich glaube, das ist das, was sie wollen.

Ich denke, es ist klar, dass sie das wollen. Ich glaube nicht, dass sie ehrlich und realistisch der Ansicht sind, dass die Sonderziehungsrechte die Reservewährung der Welt werden. Ich denke, dass niemand das zu diesem Zeitpunkt glauben sollte, insbesondere im Hinblick darauf, was gerade mit dem Euro geschieht, weil das dann lediglich ein Super-Euro sein wird, und es wird dasselbe Ergebnis eintreten, wenn sie das tun.


Lars Schall: Ist es für Sie von Bedeutung, dass die Europäer einige Prozentpunkte bei den Sonderziehungsrechten eingebüßt haben, wohingegen die USA lediglich einen sehr geringen Prozentsatz verloren?

Avery Goodman: Nun, ich denke, dass diese Entscheidung etwas war, worüber wir nie wissen werden, warum diese Dinge genau passieren, die Wahrheit dahinter. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es wirklich wichtig ist, außer in punkto Prestige. Ich denke, es bedeutet viel für die Chinesen, dass sie das Gefühl haben, angekommen zu sein und Teil des Systems zu sein, während es den Europäern vermutlich nicht besonders viel ausmacht, weil sie wissen, dass diese Sonderziehungsrechte von einem praktischen Standpunkt aus betrachtet nicht wirklich wichtig sind. (…)

Was die Chinesen wirklich wollen, ist, die Rohstoffpreise in Yuan festzusetzen, und ich glaube, sie werden ihre Dominanz, ihre mögliche Dominanz am Goldmarkt dafür nutzen, den Wert ihrer Währung im Verhältnis zum US Dollar zu bestimmen - mit der Behauptung, dies am freien Markt zu tun. Wenn sie zum Beispiel den Goldmarkt kontrollieren und der Handel mit Rohstoffen genauso in Yuan wie in Dollars bewertet wird, dann können sie durch Gold den Wert des Yuan im Vergleich zum Dollar beliebig neu festsetzen, ohne tatsächlich einen festen Kurs anzugeben. Ich denke, dass ist letztlich ihr Ziel.


Lars Schall: Könnten Sie diesen Mechanismus bitte näher erläutern?

Avery Goodman: Nun, wenn sie den Goldmarkt kontrollieren und wenn der Wert von Gold zum Beispiel sowohl in Dollar als auch Yuan festgesetzt wird - und wenn es ein dem internationalen Handel zugänglicher Markt ist, was die Börse in Shanghai noch nicht ganz ist, aber gemäß ihren Plänen in nicht allzu ferner Zukunft sein wird -, dann wird der Goldpreis im Verhältnis zum Yuan angeblich durch die Kräfte des freien Marktes festgesetzt. Der Dollarpreis basiert auch angeblich auf den Kräften des freien Marktes. Wenn die Chinesen also die Macht haben, die Preise am Goldmarkt festzusetzen und sie dann über ihre Staatsbanken beschließen, den Wert des Yuan in Relation zum Gold zu ändern, dann ändert sich augenblicklich auch der Wert des Yuan in Relation zum Dollar. Ich denke, das ist es letztlich, was sie wirklich wollen. (50)

Einen erheblichen Kapitalfluss in Richtung chinesischer Zentralbank und eine Stärkung der heimischen Währung konnte Peking durch die Aufnahme des Yuan in die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds im Oktober 2016 erwarten. Im Vorfeld stieß Peking daher in einigem Umfang US-Staatsanleihen ab. So wurde Tu Yonghong, die Direktorin des International Monetary Institute der Renmin University of China, mit den Worten zitiert: "Mehr als ein Viertel des grenzüberschreitenden Handels Chinas wird mit dem Renminbi abgewickelt, und nachdem der Yuan offiziell in die SDR aufgenommen wurde, werden mehr Länder und Regionen den Yuan als Abrechnungswährung im Handel mit China akzeptieren Deshalb müssen wir die riesige Menge an Währungsreserven allmählich senken."

