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Detlev S. Schlichter: Keynesianischer Wahnsinn: Zentralbanken im Krieg gegen Preisstabilität und Sparer

02.06.2014
- Seite 2 -
Ich lasse die Frage noch einen Moment offen, was genau die Zentralbanker eher “alarmieren“ müsste - die genannten Entwicklungen oder aber jene “sehr niedrige Inflation“. Mr. Carney und seine Kollegen zeigten sich von den Entwicklungen letzte Woche zumindest nicht alarmiert, sie ließen den Leitzins unbekümmert in den tiefsten Tiefen, und soweit ich weiß, bezeichnete auch niemand die Bank of England als “dumm“.

Ms. Pettifor scheinen sie in keinster Weise zu alarmieren. Sie möchte, dass die Bank of England die Zinsen niedrig hält, und zwar um all jenen verschuldeten Briten zu helfen - und möglicherweisen auch allen weiteren Briten, die sich noch verschulden werden.

Ms. Pettifor hat eine höchst politisierte Sicht auf Geld und Geldpolitik. Für sie stellt sich alles wie eine Art großer Klassenkampf dar - ein Kampf zwischen der Klasse der Sparer/ Gläubiger auf der einen Seite und der Klasse der Ausgebenden/ Schuldner auf der anderen. Sie fühlt sich dabei eher der letzteren verpflichtet. Marktbeobachter, die Zinssatzerhöhungen fordern, sind dann "gewisse Interessen" - sprich: geizige Sparer und gierige Gläubiger. Dass diese Politik die Wirtschaft auf den Weg in eine neue Krise führen könnte, scheint sie nicht zu stören.

Im Sinne Pettifors meinte Martin Wolf jüngst in einem Beitrag der Financial Time ganz platt, dass “risikomeidende Sparer" in der Weltwirtschaft keine nützliche Funktion mehr hätten, wobei er zustimmend John Maynard Keynes mit dessen Aufruf zum “sanften Tod des Rentiers“ (euthanasia of the rentier) zitiert.

“Genuine Verzichtsentschädigung ist der Zins heute nicht.“, schrieb Keynes in der damaligen Zeit, wohl irrtümlicherweise. Frage doch jemand die Briten, ob, anstatt das Geld im Hier und Jetzt auszugeben, eher das Sparen für schlechte Zeiten einen genuinen Verzicht darstelle. Dank der “stimulierenden Geldpolitik“ bekommen die heutigen Rentiers ja nicht einmal mehr Zinsen für ihren Verzicht.

Und jetzt wird auch noch das Ende der Preisstabilität gefordert - also eine Kombination aus höheren Inflationsraten und Nullzins. Sparer zu sein, ist heutzutage nicht mehr ganz so lustig; und ich bezweifle auch, dass diese Politik auf lange Sicht irgendjemand Freude bereiten wird.


Der sanfte Tod des japanischen Rentiers

Wie der "langsame Tod des Sparers" aussehen könnte, könnten wir unter Umständen am Beispiel Japan beobachten. Das Land ist ein idealer Testfall für diese Politik, da es über eine rasch alternde Bevölkerung verfügt, die lebensbegleitend Ersparnisse angelegt hat und im Alter auf diese zurückgreifen wird.

Mit der neuen “Abenomics”-Politik soll die Wirtschaft unter anderem durch monetäre Entwertung gekräftigt werden. “Ich glaube fest an die Ziele von Abenomics, was die Erreichung starken nominalen Wachstums angeht“, so Asset Allocation Director bei Fidelity Worldwide Investment letzte Woche in der Financial Times (15. Mai 2014, Seite 14). “Japan befindet sich seit mehr als 20 Jahren in einer Schuldendeflation“.

Wirklich? Als Mr. Abe im März 2013 seinen Favoriten für den Chefposten in der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda, ins Amt brachte, und Abenomics damit erst richtig begann, stand der japanische Verbraucherpreisindex bei 99,4 Punkten. 20 Jahre zuvor, im März 1994 lag er bei 99,9 und 10 Jahre zuvor, im März 2004, bei 100,5 Punkten.

Über einen Zeitraum von 20 Jahren ist der japanische Verbraucherpreisindex um 0,5% gesunken. Natürlich gab es zwischendurch auch Perioden mit sinkenden oder steigenden Preisen, man braucht aber schon ein Mikroskop, um langfristig auf größere Veränderungen im japanischen Warenkorb zu stoßen. Ganz realistisch betrachtet, hat der japanische Konsument in den letzten 20 Jahren nicht unter Deflation zu leiden gehabt, er ist viel eher in den Genuss annähernder Preisstabilität gekommen.

”Das Hauptproblem der japanischen Wirtschaft ist nicht Deflation, sondern Demographie.”, so Masaaki Shirakawa anlässlich einer Ansprache am Dartmouth College vor zwei Wochen (wie das Wall Street Journal Europe am 15.Mai berichtete). Mr. Shirakawa ist der ehemalige Chef der Bank of Japan, den Mr. Abe 2013 kurzerhand seines Amtes enthoben hatte; man könnte ihm also Voreingenommenheit unterstellen.

Trotz alledem ergeben seine Argumente meiner Meinung nach Sinn. “Mr. Shirakawa”, so berichtet das Journal, “spricht von 'einer sehr milden Deflation' [die ich wiederum Preisstabilität nenne; David Schlichter], die Japan auch dabei half, die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten.” Die offizielle Arbeitslosenquote Japans liegt bei rührenden 3,60%. Vielleicht ist es den Japanern gar nicht so schlecht mit ihrer Preisstabilität gegangen.

Wie dem auch sei, nach einem Jahr Abenomics stellt sich heraus, dass im Land nicht nur höhere Inflationsraten einrissen. Dazu ein weiteres Zitat von Mr. Greetham (Fidelity Worldwide Investment): “Die Lage ist nicht mehr so übersichtlich und konstant wie früher […]. Die Anhebung der Mehrwertsteuer hat die ‘tatsächliche' Inflationsrate [headline inflation] im April auf 2,9% gedrückt - ein 22-Jahre-Hoch. Für viele ältere Verbraucher, die von festen Einkünften und Erträgen abhängig sind, bedeutet das eine Reduzierung der Kaufkraft und eine Verschlechterung des Lebensstandards.”




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