Was geschieht derzeit am Silbermarkt?
11.06.2004 | Dr. Dietmar Siebholz
Markt oder Manipulation?
Zur Einstimmung auf dieses Thema sollte die Korrektur des Themas eines meines früheren Reporte in "Ist das wirklich ein fairer Markt für Silber?" vorgenommen werden. Er ist es nicht.
Hierzu vorab die Auffassung eines liberalen Puristen: Ein Markt ist der Ort, an dem nach fairen Regeln der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage stattfindet. Mit meinem Essay will ich versuchen, Hinweise darauf zu geben, was das, was man als den Silbermarkt bezeichnet, nämlich die Haupthandelsstätte, die COMEX in New York in wesentlichen darstellt. Da die anderen Börsen, an denen Silber gehandelt wird, nur geringere Anteile am Weltbörsenumsatz an Silber aufweisen, können wir uns mit unseren Untersuchungen an der COMEX ausrichten.
Zum Grundverständnis einige Hinweise über den Silbermarkt im allgemeinen:
1. Der physische Markt umfasste im Jahre 2002 (die neuesten Werte für 2003 werden Mitte Mai 2004 veröffentlicht) insgesamt ca. 880 Millionen Unzen (also ca. 27.370 to). 2. Die Weltjahresproduktion lag etwa bei ca. 580 Mio. Unzen 3. Durch Silberrecycling insbesondere aus der Fotoindustrie und dem Einschmelzen von Schmuck und Tischsilber sowie Münzen entstand Silber von ca. 210 Mio. Unzen 4. Die Restmenge kam aus staatlichen Vorräten (hier: China) 5. In der westlichen Welt wurden aus den Filmen ca. 65 % des enthaltenen Silbers recycelt. 6. Die ursprünglich mit ca. 3,0 Mrd. Unzen von der US-Regierung aufgrund der Gesetzgebung nach 1933 angesammelten Bestände wurden bis zum Jahre 2003 vollends in den Markt gebracht; die US-Lager sind geräumt.
Ferner ist wichtig, zu wissen, dass die offiziellen Umsätze an den Terminbörsen in London und New York täglich durchschnittlich etwa 30.000 Kontrakte (á 5.000 Unzen pro Kontrakt) ausmachen; Tendenz steigend. Aufs Jahr hochgerechnet, liegt somit der Terminbörsenumsatz von Silber bei etwa 40 Mrd. Unzen, entspricht also in etwa dem Fünfundvierzigfachen des Umsatzes an physischem Silber pro Jahr.
Bei sorgfältigem Studium dieser Werte müssten sofort drei Dinge auffallen, und zwar die Tatsachen:
a. Die Terminmärkte sind wesentlich größer als die Märkte für physisches Silber b. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist in außerordentlichem Ungleichgewicht; ein Ausgleich findet nur über Lagerräumung und Ersatz aus Schrott statt. c. Der Silbermarkt hatte jahrzehntelang unter den Abgaben der US-Regierung gelitten, nachdem die USA keine Silbermünzen mehr als Kurantmünzen prägten und damit Silber seine Aufgabe als Geld verlor. Die Auflösung einer derartig großen staatlichen Lagerhaltung hat die Märkte mehr als 20 Jahre lang geprägt. d. Nach meiner Auffassung haben sich durch die jahrelangen Liquidationen aus US-Beständen Überzeugungen ins System eingeschlichen, man könne durch Short-Positionen, durch Hedgen - insbesondere durch marktfremde Institutionen eine langfristige Ertragsgarantie erschließen. Ähnlich wie beim Goldhedging sind hier Erwartungshaltungen entstanden, die erst wieder mühsam vom Markt bereinigt werden müssen.
Wer sind diese Marktteilnehmer?
Früher standen sich vor allem in der COMEX die Silberverarbeiter als Käufer, die Silberproduzenten als Verkäufer, die Investment-Banken als Hedger und die Kleinanleger (= Investmentanleger-Spekulanten) gegenüber. Inzwischen sind aufgrund der Länge des Preisabwärtstrends zusätzliche Spekulanten auf beiden Seiten des Marktes aufgetreten, die Kleinanleger, die von einem baldigen Ende des Baissetrends ausgehen und die Hedgefonds, die auf die schnelle Mark aus sind. Durch die restriktiven Richtlinien, die sich Hedgefonds wegen ihrer Risikohebel geben müssen, sind diese in den letzten Jahren immer wieder zu den Opfer der Commercials geworden, weil es diesen immer wieder gelungen war, erst die Hedgefonds in Longpositionen beim Silber emotional hereinzuführen, um dann durch große Abgaben am Terminmarkt die Stoploss-Schwellen auszulösen, mit der Folge des Ausstiegs der Hedgefonds mit großen Verlusten. Diese Entwicklung hat sich in der zweiten Aprilhälfte 2004 wiederholt und bestätigte im Prinzip die Überzeugung der Investment-Banken und deren Partner ("Commercial"), dass sie den Markt unter Kontrolle hätten.
Warum funktioniert dieses sich stets wiederholende Spiel?
Erstens ist festzustellen, dass der Silbermarkt ein sehr geringes Volumen ausweist, z.B. gegenüber dem Gold (nur physisch):
Dazu gelten nicht die gleichen Spielregeln für alle Parteien; obwohl als Anstandsregel (Usance) definiert ist, dass Vorausverkäufe der Produzenten nur bis zur Höhe einer eigenen Jahresproduktion zugelassen sein sollten, und die Vorausverkäufe (= Leerverkäufe) nur von Produzenten vorgenommen werden sollten, gibt es eine Gruppe von Investmentbanken einschließlich des größten Sachversicherers in den USA (AIG), die von Ihren Gegnern intern als "Gruppe der Sieben" oder "Wolfsrudel" bezeichnet werden. Diese Gruppe arbeitet koordiniert, d.h. stimmt seine Aktionen zur Erhaltung ihrer Vorteile aus den Vorwärtsverkäufen stets miteinander ab. Allein dieses Verhalten entspricht nicht den Bedingungen eines freien Marktes.
In den letzten 18 Monaten haben sich aber konträre Gruppen z.B. um die Berater Theodore Butler, David Morgan und nicht zuletzt unter Mitwirkung der GATA (Interessenverbund von Goldanlegern in den USA) gebildet, die durch Käufe physischen Materials versuchen, die Marktzwänge beim Silber als Sprengsatz für die Mitglieder des "Wolfsrudels" werden zu lassen.
Gerade die Zusammenfassung der vielen Kleinanleger unter der o.g. Gruppe war, neben dem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage im physischen Markt, maßgeblich am steilen Anstieg des Silberpreises von 4,80 US$ auf 8,40 US$ verantwortlich. Die Mitglieder des "Wolfsrudels" konnten durch eine koordinierte Aktien vor Ablauf des Mai-Future-Termins die Hedgefonds und viele Kleinspekulanten der o.g. Gruppe um Ted Butler ausschütteln. Die Gruppe wächst aber aufgrund der Basis-Aufklärungsarbeit übe die tatsächliche Marktlage und wird eines Tages die Machtstruktur der Mitglieder des "Wolfsrudels" zerstören.
