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China in Gefahr - Interview mit dem Buchautor William Engdahl

01.03.2014  |  Jan Kneist
China wird als kommende Weltmacht angesehen. Während der letzten 30 Jahre hat es sich von einem unterentwickelten Land hin zu einem Energiebündel entwickelt und es schickt sich an, die Regeln im laufenden Jahrhundert zu machen. Aber die "alte" Supermacht USA wird die Spitzenposition nicht freiwillig räumen. Diese Spitzenposition, zusammen mit dem Petro-Dollar und dem US Militär sind Besitzstände, die die USA mit allen Mitteln verteidigen werden. Welche Mittel sie nutzen, erklärt uns der international anerkannte Autor William Engdahl in seinem neuen Buch "China in Gefahr".


Jan Kneist: Herr Engdahl, Sie sind mit Ihrem Buch "Mit der Ölwaffe zur Weltmacht" und anderen Werken zur US Geopolitik und Themen, die viele Menschen bewegen, z.B. gentechnisch veränderte Nahrungsmittel und Fiat-Geld, bekannt geworden. Bevor wir uns Ihrem aktuellen Buch widmen, geben Sie uns bitte eine kurze Zusammenfassung über Ihren Hintergrund und die treibende Kraft, die Sie zur Publikation solcher Bücher veranlassen.

William Engdahl: Ich bin in den USA in den 1950er Jahren bis in die 70er aufgewachsen und habe damals an der Princeton University, einer sogenannten "Eliteuniversität" studiert. Es war während des Vietnamkrieges und den Anschlägen auf die Kennedy-Brüder, Martin Luther King und andere, als ich meine lebenslange Reise hin zu Erklärungen, warum solch scheinbar irren Ereignisse stattfinden, begann. Ich verließ die USA Anfang der 1970er, um in Stockholm Internationale Wirtschaft zu studieren und mein eigenes Land aus der Perspektive eines anderen Landes wahrzunehmen. Das war außerordentlich wertvoll.

Nach meiner Rückkehr nach New York arbeitete ich ungefähr 10 Jahre als freier Journalist und schrieb damals über die Ölschocks der 1970er. Dann wurde ich von den sogenannten "Sieben Schwestern", Ölgiganten, in den Bann gezogen, ja war fast besessen davon, ihre enorme Macht zu untersuchen. Fünf sind US-amerikanisch und zwei britisch. Heute sind durch Fusionen nur noch vier Schwestern übrig geblieben und sie haben mehr Macht als gewählte Regierungen, sogar die der USA.

Ich bin dann Mitte der 1980er Jahre nach Deutschland umgezogen und arbeitete als Herausgeber eines kleinen Magazins und begann ein Buch über Geopolitik von Öl zu schreiben, das ein internationaler Bestseller wurde und, wie ich glaube, bis jetzt in 13 Sprachen übersetzt wurde. "Mit der Ölwaffe zur Weltmacht" verfolgte die Ölmacht der anglo-amerikanischen "Schwestern" von der Bagdad-Bahn vor dem 1. Weltkrieg bis zum Irak-Krieg.

Eins führte zum anderen und etliche Jahre später habe ich den jetzt berühmten Spruch von Henry Kissinger genutzt: "Wer Öl kontrolliert, kontrolliert ganze Nationen, wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Völker, wer das Geld kontrolliert, kontrolliert die ganze Welt". Ich hatte die Idee, eine Trilogie zu diesen Themen zu schreiben - wer das Öl kontrolliert, war erledigt. Dann also wer unsere Nahrung kontrolliert. Daraus wurde "Saat der Zerstörung: Die dunkle Seite der Gen-Manipulation", worin die Geschichte seit den 1950er Jahren der systematischen Industrialisierung der weltweiten Landwirtschaft, genannt "Agrarbusiness", behandelt wird.

Dort fand ich die gleiche Rockefeller-Familie, die ein Ölkartell geschaffen hatte und das gleiche mit der Nahrung versuchte. Sie finanzierten die Forschung, die dahin führte, daß Monsanto GMO-Techniken patentierte und später das Saatgut. Etwas später, während der Finanzkrise 2007-08, schrieb ich das dritte Buch der Kissinger-Trilogie: "Der Untergang des Dollar-Imperiums: Die verborgene Geschichte des Geldes und die geheime Macht des Money Trusts." Dazwischen schrieb ich einige Bücher über den Mißbrauch der US-Militärmacht nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und zum Mythos von Peak-Oil. Ich habe gerade ein Buch nach "China in Gefahr" über den politischen Islam als Waffe des Krieges zur Zerstörung ganzer Zivilisationen und Kulturen abgeschlossen.

Heutzutage reise ich recht viel, von China nach Rußland, Iran, Türkei und quer durch Europa und gebe Vorträge über Geopolitik und ich berate auch auf Anfrage zu politischen Risiken. Ich bin Gastprofessor für Geopolitik der University of Chemical Technologie in Peking, wo ich Graduierten-Vorträge halte. Seit 28 Jahren lebe ich im Rhein-Main-Gebiet.


