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Warum ein hoher Ölpreis den USA auch nützlich sein kann (Fortsetzung)

26.01.2005  |  Jochen Steffens
Ich hatte damit gerechnet, dass viele Reaktionen auf die gestrige Artikel kommen würden, die meine These zum Ölpreis als völlig abwegig bezeichnen. Aus diesem Grund schrieb ich schließlich die etwas längere Einführung.

Ich lasse mich natürlich nicht so leicht verunsichern und neige auch noch zu ziemlicher Hartnäckigkeit, wenn es um eine andere Sicht der Dinge geht. Schon einige meiner "seltsamen" Thesen, die ich hier aufgestellt hatte, wurden zunächst als völlig abwegig erachtet und riefen viel Missmut unter den Lesern hervor, um sich dann doch im Nachhinein als korrekt herauszustellen.

Aber natürlich ist es simpel, irgendeine "haltlose" These aufzustellen und sie dann einfach im Raum stehen zu lassen. Wie Sie wissen, ist das nicht mein Stil. Mir geht es darum, wie gesagt, eine solche These an der Realität zu überprüfen. Aus diesem Grunde stellt sich die Frage, ob höhere Ölpreise nicht noch mehr Vorteile für die USA bringen:


Vorteile für die USA

Punkt 1: Vielleicht erinnern Sie sich, dass das Thema "Deflation in den USA" die Medien in den Jahren 2002 und 2003 sehr beschäftigte. Die Fed schien große Angst davor zu haben, dass es in den USA zu einem deflationären Verlauf nach japanischem Vorbild kommen könnte. Um einer Deflation entgegenzutreten, hatte die Fed die Zinsen dramatisch gesenkt. Das funktionierte jedoch zunächst nicht so recht, - schließlich ist Deflation auch ein psychologisches Problem: Der Konsument wartet bei größeren Anschaffungen auf billigere Preise.

Heute redet keiner mehr von "Deflation" - Thema ist nun Inflation - die Deflationsgefahr ist vergessen. Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wie die USA das geschafft haben. Immerhin ist sie damit der Deflationsfalle, in die Japan nach 1990 geraten ist, entkommen. Ökonomisch gesehen eine äußerst interessante Tatsache!

Damit zur Frage, wie die Fed das geschafft hat: Das Ende der Deflationsgefahr hat nicht nur etwas mit den niedrigen US-Zinsen zu tun (höchstens indirekt über den schwachen Dollar). Die Idee, mit niedrigen Zinsen die Deflation bekämpfen zu wollen, hatte schon in Japan nicht funktioniert. Nein, es liegt hauptsächlich an den hohen Energiepreisen, bedingt durch den Ölpreis. Und tatsächlich, das Thema Deflation ist zur Zeit vom Tisch, die Fed redet bereits offiziell von Inflation - eine geniale Lösung, oder? Ließe man nun den Ölpreis wieder auf 12 Dollar fallen, könnten die deflationären Tendenzen, die in den USA durchaus vorhanden sind, wieder deutlicher zu Tage treten.

Punkt 2: Das Geld für den Wahlkampf und damit die Politik von Bush kommt aus der Ölindustrie. Die großen Ölkonzerne profitieren von den hohen Ölpreisen - ein Schelm wer dabei Böses denkt.

Punkt 3: (unter Vorbehalt): Wie im letzten Jahr beschrieben, sollte der Ölpreis wahrscheinlich als Wahlkampfmittel eingesetzt werden. Das ging allerdings aus damals beschriebenen Gründe daneben, obwohl es eindeutige Anzeichen für den Versuch gab. Dieser Aspekt steht hier also unter Vorbehalt.

Punkt 4: Eine Möglichkeit für die USA, das Außenhandelsdefizit abzubauen, besteht auch darin, dass der Binnenkonsum und damit die Nachfrage nach (auch amerikanischen) Produkten in Japan und Europa anzieht. Wie hier mehrfach dargelegt, ist der hohe Ölpreis in Europa und Japan aufgrund der Währungseffekte kein derartig großes Problem, so dass er hier erstaunlich wenig schädigende Auswirkungen hat (Beispiel: die gigantischen Exportzahlen Deutschlands im letzten Jahr). Das bedeutet, über den Ölpreis bei gleichzeitig billigem Dollar wird tatsächlich Japans und Europas Binnenwirtschaft wesentlich weniger belastet als die chinesische.

