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Aktuelles aus den letzten vier Wochen

13.11.2007  |  Dr. Dietmar Siebholz
Bislang habe ich mich immer nur auf ein Thema konzentriert, Daten und Informationen gesammelt und dann versucht, aus diesen Anregungen ein wenn möglich unterhaltsames, wenn nicht sogar lehrreiches Essay zu machen. Die Flut der Themen, die uns alle in den letzten Wochen überschüttet, veranlasst mich, von diesem Procedere abzugehen und mehrere Themen als Kernpunkte für meine Kolumne heranzuziehen. Ich meine im Vorgriff auf diese neuesten Nachrichten, die Informationsflut deutet das Erscheinen einer außergewöhnlichen Entwicklung an. Meine norddeutschen Leser kennen dies aus den Erfahrungen im Hamburger Raum: Wenn aus Irland und England starke Stürme gemeldet werden, Holland die Rhein-Mündungsschleusen und die Schleusen bei Rotterdam schließt, dann wird es in der Nähe der Trichtermündung der Elbe unangenehm. So ähnlich beurteile ich jetzt die Kapital- und Finanzmärkte. Die Frage ist nur: Sturmflut oder Springflut?


Thema I: Die Banken- und Finanzkrise

Immer mehr Wahrheiten werden uns jetzt gereicht (nun müssen die Banken ja ihre Bestände und Risiken in den Quartalsberichten näher erläutern), nachdem wir Monate im Dunkel gehalten wurden, insbesondere von den deutschen Banken (nach Sachsen-LB und IKB). Ich schrieb schon vor einigen Wochen, dass noch nichts vorbei sei, wie man uns glauben machen wollte. In den USA werden jetzt die besonderen Assets (Vermögensteile), also die kritischen, unverkäuflichen und unbewertbaren Titel und Konstrukte nach Level I, II und III klassifiziert. In den USA nennt man diese Titel euphorisch "Fair-Value-Assets" - welch eine Ironie! Übrigens: Die deutschen Banken sind noch nicht so weit, aber erwarten Sie sehr unangenehme Überraschungen, wenn wir einmal mehr über die Fakten erfahren werden.

Zur Information: Level I, das sind Wertpapiere oder Forderungen, bei denen es in aktiven Märkten identische oder nahezu identische Titel gibt, die oft gehandelt werden, also kurzfristig verwertbar erscheinen. Titel aus dem Level II sind schon erheblich problematischer zu bewerten, weil hierunter Titel fallen, bei denen ähnliche Wertpapiere mit großen Umsatz oder identische Papier ohne große Umsätze gehandelt werden, also deren Verwertung erhebliche Probleme bereiten wird. Die Titel der Klasse Level III dürften wohl die richtigen Problembringer sein, denn für sie gilt, dass hier Werte erfasst sind, für die es keinen Markt gibt, weil sie als Derivate oder andere künstlich gestaltete Titel ausgegeben wurden, bei denen also nachhaltige Wertdefinitionen nicht erhältlich sind.

Das klingt ja alles sehr solide, aber nun kommen die Fakten, nämlich die Relationen von Engagements in Level III-Titeln zum haftenden Eigenkapital. Bevor Sie jetzt weiter lesen, lassen Sie sich von Ihrem Partner entweder Ihr Herztonikum oder einen guten Cognac bringen; Sie werden beides brauchen.
Wenn ich den Daten, die mir ein Info-Partner aus einer US-Webseite lieferte, glauben kann, dann liegen diese Relationen von Level III-Engagements zum haftenden Eigenkapital bei folgenden Prozentwerten (dass Sie mich richtig verstehen, Prozentsätze über 100 bedeuten, dass diese Level-III-Werte höher als das Eigen-kapital der untersuchten Institute sind, also die (das ist meine unsachliche Definition) Schrottanlagen das Eigenkapital zum Teil erheblich übersteigen. Hier die wichtigsten Daten:

  • Merrill Lynch - der weltgrößte Broker: 38%
  • City-Group die größte Bank der Welt: 106%
  • Bear Stearns, die schon zwei Fonds Pleite gehen ließen: 154%
  • Lehman Brothers: 158%
  • Goldman Sachs: 185%
  • Morgan Stanley: 251%

Gut, dass Sie nun den Cognac oder die Herztropfen haben, oder? Sie wissen, was das heißt, wenn kein neues Geld von der FED oder der EZB oder der Bank of Japan kommt und dann ein Teil der Level-III-Forderungen abgeschrieben und damit ausgebucht werden muss. Dann wird es verdammt eng. Die Investmentbanken müssen wie damals bei der Saving-and-Loan-Krise in den Staaten oder bei dem Verfall der südamerikanischen Anleihen die Abschreibungsvorschriften ändern und die Notenbanken müssen "flankierend" gleichzeitig viel neue Liquidität in Umlauf bringen, um diese Institute zu stabilisieren. Restriktive Maßnahmen wären aber tödlich in diesem Umfeld der Finanz-"Drogenabhängigen": Ich bin sicher, keiner von den Finanz-Junkies steht diese Entzugsmaßnahmen auch nur länger als ein Quartal durch.

Der Treppenwitz dabei ist aber, dass sich alle auf gut Deutsch über Merrill Lynch das Maul zerreißen, aber die waren noch wirklich relativ solide, wenn man das Wort hierzu schon missbrauchen sollte. Häme aus Deutschland? Lassen Sie das bleiben. Die Daten der Deutschen Bank sollen - wie ich hörte - folgende Werte erreichen (siehe Internet http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/396341.htm)

Deutsche Bank: Insgesamt Titel, die nach dem Prinzip "Fair-Value" zu
  • bewerten sind: ca. 1.300 Mrd. €
  • (noch) keine Aufteilung auf Level I, II und III-Qualifikation
  • Eigenkapital: ca. 38 Mrd. €

Zum Vergleich: CITY-Bank-Gruppe:
  • "Fair-Value-Assets" - total: ca. 1.325 Mrd. $
  • davon Level I: ca. 281 Mrd. $
  • davon Level II: ca. 939 Mrd. $
  • davon Level III: ca. 135 Mrd. $
  • Eigenkapital (damit Risikoquote 106% vom EK): ca. 127 Mrd. $




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