Jan Kneist: Vielen Dank für diese Einführung, Herr Engdahl. Ich denke, daß die Anzahl von Autoren, die über Themen schreiben, wie Sie das tun, deutlich ansteigt, weil wir jetzt in einer Situation sind, wo die Mächtigen versuchen, die Reste an Demokratie auf globaler Ebene zu beseitigen. Und was heute noch "Demokratie" genannt wird, ist nur ein westliches (USA) Instrument zur Sicherung bzw. zur Kontrolle von Ressourcen. Demokratie im Sinne von "Volksherrschaft" ist mit Ausnahme der Schweiz längst Vergangenheit. Was meinen Sie dazu?

William Engdahl: Was in den 1970ern unter Präsident Carter begann, war die Privatisierung von wichtigen Regierungsaufgaben hin zu besonderen Interessengruppen und die Deregulierung von Schlüsselindustrien und im Besonderen der Banken. Das hat die Tür für einen- wie ich es nenne -"Banker-Putsch" geöffnet. Zuerst begann es in den 199ern in den USA, als man die Gesetze, die während der Großen Depression der 1930er Jahre zur Einschränkung des Mißbrauchs der Finanzwirtschaft und zum Schutz der Realwirtschaft erlassen worden waren, aufhob. Heute haben, wegen dieser Deregulierung, fünf riesige Wall Street Banken Bilanzen, die größer sind als die BIP´s fast aller Nationen. Das ist außer Kontrolle geratene Macht. Zugleich mit dem Wachstum der Finanzkonzentration fand eine Reduktion der demokratischen Rechte statt.

Das bedeutet, daß in den USA, während der Präsidentschaften von Clinton und Bush, die Banken und militärisch-industriellen Lobbys in der Lage waren, Grenzen für die Wahlfinanzierung aufzuheben, so daß die Präsidenten oder Gesetzgeber traurigerweise einfach von den Großbanken und Unternehmen "gekauft und bezahlt" werden. Gewerkschaften wurden seit der Deregulierung in der Reagan-Ära mehr oder weniger zerschlagen, so daß die Macht der Fortune-500-Unternehmen größer ist als die der gewählten Regierung.

Mussolini nannte das Korporatismus und leider - das ging in den 1980er Jahren in England und den USA unter Thatcher und Reagan los - ist die Reichtumskonzentration des oberen 1% gestiegen, während die Mittelklasse, besonders seit der Krise von 2007-08 fast verschwunden ist. Wenn man die Geschichte ansieht, dann wird man ähnliche Muster finden. Wenn sich Finanzmacht konzentriert und ohne Schranken wächst, dann werden Bürgerrechte und jede Form von Demokratie geopfert. Thomas Jefferson verfaßte 1825 eine Warnung über eine solche Gefahr konzentrierter Geldmacht, die die Freiheiten der Farmer und Handwerker zerstören würde. Er hatte nur allzu recht.


Jan Kneist: Lassen Sie uns jetzt zu Ihrem Buch über China kommen. Viele Leute hier mögen die USA wegen ihrer Politik nicht, aber sie sind auch skeptisch, was China angeht. Warum wäre es Ihrer Ansicht nach wichtig für China und vielleicht für die Welt, daß sich dieses Land zu einer starken und unabhängigen Nation entwickelt? Vielleicht zusammen mit Rußland?

William Engdahl: Als die USA und der Westen die Sowjetunion 1991 zum Zusammenbruch brachten, führten die US Militärindustrie und ihre Verbündeten innerhalb der Regierung, anstatt "Schwerter zu Pflugscharen" zu machen, eine nie dagewesene Ausweitung der Militärausgaben durch. Einige mächtige US Interessengruppen um Präsident G.H.W. Bush entschieden, das politische Vakuum für die globale Kontrolle oder "Full Spectrum Dominance", wie es das Pentagon nannte, zu nutzen.

Wir sahen diesen neuen Trend sich ins neue Jahrtausend hinein beschleunigen. Die NATO, anstatt sich zurückzuziehen, ging nach Afghanistan und versuchte Georgien, die Ukraine und andere Staaten anzulocken. Es wurde mir und anderen klar, daß die Welt eine Art "Gegengewicht" zur "Einzigen Weltmacht", die alles entscheidet (wie eine global agierende Brüsseler EU-Kommission), braucht. Das ist einfach zu viel Machtkonzentration und für niemanden gut, nicht einmal für die US-Bürger, die heute Opfer dieser Konzentration sind.

Da ich mehrfach eingeladen wurde, nach China zu reisen, Leute zu treffen und mir selber ein Bild von den Problemen vor Ort zu und von den Fehlern, die sie begingen, zu machen, begriff ich, daß ein Buch wie "China in Gefahr" geschrieben werden mußte. Nicht nur, damit die Chinesen die subtilen Gefahren ihrer rapiden und verblüffenden Industrialisierung erkennen, sondern auch dafür, daß führende Nationen wie Deutschland und die EU realisieren, wessen sich China gegenübersieht und wie wichtig es für das Gedeihen der EU und unserer Volkswirtschaften ist.




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