Nachdem aber die außerordentliche Marktversorgung aus den Lagerbeständen der USA und teilweise auch Chinas nicht mehr erfolgt, andererseits die o.g. Gruppe um Ted Butler u.a. Immer mehr zu Anlagekäufen schreitet, werden sich die Zwänge aus dem physischen Markt ergeben.
Dennoch sind die ungleich verteilten Möglichkeiten an der COMEX nicht zu übersehen: Die Commercials zahlen für ihre Terminverkäufe wesentlich geringere Einschüsse pro Kontrakt, sie können im bestimmten Fällen nicht zur Lieferung von physischem Silber an "Großkäufer" gezwungen werden. Nach der Definition der COMEX sind Großkäufer solche, die mehr als 10 Kontrakte halten.
Was auch nicht übersehen werden sollte, haben die Unterstützer in der Verwaltung der COMEX noch die Möglichkeiten, die Einschüsse pro Kontrakt bei entsprechender Überhitzung (Frage: Wer definiert Überhitzung?) beliebig zu erhöhen. Da die meisten Kleinspekulanten relativ große Mengen an Kontrakte übernehmen, weil die Einschüsse sehr gering sind, führt eine Verdoppelung der Einschüsse zu Verkaufszwängen bei diesen Kleinanlegern. Die COMEX hat im Zusammenhang mit den starken Preissteigerungen im ersten Quartal 2004 die Einschüsse zweimal erhöht, wohl offensichtlich um den Druck auf die Kleinanleger zu erhöhen und die Short-Positionen der Commercials zu entlasten.
Die von mir oben genannte Gruppe um Ted Butler hat nunmehr den Generalstaatsanwalt von New York, Elliot Spitzer, aufgefordert, Maßnahmen gegen die Verantwortlichen der COMEX und deren Kontrollbehörden zu ergreifen, um den andauernden Betrug gegen die Kleinanleger zu unterbinden. Elliot Spitzer hat sich in der Vergangenheit stark in der Vertretung von Kleinanlegern engagiert, insbesondere gegen Investmentfonds und Broker-Banken. Die Gruppe hofft, dass die Angst vor dem Engagement des Elliot Spitzer die Commercials zu fairerem Marktverhalten veranlassen wird. Immerhin wird nachweislich gegen bestehende Börsenregeln verstoßen.
Vorkommen von Metallen auf der Erde
Unterstellt, dass die Förderkosten für die diversen Metalle in den unterschiedlichen Abbauformen etwa gleich sind, dann müsste sich ein ausgewogener Preis für die verschiedenen Metalle aus der Häufigkeit des Metalls und der Nachfrage nach dem Metall ergeben. Nach den mir zugänglichen geologischen Ermittlungen hält sich der Anteil der Metalle in der Erdkruste, also in abbaubaren Tiefen in etwa folgenden Relationen:
Nachfrage am Silbermarkt
Unabhängig vom Terminmarkt sind die Grundlagen des physischen Marktes wohl wesentlich für die Langfristbetrachtung; denn trotz des Riesenvolumens des Terminmarktes dürfte wohl die Angebots- und Nachfragesituation am physischen Markt den wahren Trend vorgeben. Wie sieht nun der Markt aus, und welche Chancen sind aus neuen Anwendungen zu sehen?
- Fotoindustrie/Filme: 300.000.000 Unzen (Zahlen aus 2002)
- Elektro/Elektronikindustrie: 350.000.000 Unzen
- Schmuck Investments und sonst.: 230.000.000 Unzen
---------------------------------------------------------------------------------
- Gesamtverbrauch: 880.000 000 Unzen
Davon werden aus der Schrottverarbeitung und der Auflösung von Silber-Investments geschätzt 210 Mio. Unzen, weitere ca. 60 Mio. Unzen aus der Auflösung von Staatsbeständen (in 2002: China) und weitere 40 Mio. Unzen aus Vorausverkäufen von Minengesellschaften des Markt zugeführt. Diese letztere Position wird durch Verleihen von Silberbeständen ermöglicht.
Die Nachfrage schwankt konjunkturabhängig um ca. 5%; in 2002 ging sie bedingt durch den Rückgang des industriellen Verbrauchs von ca. 930 Mio. auf 880 Mio. Unzen zurück. Silber ist derzeit ein reines Schmuck- und Industriemetall; als Wertaufbewahrungsmittel wird es seit Jahren nicht mehr angesehen.
Silber als Anlagemittel
Durch die Eliminierung von Silber als Münzmetall hat sich in den letzten 10 Jahren die Funktion des Silbers als Wertaufbewahrungsmittel nahezu vollständig verflüchtigt; alle "Spezialisten" haben schon lange den Tod des Metalls Silber als Anlagegut bekannt gegeben. Meine Auffassung weicht hiervon ab: Die kommende Inflationswelle wird den Wert der Edelmetalle, insbesondere des Silbers als das "Gold des kleinen Mannes" erheblich in den Mittelpunkt rücken. Die kommende Investment-Nachfrage drängt dann aber auf leere Märkte, ja sogar Märkte, bei denen fast eine ganze Jahresproduktion leerverkauft ist. Die Short-Positionen der Investment-Banken belaufen sich nämlich zur Zeit auf ca. 85.000 Kontrakte mithin auf ca. 425 Mio Unzen oder 73 % einer Jahresproduktion.
Bei der Bewertung der derzeitigen Angebots- und Nachfrage-Situation und die zukünftige Preisentwicklung ist aber dieser mögliche Trend in keiner Weise einbezogen worden.
Erschließung von Vorräten und Explorationsinvestitionen
Nach seinem Höhenflug Anfang der 80-er Jahre hat sich der Silberpreis auf das Band von 4 bis zu 7 US$ eingependelt; in der gleichen Zeit hat sich die Kaufkraft des US$ um 58% reduziert; die Kosten für die Silberproduktion haben sich durch Einsetzen neuer Technologien um ca. 23% erhöht.
Seit Mitte der 90-er Jahre wurden bei den meisten Minengesellschaften die Investitionen in die Exploration wenn nicht eingestellt, so aber wesentlich gekürzt. Angesichts weiter steigernder industrieller Anwendungen wird sich in den Folgejahren eine große Lücke ergeben, weil sowohl die staatlichen Reserven geleert sind, als auch die Neuproduktion wegen der geringen Explorationstätigkeiten aus den späten 90-er Jahren laufend zurückgeht Viele Minengesellschaften haben erklärt, dass sie die Erschließung von explorierten Erzbeständen erst nach Erreichen eines Mindestpreises von 7 bis 8 US$ vornehmen werden. Da die Produktionsaufnahme einer Mine heute mindestens 2 bis 3 Jahre, bei Neuexplorationen mehr als 6 Jahre dauert, wird der Markt diese Perioden mangelnden Angebots ohne größere Preiszugeständnisse kaum durchstehen..
