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Interview mit Eugen Weinberg: "Knappheit am Silbermarkt sehr gut möglich"

06.04.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
V.R.: Guten Tag Herr Weinberg. Vielen Dank, das Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben. Da wir uns ja hier auf einem Silberseminar befinden, liegt eine Frage zur weiteren Entwicklung des Weißmetalls nahe. Sie haben im August 2005 eine umfassende Silberstudie im Namen der DZ-Bank veröffentlicht, in der sie für das Jahr 2006 eine Gold-Silber-Preis-Ratio bei 50 und einen Silberpreis bei 10 USD prognostizierten. Nachdem diese Prognosen nun bereits zum Jahresbeginn eingetretenen sind, würde uns Ihr Ausblick für Silber in den nächsten Monaten interessieren? Werden wir die oft erwähnte massive Korrektur, ausgelöst durch die Commercials bekommen, oder ist die 12-USD-Marke bereits in greifbarer reichweite?

E. Weinberg: Es ist sehr nett, dass Sie meine Prognosen angesprochen haben. Ich bin sehr überrascht, dass sie so schnell eingetroffen sind, ich hätte ursprünglich gedacht, dass sie im Laufe dieses Jahres bzw. am Anfang nächsten Jahres erst eintreten werden. Jedoch ist die Entwicklung, besonders im Hinblick auf die Zulassung des Silber-ETF etwas vorangeschritten, er wird wahrscheinlich früher kommen als ich damit gerechnet habe. Außerdem habe ich den Einfluss der Gold-ETFs auf den Goldpreis unterschätzt, die in den Monaten Dezember und Januar knapp ein Viertel der weltweiten Minenproduktion aufgekauft haben. Meiner Meinung nach werden wir dieses Jahr eine weiter turbulente Aufwärtsbewegung bei Gold und Silber sehen und schlussendlich gegen Jahresende bei Gold die Marke von 600 USD und bei Silber die vielleicht sogar die Marke von 15 US Derreicht werden.


V.R.: Sie haben in dieser Studie als langfristiges Silberpreisziel 20 USD genannt. Auf welchen Zeitraum bezieht sich diese Prognose? Was muss passieren, damit Silber auf 20 USD steigt?

E.W: Ich betrachte sehr gerne das Preisverhältnis zwischen Gold und Silber, das so genannte Gold-Silbe-Preis-Ratio und gehe davon aus, dass sich das Ratio langfristig zwischen 20 und 30 einpendelt. Da ich langfristig von einem Goldpreis 750 USD ausgehe, so nehme ich an, dass wir die Marke von 20 USD bei Silber bereits im nächsten oder übernächsten Jahr erreichen werden. Jedoch könnte ich mir auch durchaus höhere Preise vorstellen. Ich möchte noch nicht 50 USD oder 100 USD in Erwägung ziehen, allerdings muss man berücksichtigen, dass die Marke von 50 USD bereits um das Jahr 1980 erreicht wurde und wir heute von dieser Marke noch 90% entfernet sind, andere Rohstoffe wie Öl oder Kupfer jedoch ihre Höchststände aus den letzen Jahrzehnten bereits überschritten haben.


V.R.: Nun wurde der vieldiskutierte Silber-ETF von Barclays vor wenigen Tagen von der SEC (Securities and Exchange Commission) für den Handel an der Börse zugelassen. Wie bedeutend ist diese Meldung für den Silber-ETF? Sind nun von den US-Behörden noch große Probleme zu erwarten?

E.W: Die SEC hat den ETF zwar nicht zugelassen, sie hat jedoch klar gemacht, dass von ihrer Seite der Zulassung des ETF nichts im Weg steht. Es sollten nun nur noch geringe Zulassungen und Genehmigungen eingeholt werden müssen, daher gehe ich davon aus, dass dieser ETF bereits in drei bis sechs Monaten, spätestens sechs Monaten an der Börse notiert sein wird. Ich glaube, dass wird der entscheide Faktor für den Silbermarkt in den kommenden Monaten, vielleicht sogar Jahren sein, weil dieser ETF die physische Knappheit am Silbermarkt unterstreichen wird. Er wird zeigen wie knapp die verfügbaren überirdischen Bestände tatsächlich sind. Ich glaube zwar, dass sich bereits viele Investoren und Anleger vor der Zulassung des ETF positionieren, vor allem in der Hoffnung dann zu höheren Preisen verkaufen zu können, allerdings glaube ich, dass der ETF immer noch von vielen Menschen unterschätzt wird. Falls dieser ETF tatsächlich kommt und die Lagerbestände wirklich leerkauft dann könnten wir damit rechnen, dass teilweise Silberpreise von bis zu 50 USD bezahlt werden könnten.


V.R.: Wird dieser wirklich zu einem massiven physischen Nachfragesprung und somit zu einer Silberknappheit am physischen Markt führen?