Außerdem sagte sie: "Nach der offiziellen Einbeziehung des Yuan können einige Zentralbanken ihr Yuan-Portfolio erhöhen, um ihre Devisenreserven zu diversifizieren", und von daher sei es "notwendig, dass das Land einige Vorbereitungen trifft oder strukturelle Anpassungen seiner Devisenreserven vornimmt." (51) Im Zusammenhang mit der Aufnahme des Yuan in den Sonderziehungsrechte-Währungskorb des IWF gaben "zahlreiche Finanzinstitute (…) Schätzungen über die globalen Reserven" ab, "die zu chinesischen Vermögenswerten wechseln werden, nachdem der Yuan eine Reservewährung geworden ist". Morgan Stanley erwartete beispielsweise "globale Zuflüsse von bis zu 2 Billionen Dollar über 10 Jahre, wobei die meisten von Zentralbanken kommen". (52)



Zudem werden die außenwirtschaftlichen Initiativen, die Peking mit dem Seidenstraßen-Projekt anstieß, "wirkungsvoll die auf Autonomie gerichtete Währungs- und Finanzpolitik Chinas" fördern können. "Aus chinesischer Perspektive ist der investive Einsatz der eigenen Dollarvorräte in ausländischen Infrastrukturprojekten ein politisch und ökonomisch sinnvolleres Devisenrecycling als die Anlage in amerikanischen Schatzanleihen. Zugleich befördern die geplanten Infrastrukturinvestitionen unmittelbar die Verwendung der chinesischen Landeswährung Renminbi (RMB) als Zahlungsmittel im internationalen Handels- und Leistungsverkehr." (53)

Eine weitere Förderung des Gebrauchs der chinesischen Währung zeichnete sich im Sommer 2017 ab. Nachdem bereits seit dem April 2016 in Yuan gehandelte, mit physischem Gold hinterlegte Termin-Kontrakte an der Goldbörse in Shanghai angeboten wurden, zog die Börse in Hongkong im Juli 2017 nach: der von Hong Kong Exchanges & Clearing Ltd (HKEX) organisierte Gold-Futures-Handel findet in Yuan und US-Dollar statt. Die eingegangenen Verträge müssen nicht unbedingt in bar beglichen werden, sondern sehen auch die Lieferung von physischem Gold vor. (54)

Im Sommer 2017 arbeitete die Shanghai International Energy Exchange darüber hinaus an einem Erdöl-Terminkontrakt, von dem Nikkei Asian Review berichtete, er habe das Potential, sich zur Preis-Benchmark für Asien zu entwickeln. Der Kontrakt sollte in Yuan gehandelt und in Gold konvertibel sein. Dieser "Schritt wird Exporteuren wie Russland und dem Iran erlauben, US-Sanktionen durch den Handel in Yuan zu umgehen", hieß es. "Um den Handel weiter anzulocken, sagt China, dass der Yuan an den Börsen in Shanghai und Hongkong vollumfänglich in Gold umtauschbar sein wird. 'Die Regeln des globalen Öl-Spiels könnten sich enorm ändern", kommentierte Luke Gromen, Gründer der US-Analystenfirma FFTT. (55)

Ein in Yuan gehandelter Goldkontrakt birgt für Erdölexporteure den Vorteil, dass sie ihr Öl in Yuan verkaufen können, um den möglichen Währungsüberschuss anschließend in Gold umzutauschen. Auf diese Weise brauchen die Exporteure weder chinesische Vermögenswerte zu kaufen, noch müssen sie den US-Dollar benutzen. Den Erdölproduzenten signalisierte China zudem, dass sie mehr Geschäftsmöglichkeiten insgesamt eingeräumt bekommen werden, wenn sie ihr Öl in Yuan verkaufen. Sollten sie den Verkauf in Yuan ausschlagen, stand im Gegenzug ein Verlust von Marktanteilen zu erwarten. (56)


Ein Albtraum?