Konjunkturabhängige Produktion von Silber
Der Silbermarkt wird ferner beherrscht von der Tatsache, dass der Silberabbau in der Regel (nämlich zu mehr als 70 %) als Abfallprodukt anderer Metalle wie Gold, Zink, Kupfer, Blei und Zink erfolgt. Vom jährlichen Verbrauch von ca. 880 Mio Unzen wird etwa die Hälfte als Abfallprodukt erzeugt; wenn also bei konjunktureller Abkühlung die sonstige Bunt-/Basismetall-Produktion konjunkturbedingt zurückgeht, dann vermindert sich automatisch die Silberproduktion. Da Silber andererseits preisunelastisch ist, d.h. Preiserhöhungen führen nicht zur Verbrauchsminderung (Silber wird als strategisches Metall in vielen Kleinstportionen in der Mikroelektronik, in der Elektroindustrie und der Medizintechnik benötigt und es kann nicht ersetzt werden) engen neue Anwendungen und Produktionsrückgänge schon aus dieser Abhängigkeit von den anderen Basismetallen den Markt gefährlich ein.
Hedging durch die Minenunternehmen
In den vergangenen 10 Jahren haben die großen Silberhersteller ihre Produktionen von Silber (als Abfallprodukt) wegen des Preisverfalls der Basismetalle durch Vorwärtsverkäufe abgesichert, nur von den wenigsten Produzenten weiß man (anders als beim Gold) nichts über deren Hedge-Engagements. Lediglich der Goldproduzent BARRICK GOLD hat anlässlich des Revirements in der Vorstandschaft in 2003 bekannt gegeben, dass sie ca. 40 Mio. Unzen vorausverkauft hätten und diese Positionen bereinigt werden sollen. Die Dunkelziffer liegt hier sehr hoch, vor allem, was die mexikanischen und australischen Minen angeht. Es ist aber zu erwarten, dass eine erhebliche Menge an Silber von diesen Gesellschaften vorausverkauft ist und damit eine wesentliche Nachfrage am Silbermarkt zusätzlich auftreten wird. Das gleiche Phänomen konnte am Goldmarkt festgestellt werden, wo allein in den letzten drei Jahren die Nachfrage der Minen aus dem Rückkauf des gehedgten Goldes zur Erhöhung des Goldpreises geführt hatte.
Neue Anwendungen von Silber und Folgen der digitalen Fotografie
Die Marktverspannungen sind seit Jahren gewachsen, nicht zuletzt durch neue Einsatzbereiche für Silber; gleichzeitig wird von der verarbeitenden Industrie darauf verwiesen, dass bei Silberpreissteigerungen nach Ersatzstoffen geforscht wird und durch die digitale Fotografie eine erhebliche Reduktion des Silberverbrauchs eintreten wird.
Mit diesem Essay sollte auch der Versuch gemacht werden, die grundlegenden Fakten zu eruieren und somit eine Marktbeurteilung für die folgenden Jahre zu ermöglichen.
Dazu die grundsätzliche Feststellung, dass Silber in der Elektrotechnik, der Elektronik und in der Medizintechnik nur in kleinsten Mengen pro Einheit benötigt wird, Silber aber bei diesen Anwendungen wegen der Einmaligkeit seiner Qualifikationen nicht ersetzbar ist:
Silber ist der beste Leiter für die Übertragung elektrischer Energie, Silber hat den höchsten Wärmeleitwert, es ist für die Spiegelherstellung unersetzlich und in der Heilmedizin kann auf die bakteriologischen Vorteile z.B. bei der Heilung von Verbrennungen und bei der Keimfreimachung von Wasser usw. nicht verzichtet werden.
Welche zukunftsweisenden Anwendungen können noch zur Nachfragerhöhung auf dem Silbermarkt führen? Es sind folgende Bereiche, die sich schon in der Erprobung und in ersten Anwendungen befinden:
Supraleitung
Silberverstärkte Stromleitungen können bis zum 140-fachen herkömmlicher Kupferkabel elektrische Energie über weite Strecken transportieren; nach den Pannen in Kanada und den USA werden sichere und leistungsfähige Alternativen überprüft. Für die Herstellung von Supra-Leitungen wurden im Jahre 2003 die ersten 3 Mio. Unzen verbraucht, allerdings vorerst für Teststrecken; geschätzter Verbrauch in ca. 5 Jahren: Bis zu 80 Mio. Unzen.
Holzkonservierung
Die auch bei uns praktizierte Konservierung (antibakterielle Behandlung von Bauholz) mit chrom- und arsenhaltigen Mitteln ist nachgewiesenermaßen schädlich für Menschen und die Umwelt; in den USA werden diese Einlassmittel ab 2005 verboten; eines der alternativen Konservierungsmittel ist eine mit Silberionen bestückte Einlassflüssigkeit, die ohne Schadstoffe für Menschen und Umwelt ist; allein der Markt in den USA wird mit etwa 75 Mio. Unzen pro Jahr ab dem Jahre 2007 geschätzt.
Bekämpfung von Bakterien und Viren
Dass Silber Bakterien abtötet, ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt; aber schon die Phönizier haben in ihre Amphoren Silberstücke gelegt, um ihr Trinkwasser bakterienfrei zu halten. Heute wird Silber in Wundverbänden, bei der Keimfreimachung in Kliniken und für Heilverbände bei Brandwunden verwendet. In der letzten Woche wurde in Peking bekannt gegeben, dass chinesische Wissenschaftler es geschafft haben, SARS-Viren innerhalb von 24 Stunden durch Silberlösungen abzutöten. Das Silber wird dabei in kolloidaler Form eingesetzt. Das wäre - sofern es im Großversuch noch bestätigt werden kann - eine Sensation, denn bislang war die Eigenschaft von Silber als Bakterientöter bekannt; Viren konnten bislang nicht durch herkömmliche Materialien bekämpft werden. Jetzt scheint sich eine Lösung anzudeuten:
Virenbekämpfung auf herkömmliche Art ohne die Gefahr einer Mutation der zu bekämpfenden Viren, die sich gegenüber anderen Mitteln schon inzwischen als resistent erweisen. Der Einsatz von Silber würde eine Revolution in der Pharmaindustrie bedeuten, vor allem deshalb, weil das Zulassungsverfahren für diese Mittel wesentlich kürzer und billiger wäre als die aktuelle Zulassung von sonstigen Medikamenten.
