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Die Ökonomie der Liquiditätskrise

18.02.2008  |  Mag. Gregor Hochreiter
Die Banken- und Finanzmarktkrise hält die Welt seit Monaten in Atem. Malaria-artige Fieberschübe suchen die Börsen heim und schicken die Aktienkurse auf eine rasante Berg- und Talfahrt. Der Schwall an Hiobsbotschaften über weitere Wertberichtigungen von den führenden Großbanken scheint ebenfalls nicht abzureißen. Die zunehmende Ungewißheit über die finanzielle Situation der Finanzinstitute hat zudem das gegenseitige Vertrauen der Banken erschüttert und die Kreditgewährung deutlich verlangsamt. Um den als bedrohlich empfundenen Engpaß an Liquidität zu überbrücken, sehen sich die Zentralbanken seit Mitte August 2007 förmlich gezwungen, dem Bankensystem immer höhere Dosen an Liquidität zur Verfügung zu stellen. Die Angst vor einer ausgeprägten Liquiditätskrise und einer sogenannten Kreditklemme geht um. Diese soll mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden, da ansonsten eine ausgeprägte Rezession drohe. So oder so ähnlich argumentieren fast einhellig Zentralbanker, Ökonomen und Wirtschaftspolitiker.

In dieser Analyse wollen wir das Phänomen der Liquiditätskrise genauer unter die Lupe nehmen. Unsere Ausführungen werden zeigen, daß die aktuelle Bankenkrise ein Spezialfall eines allgemeinen ökonomischen Phänomens ist, nämlich der "Warteschlange". Um ein besseres Verständnis von den aktuellen Dynamiken auf den Finanzmärkten zu erlangen, werden wir uns zunächst mit dem zugrundeliegenden ökonomischen Phänomen auseinandersetzen.


Das ökonomische Phänomen der Warteschlange

Ein tatsächlich freier Markt zeichnet sich durch die Abwesenheit von jedweder Form von administrativen Eingriffen wie Preisfestsetzungen oder Mengenbeschränkungen aus. Binnen relativ kurzer Zeit wird sich in den Verhandlungen zwischen Anbietern und Nachfragern jener Preis herauskristallisieren, zudem sich der Markt räumt. Im Falle der Markträumung können all jene Verkäufer, die zum Marktpreis verkaufen wollen, das Gut verkaufen und jene, denen der angebotene Preis zu gering ist, veräußern das betreffende Gut eben nicht. Schlicht deswegen, weil die von den Käufern angebotene Kompensation als zu gering erachtet wird. Ebenso verhält es sich auf Seiten der Käufer. Jene, denen der Marktpreis behagt, kaufen das Gut, während diejenigen, denen der Marktpreis zu hoch ist, es vorziehen, das Geld für andere Dinge auszugeben. Eine strukturelle Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird sich daher niemals auftun.

Gänzlich anders ist jedoch die Situation, wenn die Preise vom Staat unterhalb des Marktpreises administrativ festgesetzt werden. In diesem Fall entwickelt sich eine dauerhafte Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Eine Warteschlange entsteht. Weil die Preise nicht steigen dürfen, befinden sich auf diesem spezifischen Markt auf Dauer mehr Nachfrager als Anbieter. Denn jene zusätzlichen Nachfrager, die sich ohne gesetzlichen Eingriff das Produkt zum Marktpreis nicht hätten leisten wollen, fragen es, vom künstlich gesenkten Preis angelockt, nun ebenfalls nach. Der blaue Pfeil illustriert diese künstliche Steigerung der Nachfrage. Auf der Angebotsseite verschwinden hingegen die mit einem roten Pfeil markierten Anbieter vom Markt, weil sie zum vorgeschriebenen Höchstpreis nicht mehr profitabel produzieren können. Klassische Beispiele für "Warteschlangen" sind der Stau auf der Autobahn, Wartezeiten auf Operationen und für staatlich geförderte Wohnungen, und, um zu unserem Thema wieder zurückzukehren, der sogenannte Liquiditätsmangel bzw. die Kreditklemme.

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Der Kapitalmarkt - Markt für Ersparnisse

Bevor wir die aktuellen Liquiditätsprobleme in ihrer Gesamtheit verstehen können, sind noch zwei Zwischenschritte vonnöten. Zunächst sollten wir einige Worte darüber verlieren, um welchen Teilmarkt es sich überhaupt handelt, wenn wir uns der Liquiditätsproblematik zuwenden. Genaugenommen befinden wir uns nämlich am Markt für Ersparnisse, dem sogenannten Kapitalmarkt. Die Anbieter auf diesem Markt sind die Sparer, also all diejenigen, die den einen oder anderen Euro auf das Sparbuch legen oder in Aktien investieren wollen. Die Unternehmer bilden die Nachfrageseite. Sie suchen Kapital, um ihre Investitionsprojekte zu finanzieren. Und den Preis auf dem Kapitalmarkt nennt man gemeinhin "Zins". Er ist die Kompensation dafür, daß der Sparer eine Zeit lang auf Konsum verzichtet und statt dessen spart.

Somit bestimmt die Sparneigung der Bevölkerung essentiell die Höhe des Zinses und den zukünftigen materiellen Wohlstand einer Gesellschaft. Je höher die Sparneigung, desto niedriger ist der Zins und desto höher ist der zukünftige Wohlstand. Je niedriger die Sparneigung, desto höher ist der Zins und desto niedriger ist der zukünftige Konsumniveau. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage wirkt selbstverständlich auch auf dem Kapitalmarkt. Je höher das Angebot an Ersparnissen, desto niedriger ist deren Preis, der Geldzins.

Der letzte Schritt auf unserem Weg zur Lösung des Liquiditätsrätsels ist ein wenig konter-intuitiv. Denn die Preisfixierung auf dem Kapitalmarkt läuft etwas anders ab als auf allen anderen Märkten, weswegen wir auf dem Kapitalmarkt nach erfolgter Preisfixierung zunächst keine Warteschlange beobachten können.




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