In einem Interview, das Anfang 2015 entstand, sprach ich die US-Ökonomin Philippa Malmgren, die sowohl Mitglied im Chatham House als auch im Council on Foreign Relations ist, auf die enger werdenden Verbindungen zwischen Russland und China an. Ich fragte: "Ist dies eine Art Albtraum für die Leute beim Chatham House und beim Council on Foreign Relations, mit denen Sie sprechen?"

Philippa Malmgren: Nun ja, es ist eine Art Albtraum. Es handelt sich um ein kompliziertes Thema, das ich gern erklären würde.

Ein Teil dessen, was passiert, ist, dass Russland und China sagen: "Okay, ihr US-Amerikaner, Europäer, Briten und Japaner, ihr versucht seit einiger Zeit, euch eurer Schulden zu entledigen, indem ihr Inflation erzeugt - und während das vielleicht nicht so erfolgreich für euch lief, habt ihr Bedingungen geschaffen, wodurch die Inflation in die Weltwirtschaft und in andere Teile der Welt zurückgekehrt ist. Und daher ist dies ein feindlicher Akt, denn er destabilisiert unsere Bevölkerungen, bringt uns soziale Spannungen ein, und deshalb haben wir das Recht, nach Vermögenswerten zu greifen, von denen wir glauben, dass sie uns gehören."

Also werden die Chinesen zum Beispiel aggressiver im Südchinesischen Meer, weil sich dort 10% des weltweiten Fischvorkommens befinden - das ist wichtig in einer Welt, wo Eiweißpreise Rekordhöhen erreichen; außerdem gibt es dort Öl und Gas. Für die Russen ist es ähnlich. Sie sagen: "Nun, in einer Welt, in der ihr den Preis von Sachwerten in die Höhe treibt, ist der Wert der Ukraine gestiegen". Die Ukraine ist der viertgrößte Nahrungsproduzent der Welt, und wenn sich die Frage stellt, wer den größten Einfluss über sie hat, die NATO und Westeuropa, die EU oder Russland, dann wird Russland sagen: "Wir würden diesen Vermögenswert gern in unserer Tasche behalten, in unserer Ecke".

Und so glaube ich, dass wirtschaftliche Triebkräfte hier sehr stark sind, aber es handelt sich dabei um ein sehr unkonventionelles Argument. Die Sichtweise in der industrialisierten Welt - die Sicht des Chatham House, des Council on Foreign Relations - ist durchaus verschieden. Deren Sicht ist: Russland ist klein, relativ unbedeutend und sie sind bankrott, es wird viel Wind gemacht und wir müssen uns nicht besonders darum kümmern. Und die Ereignisse in der Ukraine sind spezifisch, örtlich begrenzt und isoliert vom Rest der Welt; es ist kein Teil einer größeren Gesamtstrategie. Dagegen glaube ich sehr wohl, dass es dies ist, und dass wir Russlands Aktivitäten in der Arktis, entlang der gesamten Grenze Westeuropas, bis hinunter ans Mittelmeer und zum Schwarzen Meer genau beobachten sollten. Es geht nicht nur um die Ukraine.

Man glaubt zwar, es handele sich um eine wichtige Entwicklung, aber nicht unbedingt um eine bedrohliche. Zum Beispiel arbeiten Russland und China gemeinsam daran, die Rolle des US-Dollar zu verringern und den Gebrauch von Renminbi und Rubel zu fördern, besonders in aufstrebenden Märkten. Die Amerikaner sind sich dieses Themas nicht einmal richtig bewusst, da sie so USzentriert sind, sie registrieren nicht einmal richtig, dass irgendjemand etwas anderes als einen Dollar gebrauchen will; aber was Russland und China anbetrifft, so sind diese in gewisser Weise ungläubig und erstaunt, weil die USA mehr ausgeben als sie einnehmen, und diejenigen, welche die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen - welche wir das Leistungsbilanzdefizit nennen - schlossen, das waren Russland und China.

Wenn diese also aufhören, US-Schuldverschreibungen zu kaufen und in US-Dollar zu handeln, wird dies möglicherweise eine große Wirkung haben; aber es ist seltsam, dass die US-Seite das nicht registriert. Alles in allem verschlechtert sich der Dialog zwischen den USA, Russland und China. Jeder kann diese Verschlechterung spüren. Aber sie alle streiten darüber, was die Gründe dafür sind, und deshalb auch darüber, was die Lösungen sind.