Langfristige Datenspeicherung
US-Sicherheits-Untersuchungen haben ergeben, dass Großcomputeranlagen mit gezielten und konzentrierten Magnetwellen im Datenbestand auch aus der Entfernung zerstört werden können. (Für den Hausversuch empfiehlt es sich, seinen Bank- und Kreditkartenbestand an einem Magneten vorbeizuführen: Die Daten werden dann alle gelöscht!) Das führt zu einer neuen Aufgabenstellung, durch die eine langfristige Speicherung von Daten außerhalb von Computern sichergestellt werden muss. Die Lösung weist ein deutsches Unternehmen aus Jena nach; sie entwickelten zusammen mit der Filmindustrie (CIBA und FUJI) hochwertige Filme, die mit hohem Silbergehalt für die Langfristspeicherung von farbigen Mikrofiches die Speicherung von Landkarten, Krankenhaus-Dateien, Laborberichten, Bibliotheken usw. nicht mehr in digitaler Form, sondern auf Mikrofiches mit einer garantierten Lebensdauer von mindesten 100 Jahren sicherstellen (müssen). Von dem in den speziell für diese Technologie entwickelten Filmen wird ein wesentlicher Anteil des darin enthaltenen Silbers für die Langzeit-Haltbarkeit benötigt; ein Recycling nach der Erstellung der Mikrofiches führt zu keinem hohen Recyclingsrückfluß des für die Herstellung dieser Filme benötigten Silbers. Die ersten Auf-träge für die Jenaer Firma aus dem Umfeld der Jenoptik wurden im übrigen durch deutsche und US-amerikanische Behörden erteilt.
Hintergrund: Die Archivierung sensibler Daten auf farbigen Mikrofiches erspart erhebliche Computerinvestitionen, die permanente Angleichung der gespeicherten Dateien auf aktuelle Software und die in 5-Jahres-Abständen erforderliche Neuaufbereitung der im Computer gespeicherter Daten. Die in Sicherheitsbehältern gelagerten Mikrofiches sind unzerstörbar, billiger und durch Angriffe auf Computeranlagen nicht beeinflussbar. Man schätzt den Silberverbrauch für diese neuen Speicherungen auf anfänglich ca. 40 Mio Unzen ab dem Jahre 2006.
Folgen der digitalen Fotografie
Die US-Fotoindustrie, die im übrigen wegen des seit Jahren rückläufigen Silberpreises keine Lagerhaltung mehr betreibt, informiert seit geraumer Zeit die Öffentlichkeit darüber, dass die Ausbreitung der digitalen Fotografie zu einer wesentlichen Reduzierung des Silberverbrauches führen soll. Diese Darstellungen sind unvollständig und daher nicht korrekt.
Gegenargumente
Wegen der Kosten der Fotoapparate und des erforderlichen Einsatz eines Computers dürften weltweit nur etwa 1/3 der Verbraucher in der Lage sein, digital zu fotografieren. Da ein wesentlicher Teil des recycelten Silbers aus der Aufarbeitung der Entwicklungsbäder stammt (man schätzt in den westlichen Ländern bis zu 65 % aus dem Filmerecycling) führt eine Erhöhung des Marktanteils der digitalen Fotografie zu einem Minderverbrauch von lediglich 35% des durch digitales Fotografieren ersparten Silbers: Ein Rückgang silberhaltiger Filme reduziert in gleichem Masse auch die Schaffung des Recyclingsilbers. Ein wesentliches Argument wird aber übersehen: Wenn aus digitaler Fotografie ein herkömmliches Bild gemacht werden soll (wer trägt, um das Bild seiner Kinder oder seiner Freundin bei sich zu haben, schon immer einen Computer mit sich??), dann wird dieses Bild auf silberhaltigem Papier erstellt, das gegenüber dem Bild auf einem Laserdrucker wesentlich längere Lebensdauer garantiert. Ein unabhängiger Filmfachmann (Don Franz: "The Global Silver Halide Photographic Market") hat hierüber ausführliche Daten veröffentlicht.
Er kommt zum Ergebnis, dass es wohl Einsparungen beim Silberverbrauch durch den Rückgang in den westlichen Industrieländern geben wird, der aber durch den steigenden Verbrauch aus den aufstrebenden Staaten wie Indien und China mehr als ausgeglichen wird.
Auch wird der Verbrauch durch einen Rückgang der Bildherstellung vom Film von derzeit ca. 135 auf 101 Milliarden Fotos in 2008 belastet, andererseits werden sich die Ausdrucke von Bildern aus digitalen Kameras von derzeit ca. 3 auf 67 Milliarden im Jahre 2008 erhöhen.
Daraus würde sich absolut gesehen eine Erhöhung der Produktion von silberhaltigem Fotopapier von derzeit von 1,8 Milliarden qm auf 2,4 Mrd. qm in 2008 ergeben.
Resumee:
Der Silbermarkt (das gilt in ähnlicher Form auch für den Goldmarkt) wird beherrscht durch den hohen Anteil an Terminkontrakten; aus der Unterversorgung des Marktes mit physischem Material entstehen aber im Laufe der Zeit Marktspannungen, die nur noch durch Preissteigerungen zu lösen sein werden.
Neue Anwendungen werden diesen Druck erhöhen.
Es ist abzuwarten, dass trotz der Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer sich letztendlich doch der physische Markt als Grundlage für die Bewertung des Rohstoffes Silber kurzfristig durchsetzen wird. Diese Bereinigungsphase wird enorme Preissprünge auslösen, wenn diese auch mit allen Maßnahmen und Mitteln verhindert werden sollen. Da aber Silber nahezu vollständig verbraucht wird, und das Recyceln derzeit nur partiell bei der Verarbeitung der Filme stattfindet, kann eine Marktenge nicht mehr vermieden werden; dazu wird die Informations-Koordinierung der kleineren Marktteilnehmer auch zu einer größeren Widerstandsfähigkeit gegen die Marktbeeinflussung durch das sogenannte "Wolfsrudel" beitragen. Von einer Überprüfung des Fehlverhaltens der großen Marktteilnehmer durch die Behörden wird dabei nicht ausgegangen.
Nach meiner Auffassung hat Silber als Wertaufbewahrungsmittel im Vergleich zu Gold noch wesentlich größere Preisentwicklungen nach oben zu erwarten. Immerhin wird das Preisverhältnis von Gold zu Silber heute noch mit einem Wert von 64 : 1 geführt.
Silber muss in physischer Form als Wertaufbewahrungsmittel angeschafft werden, bevor der große Markt umdenkt; dies könnte bald geschehen, wenn die Lieferengpässe - wie schon derzeit bekannt - weiter steigen.
