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Detlev S. Schlichter: Keynesianischer Wahnsinn: Zentralbanken im Krieg gegen Preisstabilität und Sparer

02.06.2014
Es existiert offenbar eine neue ökonomische Bedrohung. Sie nennt sich “sehr niedrige Inflation” und die Eurozone schwebt, so scheint es, in höchster Gefahr, dieser Bedrohung zum Opfer zu fallen.

“Nach Ansicht der Zentralbanken sind längerfristig niedrige Inflationsquoten - oder gar eine Deflation, also stetig sinkende Preise - problematisch”, so das Wall Street Journal, “denn sie [niedrige Inflationsquoten, Anmerkung Detlev Schlichter] lähmen das Wachstum und erschweren den Staaten, Unternehmen und Verbrauchern die Schuldenrückzahlung.“

Die offiziellen Inflationsquoten der EZB liegen mit 0,7% immer noch im positiven Bereich, also keine Deflation, dennoch ziemlich niedrig.

Inwieweit niedrige Inflation aber das Wachstum lähmt, will mir nicht aufgehen. “Sehr niedrige Inflation” hatte in der Vergangenheit ja auch schon als “Preisstabilität” gegolten und war damals auch viel positiver konnotiert. Damals betrachtete man sie eben noch nicht als Gesundheitsrisiko. Warum sich das so plötzlich änderte, ist mir nicht ganz klar.

Dass niedrige Inflation - oder gar Deflation - mit Rezessionen oder Depressionen in Verbindung steht, lässt sich zumindest durch Statistik, und auf die greifen unsere Marktkommentatoren in der Regel ja gerne zurück, nicht stützen. Dennoch wird fast täglich in der Finanzpresse unterstellt, dass diese Verbindung implizit oder explizit existiere.

In den USA hatte es im Verlauf des 20.Jahrhunderts viele Jahre mit sehr niedriger Inflation und sogar richtiger Deflation gegeben, die allerdings nicht von Rezessionen begleitet waren. In der sich rapide industrialisierenden Welt des 19.Jahrhunderts war “sehr niedrige Inflation” oder stete Deflation sogar die Norm; häufig ging diese Art von Deflation sogar mit Wachstumsraten einher, auf die jedes heutige G8-Land neidisch wäre.

Man möchte eigentlich meinen, dass es ganz natürlich sei, wenn die kapitalistische Ökonomie mit ihrer stetigen Neigung zur Produktivitätssteigerung dauerhafte Deflation hervorbrächte. Sachen werden einfach erschwinglicher.


“Eilmeldung: Niedrige Inflation reißt Konsumenten aus Kauflaune“

Ab welchem Punkt kippt also die vernünftig niedrige Inflation in “sehr niedrige“ Inflation um; wann wird sie also zu einer Gefahr, wie uns der neue Denkstandard nahelegt?

Den Reaktionen auf den UK-Inflationsbericht der Bank of England nach zu urteilen, den Premier Carney letzte Woche vorstellte, und Bezug nehmend auf den Hohn, den die EZB von der Finanzindustrie kassierte (“dumm“ nannte David Tepper von Appaloosa Management die in Frankfurt ansässige Institution nach einer Meldung der FT vom 16.Mai), so muss die Demarkationslinie irgendwo zwischen jenen 1,6% liegen, die Carney verlauten ließ und jenen 0,7%, die Herrn Draghi derart in Verlegenheit bringen.

Häufig wird argumentiert, dass niedrige Inflation oder Deflation dafür sorge, dass die Menschen Käufe aufschöben - den Konsum also herauszögerten. Dieser Logik folgend gehen die Eurozonis nun davon aus, dass eine 1.000 € teure Sache in einem Jahr 1.007 € kosten wird; die eigene Kaufkraft wäre damit aber noch nicht genug bedroht, um gleich loszurennen und JETZT SOFORT einzukaufen! Ergo: niedergeschlagene Wirtschaftsaktivität.

Die Briten hingegen dürfen mit gutem Grund davon ausgehen, dass eine 1.000 £ teure Sache in einem Jahr schon 1.016 £ kosten wird; und das wäre schon ein überzeugenderes Motiv, so könnte man meinen, gleich heute zu konsumieren.

Nun sind die Briten sogar so daran interessiert, den anstehenden 2% igen Preiserhöhungen zu entkommen, dass sie jetzt wieder zusätzliche Schulden aufnehmen und zudem erhebliche Zinskosten in Kauf nehmen, nur um im Hier und Jetzt zu kaufen.

“Die Briten sind wieder kreditfreundlicher”, schreibt uns Anne Pettifor im Guardian: “Allein im März stieg die Verbraucherkreditaufnahme um 1,1 Mrd. £. Die Kreditkartenschulden beliefen sich im März 2014 auf insgesamt 56,9 Mrd. £. Die durchschnittliche Verzinsung von Kreditkartenschulden […] [liegt] bei 16,86%.“ Großbritannien ist, wie uns Ms. Pettifor in Erinnerung ruft, die am stärksten verschuldete Nation der Welt.




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