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Inflation auf dem Vormarsch: Gegenseitige Schuldzuweisungen

14.11.2021  |  Claudio Grass
Nach Monaten, in denen die Inflation offen geleugnet wurde und man mit Nachdruck darauf beharrte, dass Inflation kein Problem sei und dies auch künftig nicht sein werde, sind Zentralbanker in den USA, der EU und anderen Industrieländern nun gezwungen, der Realität sowie den Konsequenzen ihres eigenen Handelns ins Auge zu blicken. Anstatt dies jedoch zu tun, haben sie sich mit ihren Kollegen aus der Politik verbündet und gemeinsam eine Kampagne gestartet, die Schuld zu vertuschen und von sich zu weisen sowie der Verantwortung komplett zu entgehen.

Seit Monaten verzeichneten die Preise von grundlegenden Gütern und Grundnahrungsmitteln starke Zunahmen. Die Haushalte in den meisten großen Wirtschaften spüren den zunehmenden Druck auf ihren Budgets. Von den Lebensmittelpreisen hin zu steigenden Benzinkosten – die Beweise sind offensichtlich und man muss kein Volkswirtschaftler sein, um zu verstehen, was gerade vor sich geht. Inzwischen ist auch dem durchschnittlichen Bürger und Steuerzahler klar, dass sich die Inflation, entgegen der Versicherungen ihrer politischen und institutionellen Machthaber, etabliert hat und bleiben wird. Wer dafür jedoch die Schuld trägt, ist eine deutlich undurchsichtigere und komplexere Frage.

Würde man die Erklärungen der Politiker und Zentralbanker für bare Münze nehmen, würde man annehmen, dass der Inflationsdruck, den wir derzeit erleben, das direkte Verschulden der Marktteilnehmer selbst ist. Die präzedenzlosen Exzesse der Fiskal- und Geldpolitik, die wir in den letzten eineinhalb Jahren beobachten konnten, haben damit absolut nichts zu tun.

Stattdessen ist dies alles der Gier der Angebotsseite, genauer den ausbeuterischen Profit-Instinkten der bösen Kapitalisten, und dem kindischen Verhalten der Nachfrageseite, d. h. der Unfähigkeit des durchschnittlichen Verbrauchers, das eigene Geld zu verwalten und der Versuchung zu widerstehen, alles auf einmal auszugeben, zu verdanken. Das ist die Kernaussage des Narrativs, das hochrangige Vertreter der Fed, der EZB und aller anderen wichtigen Zentralbanken vorantreiben, und es ist eine Erklärung, die auch vom politischen Establishment enthusiastisch unterstützt wird.

Diese Reaktion ist aus politischer Sicht durchaus verständlich. Für die Zentralbanker ist es essentiell, einer anderen Partei die Schuld zuzuweisen, um nicht jedwede Glaubwürdigkeit zu verlieren. Denn schließlich bestanden sie vor einigen Monaten noch darauf, dass die Inflation praktisch nicht existierte, oder einfach nur "temporär" sei; und jeder, der besorgt darum war, dass massive Gelddruckerei letztlich zu höheren Preisen führen könnte, galt als ignoranter Panikmacher.

Die Gründe der politischen Klasse, dieses Narrativ zu übernehmen, sind sogar noch offensichtlicher: In der westlichen Geschichte findet man kaum ein Staatsoberhaupt, das eine Zeitspanne der Inflation politisch überstanden hat. Das Letzte, was eine Regierung möchte, ist als diejenige in Erinnerung zu bleiben, die eine Flutwelle der Inflation einläutet, die das zerstören wird, was von der realen Wirtschaft noch übrig ist, nachdem bereits Schaden durch Lockdowns und erzwungene Shutdowns angerichtet wurde.

Doch ungeachtet dessen, was sich Zentralbanker als Wahrheit wünschen und der Version der Ereignisse, die sie versuchen, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, bleibt die Natur der Realität unverändert. Die grundlegenden Prinzipien von Ursache und Wirkung, grundlegende Wirtschaftsgesetze und gesunder Menschenverstand stehen allesamt in starkem Kontrast zum aktuellen Mainstreamnarrativ. Inflation tritt auf, wenn es einen deutlichen Anstieg der Geldmenge im Verhältnis zu den Gütern gibt.

So einfach ist das; so war das schon immer und so wird es auch immer sein. Jeder historische Fall von Inflation und Hyperinflation ging mit Zunahmen der Geldmenge einher und diesmal ist es nicht anders. Wenn überhaupt, dann ist die Inflationsära, die nun beginnt, angesichts der außergewöhnlichen Interventionen, der scheinbar endlosen Gelddruckerei und der von der MMT inspirierten Ausgabegelage, die wir während der COVID-Krise beobachten konnten, ein perfektes Beispiel für dieses Phänomen. Und wenn hieran etwas überraschend ist, dann die Tatsache, dass dieses Szenario nicht schon früher eingetreten ist.

Natürlich war denjenigen von uns, die diesen Sektor schon lange Zeit im Blick haben, lange vor dem Ausbruch des Virus bewusst, dass sich der Inflationsdruck seit Jahren aufbaut. Er hat sich nicht erst im Preis eines Liters Milch oder einer vervierfachten Stromrechnung manifestiert. Er hat jedoch die Assetpreise auf absurde Niveaus befördert und total wertlose Unternehmen auf Niveaus gebracht, die einfach keinen Sinn ergeben haben. Diesmal wird die Inflation jedoch einen sehr viel deutlicheren und folgenschwereren Effekt haben.

Abgesehen von den offensichtlichen, direkten Auswirkungen auf die Finanzen des durchschnittlichen Bürgers, besteht auch das Potenzial, dass eine weitreichendere politische und gesellschaftliche Wende ausgelöst wird. Im Nachgang der COVID-Krise, der unvorstellbaren Zerstörung der Wirtschaft aufgrund verschiedener "Eindämmungsmaßnahmen" und der soziopolitischen Spaltung, die in den meisten Gesellschaften verursacht wurden, ist das Vertrauen der Öffentlichkeit bereits stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Kommen umfangreiche und anhaltende finanzielle Probleme zu dieser Situation hinzu, könnte das ernsthafte Konsequenzen haben. Das ist vor allem für Goldinvestoren relevant. Zu sehen, dass sich die Inflation etabliert, war für diejenigen, die physisches Gold hielten und sich der unausweichlichen Konsequenzen fiskal- und geldpolitischer Leichtsinnigkeit bewusst waren, kaum überraschend. Physische Edelmetalle sind natürlich die beste Möglichkeit, um sich gegen die schwindende Kaufkraft des Fiatgeldes abzusichern. Doch sie stellen auch extrem verlässliche sichere Häfen dar, wenn umfassende Unsicherheit und Unruhen herrschen, ähnlich wie wir es bald erleben dürften.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Dieser Artikel wurde am 06.11.2021 auf www.proaurum.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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