© Dietmar Siebholz
Nachtrag: Von einem GATA-Kollegen aus den USA erfahre ich gerade, dass eine Initiative eine Kooperation verschiedener Partner anstrebt, mit der Unternehmen aus der Silberminen-Industrie eine eigene Raffinerie-Kapazität aufbauen, eigene physische Silberbestände im Rahmen einer gemeinsamen Finanzierung darstellen und in eigenen Tresoren lagern wollen. Wenn sich eine ausreichende Anzahl von produzierenden Minen an dieser Aktion beteiligt, dann will diese Kooperation einen eigenen Markt für physisches Silber zur Verfügung stellen. Danach gäbe es zwei gespaltene Märkte: Einen für physisches Silber, bei dem die Minen ihre Produktion im Kasse-Markt veräußern und Silber-Verarbeiter ihr Material beschaffen können (und dies ggfls. erweitert um einen auf 12 Monate beschränkten Terminmarkt, dieser jedoch mit Liefergarantie durch die verkaufenden Minengesellschaften) und einen zweiten Markt für Future-Silber, an dem sich dann die Termin-Verkäufer einschließlich der oben bezeichneten Investment-Banken und sonstige Akteure und die kleinen und großen Termin-Käufer austauschen können, wenn sie nicht an einer physischen Lieferung interessiert sein sollten. Wenn in diesem Markt (= COMEX, New York) dann ein Käufer auf physischer Lieferung bestände, wird sich bald herausstellen, ob die Verkäufer dann lieferfähig sein werden. Wenn dies Kooperation zustande käme, stände der COMEX eine Generalprobe ins Haus, ob sie überhaupt noch den Anspruch eines lieferfähigen Marktes erfüllen kann.
Zur Einstimmung auf dieses Thema sollte die Korrektur des Themas eines meines früheren Reporte in "Ist das wirklich ein fairer Markt für Silber?" vorgenommen werden. Er ist es nicht.
Hierzu vorab die Auffassung eines liberalen Puristen: Ein Markt ist der Ort, an dem nach fairen Regeln der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage stattfindet. Mit meinem Essay will ich versuchen, Hinweise darauf zu geben, was das, was man als den Silbermarkt bezeichnet, nämlich die Haupthandelsstätte, die COMEX in New York in wesentlichen darstellt. Da die anderen Börsen, an denen Silber gehandelt wird, nur geringere Anteile am Weltbörsenumsatz an Silber aufweisen, können wir uns mit unseren Untersuchungen an der COMEX ausrichten.
Zum Grundverständnis einige Hinweise über den Silbermarkt im allgemeinen:
Ferner ist wichtig, zu wissen, dass die offiziellen Umsätze an den Terminbörsen in London und New York täglich durchschnittlich etwa 30.000 Kontrakte (á 5.000 Unzen pro Kontrakt) ausmachen; Tendenz steigend. Aufs Jahr hochgerechnet, liegt somit der Terminbörsenumsatz von Silber bei etwa 40 Mrd. Unzen, entspricht also in etwa dem Fünfundvierzigfachen des Umsatzes an physischem Silber pro Jahr.
Bei sorgfältigem Studium dieser Werte müssten sofort drei Dinge auffallen, und zwar die Tatsachen:
Wer sind diese Marktteilnehmer?
Früher standen sich vor allem in der COMEX die Silberverarbeiter als Käufer, die Silberproduzenten als Verkäufer, die Investment-Banken als Hedger und die Kleinanleger (= Investmentanleger-Spekulanten) gegenüber. Inzwischen sind aufgrund der Länge des Preisabwärtstrends zusätzliche Spekulanten auf beiden Seiten des Marktes aufgetreten, die Kleinanleger, die von einem baldigen Ende des Baissetrends ausgehen und die Hedgefonds, die auf die schnelle Mark aus sind. Durch die restriktiven Richtlinien, die sich Hedgefonds wegen ihrer Risikohebel geben müssen, sind diese in den letzten Jahren immer wieder zu den Opfer der Commercials geworden, weil es diesen immer wieder gelungen war, erst die Hedgefonds in Longpositionen beim Silber emotional hereinzuführen, um dann durch große Abgaben am Terminmarkt die Stoploss-Schwellen auszulösen, mit der Folge des Ausstiegs der Hedgefonds mit großen Verlusten. Diese Entwicklung hat sich in der zweiten Aprilhälfte 2004 wiederholt und bestätigte im Prinzip die Überzeugung der Investment-Banken und deren Partner ("Commercial"), dass sie den Markt unter Kontrolle hätten.
Warum funktioniert dieses sich stets wiederholende Spiel?
Erstens ist festzustellen, dass der Silbermarkt ein sehr geringes Volumen ausweist, z.B. gegenüber dem Gold (nur physisch):
Gold: 80 Mio. Unzen zu 400 US$ = 32,0 Mrd. US$ p.a.
Silber: 880 Mio Unzen zu 6 US$ = 0,528 Mrd. US$ p.a.
Silber: 880 Mio Unzen zu 6 US$ = 0,528 Mrd. US$ p.a.
Dazu gelten nicht die gleichen Spielregeln für alle Parteien; obwohl als Anstandsregel (Usance) definiert ist, dass Vorausverkäufe der Produzenten nur bis zur Höhe einer eigenen Jahresproduktion zugelassen sein sollten, und die Vorausverkäufe (= Leerverkäufe) nur von Produzenten vorgenommen werden sollten, gibt es eine Gruppe von Investmentbanken einschließlich des größten Sachversicherers in den USA (AIG), die von Ihren Gegnern intern als "Gruppe der Sieben" oder "Wolfsrudel" bezeichnet werden. Diese Gruppe arbeitet koordiniert, d.h. stimmt seine Aktionen zur Erhaltung ihrer Vorteile aus den Vorwärtsverkäufen stets miteinander ab. Allein dieses Verhalten entspricht nicht den Bedingungen eines freien Marktes.
In den letzten 18 Monaten haben sich aber konträre Gruppen z.B. um die Berater Theodore Butler, David Morgan und nicht zuletzt unter Mitwirkung der GATA (Interessenverbund von Goldanlegern in den USA) gebildet, die durch Käufe physischen Materials versuchen, die Marktzwänge beim Silber als Sprengsatz für die Mitglieder des "Wolfsrudels" werden zu lassen.
Gerade die Zusammenfassung der vielen Kleinanleger unter der o.g. Gruppe war, neben dem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage im physischen Markt, maßgeblich am steilen Anstieg des Silberpreises von 4,80 US$ auf 8,40 US$ verantwortlich. Die Mitglieder des "Wolfsrudels" konnten durch eine koordinierte Aktien vor Ablauf des Mai-Future-Termins die Hedgefonds und viele Kleinspekulanten der o.g. Gruppe um Ted Butler ausschütteln. Die Gruppe wächst aber aufgrund der Basis-Aufklärungsarbeit übe die tatsächliche Marktlage und wird eines Tages die Machtstruktur der Mitglieder des "Wolfsrudels" zerstören.
Nachdem aber die außerordentliche Marktversorgung aus den Lagerbeständen der USA und teilweise auch Chinas nicht mehr erfolgt, andererseits die o.g. Gruppe um Ted Butler u.a. Immer mehr zu Anlagekäufen schreitet, werden sich die Zwänge aus dem physischen Markt ergeben.
Dennoch sind die ungleich verteilten Möglichkeiten an der COMEX nicht zu übersehen: Die Commercials zahlen für ihre Terminverkäufe wesentlich geringere Einschüsse pro Kontrakt, sie können im bestimmten Fällen nicht zur Lieferung von physischem Silber an "Großkäufer" gezwungen werden. Nach der Definition der COMEX sind Großkäufer solche, die mehr als 10 Kontrakte halten.
