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Interview mit Folker Hellmeyer: "Edelmetalle in jedes Depot!"

20.02.2007  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
Folker Hellmeyer (Jahrgang 1961) begann seine Laufbahn 1984 als Devisenhändler bei der Deutschen Bank in Hamburg und London. Seit 1995 arbeitet der gelernte Bankfachwirt bei der Helaba in Frankfurt, seit dem April 2002 ist er Chefanalyst bei der Bremer Landesbank. Folker Hellmeyer ist darüberhinaus gern gesehener Gast in finanzorientierten Fernsehsendungen und Talkrunden, z.B. bei n-tv oder Bloomberg TV.


V.R.: Seit unserem letzten Interview ist nun über ein Jahr vergangen, der Goldpreis ist, wie von Ihnen prognostiziert, massiv angestiegen und erreichte in der Spitze 730,00 USD. Auch aktuell gibt es wieder einiges an Diskussionsstoff zur Lage der Weltwirtschaft. Wie schätzen Sie die Lage der US-Wirtschaft ein, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass sich die als Rezessionsindikator geltende inverse Zinsstruktur wieder abgeflacht hat?

Folker Hellmeyer: Das Rezessionsgespenst ist bezüglich der USA nicht vom Tisch. Wir leben in den USA mit einer gesplitteten Konjunkturlage. So haben wir im Bereich des Immobilienmarktes, sowie im Sektor des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes eine rezessive Entwicklung. Letzteres ist kürzlich mit dem ISM-Index unter der kritischen Marke von 50, was Kontraktion in diesem Bereich signalisiert, bestätigt worden.

Wir sind auf der anderen Seite im Dienstleistungsbereich mit einer noch, ich betone noch, stabilen Gesamtsituation konfrontiert, genauso wie im Bereich des privaten Konsums. Dort ist im Jahresverlauf 2006 zwar eine Abnahme des Wachstums erkennbar, noch liegt hier jedoch Wachstum vor.

Prinzipiell sehe ich die USA weiterhin auf einem Trend zu einem sehr, sehr flachen Wachstum, bedingt dadurch, dass die privaten Haushalte in ihren Finanzierungsmöglichkeiten nahezu erschöpft sind. Der US-Konjunkturoptimismus, den wir derzeit bei vielen meiner Kollegen sehen, ist in meinen Augen unangebracht. Die zuletzt teilweise positiv überraschenden US-Konjunkturdaten sind dem historisch milden Wetter in den USA geschuldet, sie sind nicht Ausdruck einer Konjunkturwende.

Viele meiner Kollegen erwarten, dass die Anpassung am US-Wohnimmobilienmarkt weitestgehend abgeschlossen ist. Das ist meines Erachtens nicht der Fall. Das ist unter anderem daran erkennbar, dass der Leerstand bei Wohnimmobilien in den USA mit 2,7% auf den höchsten Stand in der Geschichte angestiegen ist. Bei vermieteten Immobilien liegt er bei 9,8%. Das bedeutet, dass mit dieser prägnanten Anomalie, die wir hier unter langfristigen
Gesichtspunkten haben, die Anpassungsprozesse am Wohnimmobilienmarkt bestenfalls zu einem Drittel abgeschlossen sind. Zwei Drittel warten also noch auf uns. Das hat markante Implikationen für die US-Konsumenten und für die Immobilienbesitzer.

Insofern ist das Goldlöckchenszenario, das wir derzeit am Markt bezüglich der Lage in den USA spielen und das vollständig am Bond-, Aktien- und Devisenmarkt, aber auch bei den Edelmetallen diskontiert ist, als in höchstem Maße ambitioniert anzusehen! Das Überraschungspotential bezüglich der Erwartungshaltung des Mainstreams hinsichtlich des unterstellten US-Konjunkturverlaufs im Jahr 2007 ist erheblich. Ich rechne daher mit entsprechenden Anpassungsprozessen an den Finanzmärkten und auch beim
Goldpreis.