Lars Schall: Was glauben Sie ist der Grund dafür, dass China und Russland in großen Mengen Gold kaufen, und warum findet das keine größere Aufmerksamkeit im Mainstream der westlichen Finanzpresse?

Philippa Malmgren: Ich halte das für eine sehr interessante Geschichte. Dies führt uns zurück auf die Strategie der Quantitativen Lockerung in den USA und im Westen, die dazu erdacht wurde, mehr Inflation zu erzeugen. Deren Sicht ist also: Es gibt eine lange Geschichte der Vereinigten Staaten, in der sie Inflation als ein Mittel genutzt haben, ihre Schulden nicht zu begleichen; so haben die Amerikaner die Amerikanische Revolution bezahlt, so haben die Amerikaner den Bürgerkrieg bezahlt, so haben sie den Vietnamkrieg bezahlt und das Great-Society-Programm. Und so haben wir es mit einem Schuldenproblem zu tun, das mindestens so schlimm, wenn nicht schlimmer, ist, als diese vorherigen Schuldenlasten, und es kommt daher nicht überraschend, dass die USA in Richtung Inflation als Ausweg tendieren.

Und daher ist die Sichtweise in Russland und China: Wir sollten besser Sachwerte besitzen. Ich würde noch weiter gehen und sagen, dass für die Chinesen folgende Sichtweise gilt: Sie würden gern als mit der einen festen Währung dastehen in einer Welt, in der jeder andere seine Währung entwertet, und deswegen erlauben Goldkäufe es ihnen zu sagen: "Seht ihr? Wir haben mehr Sachwerte hinter unserer Währung stehen als die Jungs in den USA." Für Russland, so glaube ich, sind die Goldkäufe nicht so sehr eine Kernstrategie wie für die Chinesen - es geht dabei mehr um die allgemeinen Schwierigkeiten des Dollar, und die politischen Spuren, welche mithilfe des US-Dollars gezogen werden.

Aber beide zusammen stellen sich auf den Standpunkt, dass die internationale ökonomische Nachkriegsordnung, welche eine US-Schöpfung mit dem US-Dollar in deren Herzen war, nicht mehr allen Mitgliedern gleich gut dient, und dass es daher vielleicht an der Zeit sei, eine neue Architektur für die internationale ökonomische Weltordnung zu schaffen, und diese sollte auf einer neuen Währung basieren, einer mehr goldbasierten Währung, und weniger auf den USA. Und das ist, von der Philosophie her, eine sehr wichtige Entwicklung in der Weltwirtschaft, und wir sollten alle darüber nachdenken, inwieweit dies brauchbar und praktikabel sein kann oder nicht. (57)


Der Westen sollte womöglich auch verstärkt über die Tatsache nachdenken, dass das physisch vorhandene, nicht bloß auf dem Papier existierende Gold in erklecklichem Maße gen Asien wandert. In den letzten Jahren werden für den Verkauf in den asiatischen Märkten große Barren von 400 Unzen, die aus westlichen Beständen kommen, in kleinere 1 Kilo schwere Barren umgeschmolzen. Auf diese Weise fanden 2013 "rund 2000 Tonnen Gold" den Weg nach Asien, 2014 waren es "zwischen 1060 und 1275 Tonnen Gold", und 2015 belief sich die Summe "zwischen 1136 und 1353 Tonnen Gold." Das heißt: im Zeitraum der Jahre 2013 bis 2015 verließen den Westen "ungefähr 4200 - 4600 Tonnen Gold" in Richtung Fernost. (58)

Ein Teil dieses Goldes wird höchstwahrscheinlich von westlichen Zentralbanken stammen, weswegen man sich nicht wundere, so sich deren Bestände zukünftig als kleiner entpuppen, als es die heutigen Bilanzen weismachen möchten.

Den ersten Teil dieses Artikels können Sie hier und den zweiten Teil hier lesen.


© Lars Schall



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