Was auch nicht übersehen werden sollte, haben die Unterstützer in der Verwaltung der COMEX noch die Möglichkeiten, die Einschüsse pro Kontrakt bei entsprechender Überhitzung (Frage: Wer definiert Überhitzung?) beliebig zu erhöhen. Da die meisten Kleinspekulanten relativ große Mengen an Kontrakte übernehmen, weil die Einschüsse sehr gering sind, führt eine Verdoppelung der Einschüsse zu Verkaufszwängen bei diesen Kleinanlegern. Die COMEX hat im Zusammenhang mit den starken Preissteigerungen im ersten Quartal 2004 die Einschüsse zweimal erhöht, wohl offensichtlich um den Druck auf die Kleinanleger zu erhöhen und die Short-Positionen der Commercials zu entlasten.
Die von mir oben genannte Gruppe um Ted Butler hat nunmehr den Generalstaatsanwalt von New York, Elliot Spitzer, aufgefordert, Maßnahmen gegen die Verantwortlichen der COMEX und deren Kontrollbehörden zu ergreifen, um den andauernden Betrug gegen die Kleinanleger zu unterbinden. Elliot Spitzer hat sich in der Vergangenheit stark in der Vertretung von Kleinanlegern engagiert, insbesondere gegen Investmentfonds und Broker-Banken. Die Gruppe hofft, dass die Angst vor dem Engagement des Elliot Spitzer die Commercials zu fairerem Marktverhalten veranlassen wird. Immerhin wird nachweislich gegen bestehende Börsenregeln verstoßen.
Vorkommen von Metallen auf der Erde
Unterstellt, dass die Förderkosten für die diversen Metalle in den unterschiedlichen Abbauformen etwa gleich sind, dann müsste sich ein ausgewogener Preis für die verschiedenen Metalle aus der Häufigkeit des Metalls und der Nachfrage nach dem Metall ergeben. Nach den mir zugänglichen geologischen Ermittlungen hält sich der Anteil der Metalle in der Erdkruste, also in abbaubaren Tiefen in etwa folgenden Relationen:
Kupfer zu Silber Relation: 700 : 1 Silber zu Gold Relation: 15 : 1 Gold zu Platin Relation: 10 : 1
Nachfrage am Silbermarkt
Unabhängig vom Terminmarkt sind die Grundlagen des physischen Marktes wohl wesentlich für die Langfristbetrachtung; denn trotz des Riesenvolumens des Terminmarktes dürfte wohl die Angebots- und Nachfragesituation am physischen Markt den wahren Trend vorgeben. Wie sieht nun der Markt aus, und welche Chancen sind aus neuen Anwendungen zu sehen?
- Fotoindustrie/Filme: 300.000.000 Unzen (Zahlen aus 2002)
- Elektro/Elektronikindustrie: 350.000.000 Unzen
- Schmuck Investments und sonst.: 230.000.000 Unzen
---------------------------------------------------------------------------------
- Gesamtverbrauch: 880.000 000 Unzen
Davon werden aus der Schrottverarbeitung und der Auflösung von Silber-Investments geschätzt 210 Mio. Unzen, weitere ca. 60 Mio. Unzen aus der Auflösung von Staatsbeständen (in 2002: China) und weitere 40 Mio. Unzen aus Vorausverkäufen von Minengesellschaften des Markt zugeführt. Diese letztere Position wird durch Verleihen von Silberbeständen ermöglicht.
Die Nachfrage schwankt konjunkturabhängig um ca. 5%; in 2002 ging sie bedingt durch den Rückgang des industriellen Verbrauchs von ca. 930 Mio. auf 880 Mio. Unzen zurück. Silber ist derzeit ein reines Schmuck- und Industriemetall; als Wertaufbewahrungsmittel wird es seit Jahren nicht mehr angesehen.
Silber als Anlagemittel
Durch die Eliminierung von Silber als Münzmetall hat sich in den letzten 10 Jahren die Funktion des Silbers als Wertaufbewahrungsmittel nahezu vollständig verflüchtigt; alle "Spezialisten" haben schon lange den Tod des Metalls Silber als Anlagegut bekannt gegeben. Meine Auffassung weicht hiervon ab: Die kommende Inflationswelle wird den Wert der Edelmetalle, insbesondere des Silbers als das "Gold des kleinen Mannes" erheblich in den Mittelpunkt rücken. Die kommende Investment-Nachfrage drängt dann aber auf leere Märkte, ja sogar Märkte, bei denen fast eine ganze Jahresproduktion leerverkauft ist. Die Short-Positionen der Investment-Banken belaufen sich nämlich zur Zeit auf ca. 85.000 Kontrakte mithin auf ca. 425 Mio Unzen oder 73 % einer Jahresproduktion.
Bei der Bewertung der derzeitigen Angebots- und Nachfrage-Situation und die zukünftige Preisentwicklung ist aber dieser mögliche Trend in keiner Weise einbezogen worden.
Erschließung von Vorräten und Explorationsinvestitionen
Nach seinem Höhenflug Anfang der 80-er Jahre hat sich der Silberpreis auf das Band von 4 bis zu 7 US$ eingependelt; in der gleichen Zeit hat sich die Kaufkraft des US$ um 58% reduziert; die Kosten für die Silberproduktion haben sich durch Einsetzen neuer Technologien um ca. 23% erhöht.
Seit Mitte der 90-er Jahre wurden bei den meisten Minengesellschaften die Investitionen in die Exploration wenn nicht eingestellt, so aber wesentlich gekürzt. Angesichts weiter steigernder industrieller Anwendungen wird sich in den Folgejahren eine große Lücke ergeben, weil sowohl die staatlichen Reserven geleert sind, als auch die Neuproduktion wegen der geringen Explorationstätigkeiten aus den späten 90-er Jahren laufend zurückgeht Viele Minengesellschaften haben erklärt, dass sie die Erschließung von explorierten Erzbeständen erst nach Erreichen eines Mindestpreises von 7 bis 8 US$ vornehmen werden. Da die Produktionsaufnahme einer Mine heute mindestens 2 bis 3 Jahre, bei Neuexplorationen mehr als 6 Jahre dauert, wird der Markt diese Perioden mangelnden Angebots ohne größere Preiszugeständnisse kaum durchstehen..
Konjunkturabhängige Produktion von Silber
Der Silbermarkt wird ferner beherrscht von der Tatsache, dass der Silberabbau in der Regel (nämlich zu mehr als 70 %) als Abfallprodukt anderer Metalle wie Gold, Zink, Kupfer, Blei und Zink erfolgt. Vom jährlichen Verbrauch von ca. 880 Mio Unzen wird etwa die Hälfte als Abfallprodukt erzeugt; wenn also bei konjunktureller Abkühlung die sonstige Bunt-/Basismetall-Produktion konjunkturbedingt zurückgeht, dann vermindert sich automatisch die Silberproduktion. Da Silber andererseits preisunelastisch ist, d.h. Preiserhöhungen führen nicht zur Verbrauchsminderung (Silber wird als strategisches Metall in vielen Kleinstportionen in der Mikroelektronik, in der Elektroindustrie und der Medizintechnik benötigt und es kann nicht ersetzt werden) engen neue Anwendungen und Produktionsrückgänge schon aus dieser Abhängigkeit von den anderen Basismetallen den Markt gefährlich ein.
