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Ben Graham und das verfluchte Gold

24.02.2012  |  Presse
Wenn dem gelben Metall in Mainstream-Investorenkreisen überhaupt einmal Aufmerksamkeit geschenkt wird, dann nur, um es sofort zu beschimpfen. Einer der schärfsten Gold-Kritiker, Über-Investor Warren Buffet, erwies dieser Tradition in seinem jüngsten Brief an die Aktionäre wieder einmal alle Ehre. Die Anschuldigungen waren keine neuen: Gold sei ein lebloses und „in jeder Hinsicht unproduktives“ Objekt, jeder Investor, der Gold anstelle von Aktien hält, handle aus irrationaler Angst.

Wie kommt es, dass Buffet - der vielleicht erfolgreichste (und auf jeden Fall bekannteste) Investor unserer Zeit - glaubt, Gold habe keinen Platz in einem intelligent aufgeteilten Portfolio?

Vielleicht hat es etwas mit seinem Mentor, Benjamin Graham, zu tun.

Graham, Autor von Security Analysis (1934) und The Intelligent Investor (1949), wird zu Recht als einer der sachkundigsten Investoren aller Zeiten respektiert. In seiner Schaffenszeit (1915-1956) entwickelte er seine Investment-Theorien ständig weiter und wurde beizeiten als der Vater des "Value-Investing“ bekannt. Die moderne Portfoliotheorie stützt sich zu großen Teilen auf Grahams Arbeit.

Obwohl keiner die Zukunft vorhersagen könne, so gibt es laut Graham jedoch Zeiträume, in denen die Bewertung von Aktien und Anleihen von der fairen Bewertung abweiche - entweder ins übermäßig Überbewertete oder ins übermäßig Unterbewertete. Anleger, so rät Graham, sollten ihre Portfolioallokation zu Zwecken der Gewinnsteigerung und Risikominimierung dann entsprechend ändern. Ein kurzer Blick auf einen langfristigen Chart stützt Grahams Theorie. Im Chart erkennt man ganz deutlich Perioden, in denen die eine Anlageklasse mehr Wert zu bieten hatte als die andere.

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Aber gibt es nicht auch Perioden, in denen Aktien und Anleihen gemeinsam sinken? Über weite Teile der 1970er hinweg und erneut von 2001 bis heute trat jedes Portfolio, das ausschließlich aus Aktien und Anleihen bestand, bestenfalls auf der Stelle - im schlimmsten Fall ging es im Meer der Stagflation auf Tauchstation. Um echte Gewinne zu machen, hätte ein Anleger nach Alternativen suchen müssen.

Wie der folgende Chart zeigt, war Gold genau die passende Alternative: Eine kraftvolle Investition, die sich antizyklisch verhält, wenn Aktien und Anleihen überbewertet sind. Dennoch fehlt Gold ganz offensichtlich in Grahams Allokationsmodell.

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Doch das Fehlen dieser Anlageklasse ist vollkommen verständlich: Als Erwachsener und während seiner wichtigsten Schaffensjahre lebte Graham in einer Welt, in der der Besitz von Gold, abgesehen von sehr geringen Mengen, verboten war. Der private Besitz von Gold wurde 1933 von Franklin D. Roosevelt verboten und erst gegen Ende 1974 wieder legalisiert - also lebte Graham nie einer Zeit, in der Gold zweifelsohne eine bessere Vermögensanlage war als etwa Aktien oder Anleihen.

Damit drängt sich auch folgende Frage auf: Hätte Graham die beiden großen Bullenmärkte der Edelmetalle der letzten 40 Jahre miterleben können, würde er dann seine Allokationsmodelle durch die Aufnahme von Gold erweitert und aktualisiert haben?

Wir werden es nie erfahren.

Da Graham aber übergroßen Einfluss auf die Investment-Theorie hatte, kann kaum Zweifel daran bestehen, dass seine mangelnde Erfahrung mit Gold (das demnach auch bei seinen Beobachtungen keine Rolle spielte) tiefgreifende Auswirkungen darauf hatte, wie professionelle Investoren das gelbe Metall wahrnehmen. Unserer Ansicht nach erklärt dieser Umstand zu großen Teilen, warum Gold von Mainstream-Investorenkreisen ständig gering geschätzt wird. Was schließlich auch dazu führte, dass es sehr häufig nicht einmal als Anlageklasse betrachtet wird.

Was könnte man also daraus lernen? Erstens: Sie brauchen sich jetzt nicht mehr wundern, warum Ihr Broker, die Größen der Finanzmedien und Warren Buffett nach wie vor nicht verstehen können, dass Gold in ein Portfolio gehört. Noch wichtiger: Wer anhaltenden, langfristigen Erfolg als Investor haben will, der muss einsehen, dass intelligente Portfolio-Allokation nicht zwei, sondern DREI allgemeine Anlagekategorien kennen muss: Aktien, Anleihen und Gold. Die jeweilige Mengenverteilung folgt dabei dem relativen Bewertungsansatz.

Investoren, die diesen Grundsatz verstehen, haben einen fast schon unfairen Vorteil gegenüber anderen Investoren, weil sie sich beim Gold positionieren können, bevor die Masse anrückt. Sie können den größten Teil der Kursreise in Ruhe genießen, während andere Investoren sich nicht zu helfen wissen.

Wenn Sie also wieder Kommentare hören, in denen Gold als barbarisches Relikt bezeichnet wird, wenn gejammert wird, Gold könne man nicht essen, oder wenn einfach nur selbstgefällig behauptet wird, Gold sei völlig unproduktiv, dann können Sie sich ganz zufrieden zurücklehnen - im Wissen, dass all jene mit einen schweren Handicap in ihren Portfolios zu kämpfen haben. Wir werden unterdessen erfolgreich sein, gewappnet mit der Einsicht, dass Gold eine sehr wichtige und spezielle Funktion im Portfolio erfüllt: Gold ist nämlich das echte Geld, das Kapital in Zeiten exzessiver Staatsverschuldung und Währungsentwertung, wie wir sie gerade erleben, beschützt.

In Anbetracht des gewaltigen Einflusses, den Ben Grahams auf seine Schüler hatte, wird sein "Gold-Fluch” aber nicht still und heimlich verschwinden. Sollte er aber.


David Galland ist Hauptgeschäftsführer von Casey Research. Casey Research bietet über seinen Abo-Service einem globalen Netzwerk von 180.000 eigenständigen Investoren und Kapitalanlegern unabhängige Investmentanalysen. Schon Ende der 1990er Jahre erkannte Casey Research den beginnenden Gold-Bullenmarkt und gründete daraufhin eine eigene Metals&Mining-Abteilung, die sich inzwischen zum führenden Anbieter von praktikablen Informationen im Bereich Gold- und Bergbauressourcen ausgewachsen hat. Interessierte Investoren können den Newsletter BIG GOLD (90 Tage frei, ohne Verpflichtung) abonnieren.


© David Galland
www.caseyresearch.com

Dieser Artikel erschien am 21.Februar 2012 in John Mauldins "Outside the Box“ und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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