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Geht uns im Juli das Silber aus?

28.05.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
Ein aufmerksamer Leser aus der Schweiz hatte einige Verständnisprobleme mit meiner Argumentation bzgl. dem Open Interest an der COMEX. Daher möchte ich auf diese Thematik nun noch einmal etwas tiefer eingehen.

Für diejenigen unter Ihnen, die den betreffenden Artikel nicht gelesen haben, hier die beanstandende These "Top-Strategie mit Papiersilber!" vom 02.05.2006:

"Dies hat seine Begründung darin, dass der Silberpreis seit Jahrzehnten nur durch massive Leerverkäufe von Papiersilber auf seinem niedrigen Niveau gehalten werden konnte. Blickt man beispielsweise auf das aktuelle Open Interest an der COMEX, so findet man dort per 28.04.2006 Futureskontrakte im Gegenwert von 661 Millionen Unzen Silber, und das an nur einer Börse! ....."


Um auch den nicht Futures-Spezialisten diese Thematik bewusst zu machen, werde ich kurz darauf eingehen was das "Open Interest" eigentlich ist. Futures sind prinzipiell anders als andere Anlagen Nullsummenspiele. Nehmen wir an, es gäbe an der Futuresbörse nur zwei Marktteilnehmer: Hans den Apfelbauern, und Paulchen der gerne Äpfel ist.

Nun möchte sich Paulchen gegen steigende und Hans sich gegen fallende Apfelpreise im Monat Juli absichern. Daher verkauft Hans über die Börse einen Futureskontrakt mit Liefermonat Juli über einen Apfel Klasse „Wurmlos“, Paulchen wiederum erwirbt über die Börse diesen Kontrakt. Paulchen ist also in Äpfeln long und Hans short.

De facto kann aber jeder von beiden den Kontrakt nur kaufen bzw. verkaufen, wenn der andere die Gegenposition einnimmt. Die Gewinne bzw. Verluste des einen sind somit immer automatisch die des Gegenübers. Das Wichtige hieran ist nun jedoch, dass wenn Paulchen seinen Kontrakt vor Fälligkeit nicht glattstellt, Hans zur Lieferung gezwungen ist! Hätte Hans dieses Geschäft nun aber nur zur reinen Spekulation (dh ohne, dass er Äpfel besitzt) abgeschlossen, dann müsste er sich den Apfel vom Markt besorgen.

Genau das ist der Knackpunkt am Silbermarkt! Das von mir beschriebene Open Interest entspricht der Menge Silber, die von den Shortsellern geliefert werden muss, wenn die Counterparts ihre Longpositionen nicht vor Fälligkeit glattstellen! Nun wird natürlich jeder meinen, dass dies zwar einen gewissen Mehraufwand für die Shortseller bedeuten würde, aber dies ja nicht gleich den Weltuntergang darstellen muss. Schließlich müssten sie nur die Ware am Markt beschaffen und es bedeutet außerdem nicht automatisch, dass die Shortseller mit ihren Positionen einen Verlust erzielen.

Aber genau hierbei liegt der Denkfehler der meisten Investoren, denn es gibt zumindest (!) in brauchbarer Form (Barren) gar nicht so viel Silber wie an der COMEX leerverkauft wurde! Auf Grund dieser Tatsache, würde im oben beschriebenen Szenario eine (zumindest) kurzfristige Knappheit von Silber am Kassamarkt auftreten, was in der Folge zu einem relativen Kursanstieg der Kassapreise im Vergleich zum Futurespreis führen würde.

Diese Preisdifferenz resultiert dann ganz einfach daraus, dass die Shortseller unbedingt das physische Silber zur Lieferung brauchen, aber die Halter der Futureskontrakte auf Grund der Eigenschaft des Termingeschäfts eher Angst haben müssen, dass die Shortseller kein Silber bekommen und es somit zu einem Lieferausfall kommt!

In der Folge werde ich nun versuchen mit ein paar Statistiken aufzuzeigen wie einfach es zu diesem Lieferausfall kommen könnte. Zunächst werfen wir einen Blick auf das aktuelle Open Interest des Silberfutures an der COMEX per 26. Mai 2006:

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Man kann sehr gut erkennen, dass sich der Großteil am vorderen Ende befindet, so befindet sich fast 52% des gesamten Open Interest allein im übernächsten Liefermonat Juli.

Dies ist sehr ausschlaggebend, da diese asymmetrische Verteilung über die Laufzeit genau die Gefahr in sich trägt, welche ich beschrieben habe. Denn somit müssten die Counterparts dieser Shortseller im Juli-Kontrakt nur 1,5 Monate ihre Kontrakte halten um den Supergau herbeizuführen.

Nun aber zum Interessanteren Teil, dem zur Deckung zur Verfügung stehenden physischen Silber:

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Die Grafik zeigt das Open Interest an der COMEX im Vergleich zu den Lagerbeständen der COMEX-Lagerhäuser. Dieser Vergleich ist deswegen so wichtig, weil diese Lagerhäuser Silber in der Standardlieferspezifikation enthalten; schließlich kann man die Futures ja nicht einfach mit Omas Silberteekanne einlösen, sondern mit der vereinbarten Qualität (akzeptiert wird Silber von mindestens 999er Feinheit, in einzelnen Barren zu je 1000 oder 1.100 Unzen (+/- 6%), jeweils mit gültiger Seriennummer und Stempel des Verarbeiters von einem von der Börse lizenzierten Lager bzw. Depot.)



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