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Des Kaisers Neue Kleider

06.10.2004  |  Axel Merk
In meinem Bericht vom 12. August 2004 hatte ich ein relativ trübes Bild gezeichnet; dabei bin ich so begeistert wie schon lange nicht mehr von einer Reihe von Investitionen. Einige von ihnen klingen langweilig - wie das Halten von Euro für Europäer. Andere Ideen sind da schon spannender, wie Euro für US Investoren, Edelmetalle oder vereinzelte Firmen in den USA oder Europa. Der Tenor ist jedoch der gleiche: grosse Chancen werden sich anbieten, aber wir müssen geduldig sein. Von Zeit zu Zeit lohnt es sich, auch tiefere Preise zu warten und defensiv zu sein.

"Des Kaisers Neue Kleider" - dieser Titel, da ich keine Geheimnisse enthülle. Immer mehr Bankiers, Geschäftsleute und Politiker verweisen auf das Offensichtliche. Wim Duisenberg (ehem. EZB Chef), Robert Rubin (ehem US Treasury Secretary), Peter Peterson (ehem. Chef New York Fed), Paul Volcker (ehem. Fed Chairman) gehören zu den am meisten respektierten Bankiers, die alle offen von den Risiken der globalen Ungleichgewichte warnen. Es ist keine Frage ob, sondern nur wann Anpassungen stattfinden müssen. Ich habe detailliert über die Nebenwirkungen der derzeitigen Finanzpolitik in verschiedenen Aspekten der Weltwirtschaft gesprochen, und dass wir die Phase gravierender Anpassungen immer schneller ansteuern.

Bush hat gerade ein weiteres Steuersenkungspaket verabschiedet, dieses Mal die Verlängerung diverser Vergünstigungen, ohne gleichzeitig auf der Ausgabenseite Kürzungen vorzunehmen. Greenspan hat sich vehement gegen diese eingesetzt und vor den verheerenden Folgen fiskaler Unvernunft gewarnt. Greenspan kennt unsere Herausforderungen genau, und lässt die Welt von Zeit zu Zeit wissen, dass es nicht seine Schuld ist, falls etwas schief geht.

Der immer mehr an Einfluss gewinnende Federal Reserve Board Governor Ben Bernanke - bekannt dafür, dass er in der Öffentlichkeit gesagt hat, Deflation könne bekämpft werden, indem Geld aus Hubschraubern geworfen werde - hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, indem er alternative Geldpolitikinstrumente erörtert hat. Er hat offen davon gesprochen, wie die Zinskurve (kurz- und langfristige Zinsen) durch Kommunikation kontrollierbar sei. Er war begeistert, wie der Markt auf die Äusserungen der US Fed letztes Jahr reagiert hat, dass die Zinsen für einen "geraumen Zeitraum" tief gehalten werden würden. Kommentare der US Zentralbank Fed haben wenig mit der Realität zu tun, sondern vielmehr damit, wie die Fed will, dass wir die Realität wahrnehmen. Dies ist ein sehr gefährliches Spiel, denn es funktioniert nur so lange wie die Öffentlichkeit vertrauen in die Politik der Fed hat. Wenn Greenspan von einem "soft patch" spricht, hat er Angst, das Kind beim Namen zu nennen, denn er könnte zu einer Rezession beitragen. Stattdessen, wenn man ihm glauben schenkt, sind wir in einer Welt von Wachstum und tiefer Inflation - falls dies nicht stimmt, dann wird es wohl die Schuld des Ölpreises oder der Defizite sein.

Es ist kein Geheimnis, dass Inflation in vielen Teilen der Wirtschaft enorm ist, eben nur nicht im offiziellen Inflationsindex "CPI". Dies ist genau, was die Fed will: wenn der CPI nur langsam wächst, können an den Index gekoppelte Sozialabgaben tief gehalten werden. Gleichzeitig hofft die Fed, dass ein tieferer Dollar helfen wird, die Handelsbilanz zu verbessern; auch ist es die politisch einzig akzeptable Methode, die Kaufkraft von Pensionsgehältern zu kürzen. Die Fed könnte mehr bekommen, als sie es wünscht; einige nennen die Fed bereits den grössten Hedge Fonds aller Zeiten - mit dem wachsenden Einfluss von Bernanke werden wir ganz neue Dimensionen von "Kommunikation" kennenlernen.

Im abgelaufenen Quartal sahen wir einige unserer Vorhersagen verwirklicht. Während der Dollar sich relativ gut hält, so steigen Öl, Gold und andere Rohstoffe; der US Immobilienmarkt hat deutlich an Dampf verloren, die US Wirtschaft verlangsamt sich. In weniger als einem Monat wird in den USA ein neuer Präsident gewählt - keiner der Kandidaten verspricht, mit den Saatsfinanzen vernünftiger umzugehen. Bush verfolgt eine stur eine Gelddruckpolitik. Kerry, auch wenn er vermutlich nicht die Unterstützung des Kongresses haben dürfte, wird einen frischen Wind in die globalen Ungleichgewichte blasen. Auch wenn Bush und Kerry aus verschiedenen Richtungen blasen, können beide leicht einen Sturm auslösen...


© Axel Merk, Merk Investments LLC



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