Hedging durch die Minenunternehmen
In den vergangenen 10 Jahren haben die großen Silberhersteller ihre Produktionen von Silber (als Abfallprodukt) wegen des Preisverfalls der Basismetalle durch Vorwärtsverkäufe abgesichert, nur von den wenigsten Produzenten weiß man (anders als beim Gold) nichts über deren Hedge-Engagements. Lediglich der Goldproduzent BARRICK GOLD hat anlässlich des Revirements in der Vorstandschaft in 2003 bekannt gegeben, dass sie ca. 40 Mio. Unzen vorausverkauft hätten und diese Positionen bereinigt werden sollen. Die Dunkelziffer liegt hier sehr hoch, vor allem, was die mexikanischen und australischen Minen angeht. Es ist aber zu erwarten, dass eine erhebliche Menge an Silber von diesen Gesellschaften vorausverkauft ist und damit eine wesentliche Nachfrage am Silbermarkt zusätzlich auftreten wird. Das gleiche Phänomen konnte am Goldmarkt festgestellt werden, wo allein in den letzten drei Jahren die Nachfrage der Minen aus dem Rückkauf des gehedgten Goldes zur Erhöhung des Goldpreises geführt hatte.
Neue Anwendungen von Silber und Folgen der digitalen Fotografie
Die Marktverspannungen sind seit Jahren gewachsen, nicht zuletzt durch neue Einsatzbereiche für Silber; gleichzeitig wird von der verarbeitenden Industrie darauf verwiesen, dass bei Silberpreissteigerungen nach Ersatzstoffen geforscht wird und durch die digitale Fotografie eine erhebliche Reduktion des Silberverbrauchs eintreten wird.
Mit diesem Essay sollte auch der Versuch gemacht werden, die grundlegenden Fakten zu eruieren und somit eine Marktbeurteilung für die folgenden Jahre zu ermöglichen.
Dazu die grundsätzliche Feststellung, dass Silber in der Elektrotechnik, der Elektronik und in der Medizintechnik nur in kleinsten Mengen pro Einheit benötigt wird, Silber aber bei diesen Anwendungen wegen der Einmaligkeit seiner Qualifikationen nicht ersetzbar ist:
Silber ist der beste Leiter für die Übertragung elektrischer Energie, Silber hat den höchsten Wärmeleitwert, es ist für die Spiegelherstellung unersetzlich und in der Heilmedizin kann auf die bakteriologischen Vorteile z.B. bei der Heilung von Verbrennungen und bei der Keimfreimachung von Wasser usw. nicht verzichtet werden.
Welche zukunftsweisenden Anwendungen können noch zur Nachfragerhöhung auf dem Silbermarkt führen? Es sind folgende Bereiche, die sich schon in der Erprobung und in ersten Anwendungen befinden:
Silberverstärkte Stromleitungen können bis zum 140-fachen herkömmlicher Kupferkabel elektrische Energie über weite Strecken transportieren; nach den Pannen in Kanada und den USA werden sichere und leistungsfähige Alternativen überprüft. Für die Herstellung von Supra-Leitungen wurden im Jahre 2003 die ersten 3 Mio. Unzen verbraucht, allerdings vorerst für Teststrecken; geschätzter Verbrauch in ca. 5 Jahren: Bis zu 80 Mio. Unzen.
Die auch bei uns praktizierte Konservierung (antibakterielle Behandlung von Bauholz) mit chrom- und arsenhaltigen Mitteln ist nachgewiesenermaßen schädlich für Menschen und die Umwelt; in den USA werden diese Einlassmittel ab 2005 verboten; eines der alternativen Konservierungsmittel ist eine mit Silberionen bestückte Einlassflüssigkeit, die ohne Schadstoffe für Menschen und Umwelt ist; allein der Markt in den USA wird mit etwa 75 Mio. Unzen pro Jahr ab dem Jahre 2007 geschätzt.
Dass Silber Bakterien abtötet, ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt; aber schon die Phönizier haben in ihre Amphoren Silberstücke gelegt, um ihr Trinkwasser bakterienfrei zu halten. Heute wird Silber in Wundverbänden, bei der Keimfreimachung in Kliniken und für Heilverbände bei Brandwunden verwendet. In der letzten Woche wurde in Peking bekannt gegeben, dass chinesische Wissenschaftler es geschafft haben, SARS-Viren innerhalb von 24 Stunden durch Silberlösungen abzutöten. Das Silber wird dabei in kolloidaler Form eingesetzt. Das wäre - sofern es im Großversuch noch bestätigt werden kann - eine Sensation, denn bislang war die Eigenschaft von Silber als Bakterientöter bekannt; Viren konnten bislang nicht durch herkömmliche Materialien bekämpft werden. Jetzt scheint sich eine Lösung anzudeuten:
Virenbekämpfung auf herkömmliche Art ohne die Gefahr einer Mutation der zu bekämpfenden Viren, die sich gegenüber anderen Mitteln schon inzwischen als resistent erweisen. Der Einsatz von Silber würde eine Revolution in der Pharmaindustrie bedeuten, vor allem deshalb, weil das Zulassungsverfahren für diese Mittel wesentlich kürzer und billiger wäre als die aktuelle Zulassung von sonstigen Medikamenten.
US-Sicherheits-Untersuchungen haben ergeben, dass Großcomputeranlagen mit gezielten und konzentrierten Magnetwellen im Datenbestand auch aus der Entfernung zerstört werden können. (Für den Hausversuch empfiehlt es sich, seinen Bank- und Kreditkartenbestand an einem Magneten vorbeizuführen: Die Daten werden dann alle gelöscht!) Das führt zu einer neuen Aufgabenstellung, durch die eine langfristige Speicherung von Daten außerhalb von Computern sichergestellt werden muss. Die Lösung weist ein deutsches Unternehmen aus Jena nach; sie entwickelten zusammen mit der Filmindustrie (CIBA und FUJI) hochwertige Filme, die mit hohem Silbergehalt für die Langfristspeicherung von farbigen Mikrofiches die Speicherung von Landkarten, Krankenhaus-Dateien, Laborberichten, Bibliotheken usw. nicht mehr in digitaler Form, sondern auf Mikrofiches mit einer garantierten Lebensdauer von mindesten 100 Jahren sicherstellen (müssen). Von dem in den speziell für diese Technologie entwickelten Filmen wird ein wesentlicher Anteil des darin enthaltenen Silbers für die Langzeit-Haltbarkeit benötigt; ein Recycling nach der Erstellung der Mikrofiches führt zu keinem hohen Recyclingsrückfluß des für die Herstellung dieser Filme benötigten Silbers. Die ersten Auf-träge für die Jenaer Firma aus dem Umfeld der Jenoptik wurden im übrigen durch deutsche und US-amerikanische Behörden erteilt.