Und ein letzter Punkt: Die USA sind im Gegensatz zu China mittlerweile fast zu einer Dienstleistungsgesellschaft geworden. Unter hohen Rohstoffkosten leidet jedoch der produktive Sektor logischerweise am existentiellsten. Chinas aktuelles Wirtschaftswachstum befindet sich auf dem Wege aus dem primären Sektor (Landwirtschaft) in den sekundären Sektor, den produktiven Sektor. Die Belastung durch hohe Ölpreise (und Rohstoffpreise) trifft China damit in voller Breitseite, während die USA sozusagen einen Fuß, den Dienstleistungssektor, (zum großen Teil)aus dem Spiel haben.

Gehen wir damit zu den Nachteilen für China:


Nachteile für China

China ist mittlerweile weltweit zweitgrößter Abnehmer von Öl. Im Gegensatz zu Europa, das aufgrund der Währungseffekte nicht so unter dem hohen Ölpreis leidet, schlägt der Ölpreis in China durch die Anbindung des Yuan eins zu eins auf die chinesische Wirtschaft durch. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Energie und Rohstoffkosten in China prozentual an den Produktionskosten erheblich höher sind als in den USA und sich somit quasi schädlicher auswirken. Dazu kommen, wie gesagt, die Transportkosten bei der Verschiffung.

China greift die USA mittlerweile auch auf dem Technologiesektor an - bei den lohnintensiven Produkten hatten die USA der Konkurrenz nicht viel entgegenzusetzten. In diesem Bereich sind die USA verwundbar.


Risiken für die USA:

Die Frage ist, würden die USA es riskieren, durch den hohen Ölpreis zum Beispiel den heimischen Automobilmarkt zu schädigen? Nun, wenn man sich General Motors anschaut, die weniger von dem Verkauf von Automobilen als vielmehr als Finanzdienstleister überleben, erübrigt
sich die Frage.

Würden die USA absichtlich den eigenen Binnenkonsum, schließlich der Wirtschaftsmotor schlechthin, beeinträchtigen? Hohe Benzinpreise, Heizkosten, und teurere Waren belasten schließlich den Binnenkonsum. Im Moment muss man allerdings zugestehen, dass die Wirtschaft in den USA brummt, insoweit muss sich die Fed zurzeit(!) noch keine Sorgen machen. Sollten sich Zeichen der Abschwächung zeigen, kann sie schnell genug reagieren.

Sie sehen, selbst auf den zweiten Blick hält die These, dass der hohe Ölpreis den USA auch nützen könne, einer Betrachtung durchaus stand. Das heißt nicht, dass sie deswegen richtiger sein muss. Aber sie sollte zumindest untersucht werden.

Drohender unterschwelliger Wirtschaftskrieg?

Denn wirklich interessant wird diese These, wenn man davon ausgeht, dass es über kurz oder lang zu einer Art "Wirtschaftskrieg" zwischen den USA und China kommen wird - wahrscheinlich verbunden mit einem Kampf um die weltweiten Rohstoffe, der im Prinzip bereits begonnen hat. China versucht weltweit, in Südamerika, Kanada, Australien und sogar mittlerweile in Südafrika, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu den größten Rohstoffländern der Welt aufzubauen. Wenn die These zum Öl stimmen sollte, dann befinden wir uns sozusagen schon mitten im Gemetzel - das ist der wichtige Punkt in diesem Zusammenhang!

Sie sollten dabei die USA nicht unterschätzen. Die USA haben "Japan" überlebt. Einige werden sich vielleicht erinnern, dass besonders in den USA die Sorge einmal groß war, dass Japan Amerika den Rang ablaufen könne. Heute redet kaum noch jemand davon. Die USA haben andere asiatische Billigproduktionen "made in Taiwan" überlebt, sie haben auch Russland wirtschaftlich in die Knie gezwungen und nun beginnen sie eben damit, in Konkurrenz zu China zu treten. Rückblickend muss man den USA zugestehen, dass sie aus all diesen "Krisen" gestärkt hervorgegangen sind. Wer glaubt, das sei ein Zufall, ist naiv. Ob die USA aktuell jedoch den Hochpunkt ihrer Entwicklung erleben und es nun nur noch abwärts gehen kann - das ist ein ganz anderes Thema.


© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"



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