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Macht und Ideologie in Europa: Wie die EU regiert wird

21.01.2002  |  Dr. Bruno Bandulet
- Seite 2 -
Die EU, ein Monstrum

Ich werde Ihnen jetzt erzählen, wie die EU eigentlich regiert wird – auch auf die Gefahr hin, daß die meisten von Ihnen das schon wissen. Aber es gibt ein paar Feinheiten, die vielleicht noch nicht so bekannt sind.

Zweitens werde ich untersuchen, welche Ideologie dahinter steht, womit versucht wird, eine Legalität oder Legitimität zu begründen.

Drittens werden wir kurz anklingen lassen, wie es weitergeht, wie lange das hält, bzw. was dagegen getan werden kann.

Zunächst also: wie wird die EU regiert? Da ist eine Feststellung ganz wichtig. Die EU ist ein rechtlicher Zwitter, ein juristisches Monstrum, das sehr schwer zu fassen ist. Sie ist nämlich weder ein Staatenbund noch ein Bundesstaat. Und sie wird auch beides in absehbarer Zeit nicht werden. Damit fängt das Problem an. Aber ich habe den Verdacht, daß das absichtlich so konstruiert wurde.

Es ist, wenn ich es genau formulieren müßte, eine demokratisch nicht legitimierte Rätediktatur. Denn die Entscheidungen in der EU fallen in Komitees, Räten und Kommissionen. Es ist etwas peinlich, daß die Wortwahl an ein nicht mehr existentes System anklingt.


Kein Bundesstaat...

Warum ist es kein Bundesstaat? Ein europäischer Bundesstaat würde voraussetzen, daß das Volk eine verfassungsgebende Versammlung einberuft, daß es sich eine Verfassung gibt, daß die europäische Regierung selbstverständlich gewählt wird. Damit würde ein neuer Souverän entstehen. Dann hätten wir einen europäischen Bundesstaat. Aber wenn das so wäre, dann gäbe es natürlich auch keine französische und englische Atomstreitkraft mehr, weil diese selbstverständlich dem Bundesstaat gehören müßten. Es wäre auch nicht denkbar, daß Frankreich einen Sitz im Ständigen Sicherheitsrat der UNO haben und immer noch Vorrechte als Siegermacht behalten würde. Auch das müßte natürlich europäisiert werden.

Von deutscher Seite wurde der Bundesstaat favorisiert. Ob er richtig oder falsch wäre oder durchführbar oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Ich glaube nicht, daß dies durchführbar ist, weil ein Bundesstaat, also ein souveräner Staat, in Europa ein Wahlvolk voraussetzt, das sich untereinander verständigen kann, auch sprachlich. Es ist eine traurige Tatsache, daß heute in Deutschland viel weniger Schüler Französisch lernen als 1963, als der Deutsch-Französische Vertrag abgeschlossen wurde. Diesen Bundesstaat wird es nicht geben.


... aber auch kein Staatenbund

Die Alternative wäre ein Staatenbund, was De Gaulle vorschwebte und auch Adenauer. Nur, dieser Staatenbund würde natürlich die gesamte EU-Kommission in Brüssel, die gesamte Bürokratie mit ihren über 20.000 Leuten, den riesigen Haushalt, die ganze ge-meinsame Agrarpolitik überflüssig machen. Denn wenn Sie einen Staatenbund haben, haben Sie völkerrechtlich eine absolut saubere Lösung. Dann bleiben die Staaten souverän, sie arbeiten als souveräne Staaten so eng wie möglich, wo sie es können, zusammen.

Aber weder die eine noch die andere Lösung wurde gewählt, sondern eben das, was ich als juristisches Monstrum bezeichnet habe. Und am Ende ist der Zustand eben so, daß Europa nicht demokratisch, sondern von Räten, Kommissionen und Komitees regiert wird.


Die EG besteht weiter

Plötzlich hat die Presse vor einigen Jahren nicht mehr von der EG gesprochen, sondern nur noch von der EU. Ich weiß von einigen Zeitungen, daß diese Anweisung von oben gegeben wurde. Ich kann mir dies eigentlich nur damit erklären, daß der Name EG derart vorbelastet war, denn mit der EG hat man alles Negative assoziiert wie Milchseen und die Tiertransporte und den Subventionsbetrug und all diese Sachen.

EU klingt besser und größer. Europäische Union klingt wie USA. Aber in Wirklichkeit besteht die EG weiter, sie wurde nie abgeschafft. Es gibt die EG und es gibt die EU. Früher hieß es Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, dann hieß es Europäische Gemeinschaften - es waren nämlich drei: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Euratom und die Montanunion, also die Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Diese war übrigens die allererste europäische Gemeinschaft in den 50er Jahren. Sie wurde gegründet, darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel, weil Frankreich Deutschland kontrollieren wollte. Damals dachte man, man kontrolliert ein Land über Kohle und Stahl, nicht über Computer und Hochtechnologie. Leider stand am Beginn dieser europäischen Einigung ein negatives Denken. Der eine wollte den anderen kontrollieren. Und auch heute ist noch eine Menge negatives Denken dabei, die Interessen sind sehr unterschiedlich.

Diese drei Europäischen Gemeinschaften, im Plural, wurden dann umbenannt in EG, also in Europäische Gemeinschaft.

Und was ist der Unterschied? Ganz einfach: EG ist alles, was mit dem Gemeinschaftsrecht zu tun hat, mit der Bürokratie, mit den zwei Millionen Seiten Blatt Papier, die die Kommission jedes Jahr produziert. Allein das Gemeinschaftsrecht im engeren Sinn, das nun die Osteuropäer Buchstabe für Buchstabe übernehmen müssen, füllt 80 000 Seiten.

Das ist ja das Problem mit diesem Europa. Ich habe mich mal erkundigt im Bundestag: wenn die dort abstimmen über den Maastrichter Vertrag oder den Vertrag von Nizza, dann lesen sie das nicht vorher. Sie wissen nicht im einzelnen, was drin steht. Und das ist verständlich, weil dafür niemand Zeit hat. Die Frage ist nur, ob diese völlige Unübersichtlichkeit Zufall ist oder Absicht. Die Verwirrung, die Erzeugung von Chaos ist übrigens auch ein Prinzip militärischer Operationen.



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