V.R.: Im vergangen Jahr hat man bzgl. des Themas der Inflation so einiges erlebt. Unter anderem wurde von den USA die Veröffentlichung der Geldmenge M3 eingestellt. Die Entwicklung an den Finanzmärkten deutet seitdem darauf hin, dass der Markt von Liquidität nicht gerade verschont wird. Gleichzeitig sehen wir durch die Korrektur des Ölpreises rückläufige Inflationsraten. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der so genannten "realen" Inflation in den USA, insbesondere eine mögliche reale Entwertung der Immobilienpreise?

F.H.: Fakt ist, die Liquiditätslage ist üppig in den USA. Sie wird unter anderem von Seiten der Fed großzügig gestaltet. Ich erwarte, dass die realen US-Löhne in einer Durchschnittsbetrachtung, vor allem mittel- und langfristig, nicht wesentlich steigen werden. Die Globalisierung wirkt unverändert deflationär über Arbeitsplatz- und Produktionsstättenverlagerung. Das liefert dauerhaft keinen Raum für eine Machtverschiebung zu Gunsten der Arbeitnehmer, die angemessene Lohnsteigerungen zulässt.

Es wird am Wohnimmobilienmarkt unter anderem aus zuletzt genannten Grund nicht zu einer Anpassung über die Inflation kommen. Die Kontraktion dort wird viel größere Auswirkungen haben, als derzeit noch unterstellt wird.

Zurück zu Geldmenge, Zinsentwicklung und M3. M3 wird angeblich aus Spargründen nicht mehr veröffentlicht. Es gibt einige Fachleute, die Berechnungen über M3 anstellen. Laut deren Berechnungen liegt der Anstieg von M3 zuletzt bei 10 bis 11%. Dieser Geldmengenanstieg wirkt sich jedoch primär an den Finanzmärkten inflationierend aus. Bekanntermaßen spielt diese Inflationierung für den Offenmarktausschuss keine Besorgnis erregende Rolle. Im Gegenteil drängt sich der Eindruck in den vergangenen Jahren auf, dass diese Inflationierung oder auch Subvention an den Finanzund auch am Wohnimmobilienmarkt durchaus gewollt war.

Fakt ist, dass Amerika eine Volkswirtschaft ist, die von der Bewertung von Vermögensgegenständen abhängig ist. Auch Bill Gross von Pimco hat dieses Thema in seinen Februarkommentar 2007 aufgenommen. Etwas, das ich bereits seit zwei Jahren postuliere, nämlich, dass in den USA die Wirtschaft von hinten aufgezäumt wird: Die Bewertung von Vermögensgegenständen bestimmt die Entwicklung der US-Wirtschaft. Klassisch gilt jedoch, die Entwicklung der Wirtschaft bestimmt die Bewertung der Preise der Aktiva! Man wird in den USA voraussichtlich weiterhin diesen Weg gehen, die Anlagemärkte zu stabilisieren, also dort auch ein politisches Preisniveau einzuziehen. Dies ist im Immobilienmarkt jedoch ungleich schwieriger zu realisieren, als beispielsweise an den Aktien- und Bondmärkten.

Insofern ist es bei der Stabilisierung des US-Wohnimmobilienmarktes weitaus unwahrscheinlicher, dass die Politik der Fed und der US-Administration von Erfolg gekrönt sein wird. Ich sehe hier weiterhin Anpassungsprozesse, es sei denn, es käme zu einer massiven Senkung des US-Zinsniveaus.

Wir haben erst ein Drittel des Anpassungsprozesses hinter uns und das Jahr 2007 wird im weiteren Verlauf von entsprechenden Anpassungsprozessen geprägt sein. Das aktuelle Goldlöckchenszenario beruht lediglich darauf, dass wir einen sehr, sehr milden Winter in den USA haben. Durch die saisonalen Bereinigungskomponenten bei den Wirtschaftsdaten wird die Lage zu rosig gefärbt. Die aktuellen Daten vom US-Arbeitsmarkt belegen das eindrucksvoll. Der Januar war kälter und die US-Arbeitsmarktdaten haben mit 111.000 deutlich enttäuscht. Im November und Dezember waren die US-Arbeitsmarktdaten dank der äußerst milden Witterungsbedingungen überproportional gut.




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