Hintergrund: Die Archivierung sensibler Daten auf farbigen Mikrofiches erspart erhebliche Computerinvestitionen, die permanente Angleichung der gespeicherten Dateien auf aktuelle Software und die in 5-Jahres-Abständen erforderliche Neuaufbereitung der im Computer gespeicherter Daten. Die in Sicherheitsbehältern gelagerten Mikrofiches sind unzerstörbar, billiger und durch Angriffe auf Computeranlagen nicht beeinflussbar. Man schätzt den Silberverbrauch für diese neuen Speicherungen auf anfänglich ca. 40 Mio Unzen ab dem Jahre 2006.
Die US-Fotoindustrie, die im übrigen wegen des seit Jahren rückläufigen Silberpreises keine Lagerhaltung mehr betreibt, informiert seit geraumer Zeit die Öffentlichkeit darüber, dass die Ausbreitung der digitalen Fotografie zu einer wesentlichen Reduzierung des Silberverbrauches führen soll. Diese Darstellungen sind unvollständig und daher nicht korrekt.
Wegen der Kosten der Fotoapparate und des erforderlichen Einsatz eines Computers dürften weltweit nur etwa 1/3 der Verbraucher in der Lage sein, digital zu fotografieren. Da ein wesentlicher Teil des recycelten Silbers aus der Aufarbeitung der Entwicklungsbäder stammt (man schätzt in den westlichen Ländern bis zu 65 % aus dem Filmerecycling) führt eine Erhöhung des Marktanteils der digitalen Fotografie zu einem Minderverbrauch von lediglich 35% des durch digitales Fotografieren ersparten Silbers: Ein Rückgang silberhaltiger Filme reduziert in gleichem Masse auch die Schaffung des Recyclingsilbers. Ein wesentliches Argument wird aber übersehen: Wenn aus digitaler Fotografie ein herkömmliches Bild gemacht werden soll (wer trägt, um das Bild seiner Kinder oder seiner Freundin bei sich zu haben, schon immer einen Computer mit sich??), dann wird dieses Bild auf silberhaltigem Papier erstellt, das gegenüber dem Bild auf einem Laserdrucker wesentlich längere Lebensdauer garantiert. Ein unabhängiger Filmfachmann (Don Franz: "The Global Silver Halide Photographic Market") hat hierüber ausführliche Daten veröffentlicht.
Er kommt zum Ergebnis, dass es wohl Einsparungen beim Silberverbrauch durch den Rückgang in den westlichen Industrieländern geben wird, der aber durch den steigenden Verbrauch aus den aufstrebenden Staaten wie Indien und China mehr als ausgeglichen wird.
Auch wird der Verbrauch durch einen Rückgang der Bildherstellung vom Film von derzeit ca. 135 auf 101 Milliarden Fotos in 2008 belastet, andererseits werden sich die Ausdrucke von Bildern aus digitalen Kameras von derzeit ca. 3 auf 67 Milliarden im Jahre 2008 erhöhen.
Daraus würde sich absolut gesehen eine Erhöhung der Produktion von silberhaltigem Fotopapier von derzeit von 1,8 Milliarden qm auf 2,4 Mrd. qm in 2008 ergeben.
Resumee:
Der Silbermarkt (das gilt in ähnlicher Form auch für den Goldmarkt) wird beherrscht durch den hohen Anteil an Terminkontrakten; aus der Unterversorgung des Marktes mit physischem Material entstehen aber im Laufe der Zeit Marktspannungen, die nur noch durch Preissteigerungen zu lösen sein werden.
Neue Anwendungen werden diesen Druck erhöhen.
Es ist abzuwarten, dass trotz der Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer sich letztendlich doch der physische Markt als Grundlage für die Bewertung des Rohstoffes Silber kurzfristig durchsetzen wird. Diese Bereinigungsphase wird enorme Preissprünge auslösen, wenn diese auch mit allen Maßnahmen und Mitteln verhindert werden sollen. Da aber Silber nahezu vollständig verbraucht wird, und das Recyceln derzeit nur partiell bei der Verarbeitung der Filme stattfindet, kann eine Marktenge nicht mehr vermieden werden; dazu wird die Informations-Koordinierung der kleineren Marktteilnehmer auch zu einer größeren Widerstandsfähigkeit gegen die Marktbeeinflussung durch das sogenannte "Wolfsrudel" beitragen. Von einer Überprüfung des Fehlverhaltens der großen Marktteilnehmer durch die Behörden wird dabei nicht ausgegangen.
Nach meiner Auffassung hat Silber als Wertaufbewahrungsmittel im Vergleich zu Gold noch wesentlich größere Preisentwicklungen nach oben zu erwarten. Immerhin wird das Preisverhältnis von Gold zu Silber heute noch mit einem Wert von 64 : 1 geführt.
Silber muss in physischer Form als Wertaufbewahrungsmittel angeschafft werden, bevor der große Markt umdenkt; dies könnte bald geschehen, wenn die Lieferengpässe - wie schon derzeit bekannt - weiter steigen.
© Dietmar Siebholz
Nachtrag: Von einem GATA-Kollegen aus den USA erfahre ich gerade, dass eine Initiative eine Kooperation verschiedener Partner anstrebt, mit der Unternehmen aus der Silberminen-Industrie eine eigene Raffinerie-Kapazität aufbauen, eigene physische Silberbestände im Rahmen einer gemeinsamen Finanzierung darstellen und in eigenen Tresoren lagern wollen. Wenn sich eine ausreichende Anzahl von produzierenden Minen an dieser Aktion beteiligt, dann will diese Kooperation einen eigenen Markt für physisches Silber zur Verfügung stellen. Danach gäbe es zwei gespaltene Märkte: Einen für physisches Silber, bei dem die Minen ihre Produktion im Kasse-Markt veräußern und Silber-Verarbeiter ihr Material beschaffen können (und dies ggfls. erweitert um einen auf 12 Monate beschränkten Terminmarkt, dieser jedoch mit Liefergarantie durch die verkaufenden Minengesellschaften) und einen zweiten Markt für Future-Silber, an dem sich dann die Termin-Verkäufer einschließlich der oben bezeichneten Investment-Banken und sonstige Akteure und die kleinen und großen Termin-Käufer austauschen können, wenn sie nicht an einer physischen Lieferung interessiert sein sollten. Wenn in diesem Markt (= COMEX, New York) dann ein Käufer auf physischer Lieferung bestände, wird sich bald herausstellen, ob die Verkäufer dann lieferfähig sein werden. Wenn dies Kooperation zustande käme, stände der COMEX eine Generalprobe ins Haus, ob sie überhaupt noch den Anspruch eines lieferfähigen Marktes erfüllen kann.