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Die Tulpen-Spekulation: An der Wiege des Kapitalismus

29.12.2012  |  Presse
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Die Schlussfolgerung der Autoren, die diese These vertreten: Der Staat soll alles in seine "bewährten Hände" übernehmen und kontrollieren, um einen Staatsabsolutismus zu ermöglichen. Dies wird allerdings nicht dazugesagt.

Zudem wird das Kapital durch die Spekulationsgier nicht vernichtet sondern zum Verkäufer transferiert. Dies läßt unter Umständen die Einkommens- und Vermögensschere aufgehen.

  • Der tatsächliche erfolgte Zufluss riesiger Edelmetallmengen (=Erhöhung der Geldmenge) hätte die Spekulation befeuert.

Unerwähnt bleibt jedoch die sehr liberale Geisteshaltung der damaligen Zeit, dass alles "unternommen" werden sollte, was möglicherweise in der Zukunft Gewinne abwerfen könnte. Wer diese Ansicht vertritt muß folgerichtig auch den Börsenhandel von Tulpenpapieren, den Verkauf einer Tulpenzwiebel ohne sie überhaupt zu besitzen und den Abschluß von Wetten auf zukünftige Tulpenzwiebelpreise begrüßen. Die exzessive Risikonahme wurde zur unternehmerischen Norm erhoben.

Bemerkenswert ist, dass damals der "rigideste" aller jemals eingesetzten Bimetall-Standards für Bankgeschäfte verwendet wurde.

  • Die später erfolgten staatlichen Eingriffe und die Propaganda hätten dann die "wahren" Kräfte des freien Marktes behindert.

Unerwähnt bleibt, dass der vollkommen unregulierte Verkauf auf Papier erst die Spekulation in diesem Ausmaß ermöglicht hat.

Viele problematische Geschichtsirrtümer entstanden dadurch, dass die archivierten Pamphlete über die sittlichen Verwerfungen der Gesellschaft wegen der Tulpen-Spekulation als durch und durch verläßliche Quellen gedeutet wurden. Man will in der wirtschaftsgeschichtlichen Deutung vieler Geschehnisse nicht zur Kenntnis nehmen, daß diese Streitschriften der geschichtliche Vorläufer unserer heutigen Zeitungen gewesen sind. Und diese wurden schon damals vor allem zur Verbreitung von Attacken gegen andersdenkende Gruppierungen, für die (politische) Propaganda oder den (diffamierenden) Klatsch genutzt, aber auch zur bewußten Irreführung der Bevölkerung durch Verbreitung widersprüchlicher Informationen.

So wurde bei der Tulpenspekulation in diesen Flugblättern zuerst von den neuartigen Auktionen berichtet und wie viele Holländer dadurch bereits ein Vermögen erwirtschaften konnten. Danach wurden Tips für den Tulpenkauf gegeben.

Und nachdem die Blase geplatzt war, wurde viel über den moralischen und sittlichen Verfall geschrieben, sowie die Untergrabung der Werte, die Umwälzungen in der Gesellschaft und die Kapitalvernichtung beklagt.

Der wichtigste Punkt, daß Medien neue Wirklichkeiten für ihre Konsumenten schaffen und nicht etwa, wie es die Eigensicht der Medien ist, eine politische Diskussion oder sogar die sogenannte "öffentliche Meinung" dokumentieren, wird wissenschaftlich viel zu wenig untersucht. Die moderne Bezeichnung wäre dafür "Story Dealing oder Spin". Erst neulich gab es dazu ein erhellendes Feature im Radioprogramm "Ö1"5.

Wenn man sich in historischen Untersuchungen zu stark auf derartige Pamphlete als vertrauenswürdige historische Quellen verläßt, so wie es z.B. der Journalist Charles Mackay6 oder moderne Autoren wie Michael Lewis und Mike Dash7 oder sogar illustre Figuren wie Bernhard Baruch getan haben, wird nicht nur die Geschichte umgeschrieben. In solchen Fällen kann man genauso jede "neue Wirklichkeit" für ein leichtgläubiges, ideologisch bereits erzogenes Publikum schaffen und ohne die wirklichen Ursachen zu beleuchten ganz leicht jede Spekulation als übertriebene Euphorie, von der die Massen erfaßt wird, beschreiben oder als Ursache für die Ausbeutung und Verarmung der breiten Öffentlichkeit deuten.

Dies wurde wiederholt unternommen, so bei der Darstellung des Börsen-Crash von 1929 und der Dot.com-Blase, die im Frühjahr 2001 platzte.

In ihrem Buch "Tulipmania: Money, Honor, and Knowledge in the Dutch Golden Age" beschreibt die Historikerin Anne Goldgar8 nach gründlichem Studium der Gerichtsakten, von Primärquellen und einschlägigen Aufzeichnungen die Tulpenspekulation als ein reines Papiergeschäft zwischen Tulpenzüchtern und Tulpenliebhabern, die alle aus dem wohlhabenden Mittelstand stammten und das im Hinterzimmer von Gasthäusern abgewickelt wurde. Dem Preisverfall folgten viele Zivilprozesse, in welchen die Einhaltung der Verträge eingeklagt wurde. Am Ende wurden alle Prozesse durch ein staatliches Dekret mit einem Vergleich beendet.



Abbildung 2: Semper Augustus
Quelle: http://tr.wikipedia.org/wiki/Vikipedi:Seçkin_resimler





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