Lage an den Edelmetallmärkten
18.04.2006 | Dr. Dietmar Siebholz
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Folge: Die in den Büchern geführten physischen Bestände lösen sich langsam in Wohlgefallen auf. Eine Reserve von nur ca. 4 Monatsverbräuchen deutet sich an; dies ist ein Markt- und Warnsignal, das bislang bei den anderen Metallen wie z.B. bei Kupfer zu erheblichen Preisveränderungen geführt hat.Ich wiederhole meine Meinungsäußerungen, die ich seit Monaten vertrete nochmals: In Zeiten sich extrem ändernder Märkte mit der Gefahr, dass es zu einem erheblichen Engpass bei physischem material kommen kann, ist das Führen eines Silbermetallkontos bei einer Bank als ein wesentliches Risiko anzusehen. Edelmetalle, so sie denn als Versicherung für Unbillen aller Art zählen, also Turbulenzen an den Kapitalmärkten, Kaufkraftverfall und Sequestrierung durch Regierungen sollten in Eigenverwahrung oder in internationalen Depots oder in Edelmetallfonds, die diese Sicherungs-Konditionen auch erfüllen können, gehalten werden.
Auf einer Chat-Seite hat man mich heftig für meine Darstelllungen kritisiert; ich habe die dort gegen meine Auffassungen vorgebrachten Argumente ("die Commercial Dealers seien keine so großen Positionen short..." - und "die Commercials gehen nur Sicherungsgeschäfte gegen Kassekontrakte ein, sind somit nie Spekulanten") schlicht und einfach nicht verstanden. Ich kann dazu ausführen, dass - wenn es einige Spekulanten gibt, die Terminkontrakte mit dem Ziel halten, letztendlich die physische Ware zu beziehen, diese für die Shorts durchaus gefährlich sind, wenn sie die Lieferung in physischer Ware fordern. Da hilft es auch nicht, wenn dagegen neue Future-(=Papier-)Kontrakte abgeschlossen werden. Gern greife ich die Diskussion auf, nur sollte sich der Kommentator nicht hinter einem in diesem Chat-System wohl üblichen Kunstnamen verstecken, sondern sich direkt mit mir in Verbindung setzen. Was aber bleibt, ist der erhebliche Erfüllungs- oder Prolongationsdruck der Shorts in Silber bei weiter steigenden Preisen. Mal sehen, wer in diesem Gefecht übrig bleibt ... Ich sitze aber gern weiter auf meinen physischen und den Papierbeständen und warte - ausgestattet mit der hierfür erforderlichen Liquidität (für alle Fälle) - das Schicksal der Shorts erst einmal ab.
Weiterer Druck kommt auch von den Emittenten von Silber-Calls. Wenn Sie sich auf der Seite www.onvista.de über den Link "Optionsscheine" einmal eine Auflistung der aktuell im Börsenhandel geführten Silber-Calls ausdrucken lassen, werden Sie feststellen, dass es mehr als 140 solcher Calls allein an der deutschen Börse gibt. Die genauen Volumen jeder einzelnen Emission werden nie bekannt gegeben, somit kann der kritische Betrachter kaum den gesamten Umfang der offenen Calls (und Puts) ermitteln. Ich gehe aber davon aus, dass eine derartige Emission schon aus Kostengründen einen Mindestumfang von 10 Mio Optionsscheinen haben sollte, um beim Emittenten einen entsprechenden Ertrag auszulösen. 140 mal 10 Mio. bedeuten, dass allein in Deutschland für 1,4 Mrd. Unzen Silber bei den Emittenten Risiko besteht.
Nun muss man sich vorstellen, dass jedes Institut seine Risikovorsorge für diese Art von Kontrakten zu treffen hat, aber es wird immer wieder auf das Absicherungsmodell der Nobelpreisträger, die den Long Term Capital Management Hedgefonds als Investitionsvehikel gründeten, um die Richtigkeit ihrer Theorie zu beweisen, zurückgegriffen. Die Technik, das so genannte Delta Hegde-Programm sieht unter Berücksichtigung aller Prämissen vor, dass eine partielle Gegenposition im Rahmen einer aus dem Programm zu ermittelnden Höhe ausreicht, um die zu erwartenden Risiken auszugleichen. Kurz gesagt, das Risiko aus dem Schreiben von Silber-Calls kann nach Ermittlung des zu erwartenden Risikos durch eine anteilige Gegenposition (Long-Position in Silber) ausgeglichen werden.
Nun, beim LMTC hat dies immer mit großem Gewinn für deren Aktionäre (darunter solch illustre Adressen wie die Deutsche und die Dresdner Bank, die UBS und andere) funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, als die Märkte extrem außerhalb der Bandbreite, die im Delta-Hedge-Programm als üblich angesehen war, operierten. Ja, da war dann der LTCM innerhalb von vier Tagen ein Abwicklungsfall, den die FED moderierte, um größere Schäden zu vermeiden. (Ende des Ausflugs in die Historie)
Für den Silbermarkt (das gilt auch für den Goldmarkt) kann dies bedeuten, dass die Emittenten von Silber-Calls verschiedene Möglichkeiten haben, ihr Risiko aus den geschriebenen Silber-Calls zu reduzieren; eine davon ist der Ankauf von physischem Material, um extreme Risiken partiell abzusichern. Nicht immer können nämlich die Future-Kontrakte als absolute Sicherheit für die Erfüllung der aus den Calls eingegangenen Verpflichtungen angesehen werden, wenn man den Extremfall, nämlich die vorübergehende Schließung der Warenterminmärkte unterstellt. Natürlich könnten sich dann die Emittenten vielleicht auf die "Force Mayeure-Klausel" zurückziehen, aber das sie ja nicht das physische Material, sondern nur den Barausgleich in den Optionsscheinbedingungen zugrunde gelegt haben, könnte dieser vermeintliche Ausweg in extremen Zeiten entfallen. Auch wenn diese zusätzliche Nachfragequelle (Anschaffungszwang nach den Risiko-programmen der Silber-Call-Emittenten zur Verminderung ihrer Risiken nach den Delta-Hedge-Auflagen in physischem Silber) auf den ersten Blick etwas zu theoretisch erscheint, muss sie meiner Meinung nach genannt und auch weiterhin beachtet werden.
Noch einmal zurück zu den bei Banken unterhaltenen Metallkonten, insbesondere in den beiden Edelmetallen Gold und Silber; wenn Sie die Onvista-Liste überprüfen, erhalten Sie einen Überblick, welche Institute in diesem Optionsscheinmarkt-Segment besonders aktiv sind; es sind häufig auch die Institute, die umfangreiche Metallkonten für ihre Kunden führen. Folgt man meinen Gedanken, dann ist nicht auszuschließen, dass diese Institute im Rahmen ihrer besonderen Geschäftsbedingungen die Bestände in den Metallkonten legitim und korrekt für die eigenen Absicherungsgeschäfte verwenden dürfen. Ich fand auf jeden Fall keinen Hinweis darauf, dass diese Verwendung grundsätzlich ausgeschlossen sein soll.
Da drängt sich einem die Frage auf, ob man dem Fuchs, selbst wenn er extrem vertrauenswürdig ist, die Aufsicht über seinen Hühnerstall erteilen sollte, oder?
© Dietmar Siebholz
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