E.W: Ja! Das habe ich bereits versucht zu erklären. Der ETF beabsichtigt bis zu einem Volumen von 130 Millionen Unzen Silber einzukaufen. Berücksichtigt man nun die verfügbaren Lagerbestände, beispielsweise an der COMEX von 110 Millionen, dann kann man tatsächlich mit einer Knappheit rechnen, also dass das Silber wirklich nicht mehr verfügbar und lieferbar ist. Außerdem sind diese 130 Millionen nur ein Zwischenziel. Dies entspricht in heutigen Preise gerade einmal knapp über 1,3 Milliarden US-Dollar. Vergleicht man das nun mit den Gold-ETFs, die knapp ein Jahr nach der Zulassung bereits über ein Volumen von sechs Milliarden US-Dollar erreicht haben, so sollte man damit rechnen, dass die tatsächliche Nachfrage weitaus höher ausfallen sollte als diese 130 Millionen Unzen und die physische Knappheit hat den Marktteilnehmer wirklich bewusst wird.


V.R.: Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, dass die Britische Regierung Zugriff auf das gelagerte Silber fordern könnten, falls es zu einer wirklichen Silber-Squeeze kommen sollte? Wie beurteilen Sie die Tatsache, das die Seriennummern der Barren nicht dezidiert ausgewiesen werden und somit eigentlich nicht nachvollziehbar ist welche Barren dort lagern bzw. ob überhaupt welche gelagert werden?

E.W: Erstens muss ich als Bankanalyst immer damit rechnen, dass die Daten die verfügbar sind auch der Realität entsprechen. Ich glaube nicht, dass sich Barclays in den vergangenen Jahrzehnten als unehrlicher Partner herausgestellt hat und gehe daher davon aus, dass es sich bei diesem Silber um physisch allokiertes Silber handelt. Des Weiteren würde ich bezweifeln, dass ein Staat Zugriff auf das Silber fordern würde, da das Silber in den vergangenen 60 Jahren vollständig demonetisiert wurde, auch in den Köpfen der Leuten, und das führt dazu, dass auch ein Anstieg auf 20 USD oder 50 USD nicht zu einem Zusammenbruch des Systems führen wird, wie beispielsweise ein Goldpreisanstieg von 500 USD auf 10.000 USD. Weil man dem Silber die monetäre Rolle nicht mehr zugesteht, und bei Silber tatsächlich 70% der Nachfrage aus der Industrie stammt im Gegenteil zum Gold, dass immer noch als Währung gehandelt wird.


V.R.: Kürzlich wurde vom größten deutschen Edelmetallhändler verkündet, dass die Wartezeit auf Silberbarren im März ungefähr ein Monat betrug, weil die Produzenten der gestiegenen Nachfrage nicht mehr nachkommen. Wartet die Knappheit im Silbermarkt bereits hinter der nächsten Ecke, oder ist diese Entwicklung nur mit dem kurzfristigen Nachfragesprung auf Grund der ETF-Gerüchte zu begründen?

E.W: Die Nachfrage und das Interesse der Investoren an Silber hat in der letzten Zeit massiv zugenommen. Ob diese Verzögerung bei den Barrenproduzenten tatsächlich schon Knappheit bedeutet würde ich nicht bewerten, es deutet vielmehr darauf hin, dass die Lagerbestände am Standort Deutschland momentan leer sind, und man auf die anderen Lagerstandorte ausweichen muss, beispielsweise Schweiz oder London. Tatsächliche Knappheit ist noch nicht eingetreten, dennoch werte ich diese Verzögerung als ein deutliches Zeichen dafür, dass die Silbernachfrage und die Aufmerksamkeit stark zugenommen hat und rechne auch mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung, was schlussendlich auch zu dieser Knappheit führen könnte.


V.R.: Kommen wir zum gesamten Rohstoffmarkt. Vor wenigen Tagen wurde gemeldet, dass die Versicherungen in Deutschland um eine Genehmigung der Bafin angesucht haben, sich mit Rostoffeninvestments zu diversifizieren. Nun stellen sich viele Anleger sicherlich die Frage, wie so eine Versicherung überhaupt in diesem Markt investieren kann. Treten die Assekuranzen nun wie die Hedgefonds sowohl long als auch short am Markt auf, oder dürfte hier eher ein klassischer "long-only"-Ansatz mit Futures gefahren werden bzw. kommt hier gar eine physische Komponente in Frage? Welche Auswirkung könnte die Veranlagung von Versicherungsgeldern auf den Rohstoffmarkt haben?

E.W: Bis dato durften Versicherungen Rohstoffe nur in einem so genannten Hedgeanteil von bis zu 5% halten. Sollte diese Genehmigung erteilt werden, so sollte dies einen enormen Einfluss auf den Markt haben. Da die Versicherungen nicht von Anfang an über die ausreichende Expertise am Markt verfügen, werden sie zu beginn sicher einen reinen "long-only"-Ansatz fahren und großteils über passiv gemanagte und indexbasierte Produkte in den Markt investieren, beispielsweise Fonds oder Zertifikate. Ein aktives Management seitens der Versicherungen kann ich mir erst nach einigen Jahren vorstellen, wenn diese genügend Know-how gesammelt haben. Die Versicherungen stellen jedoch ein sehr großes Potential für die Rohstoffmärkte dar, so wurden zum Vergleich bisher erst knapp 80 Milliarden USD in passiv gemanagte Rohstofffonds investiert. Stellt man diese Zahl mit dem gesamten verwalteten Volumen des deutschen Versicherungsmarktes in Verhältnis, dann sieht es richtig wie Peanuts aus. Daher könnte ich mir gut vorstellen, dass es einen entscheidenden Einfluss haben könnte.



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