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Staatschuldenkrise: So sicher wie Subprime?

14.05.2010  |  Peter Schiff
Wenn Amerikaner auf das Chaos in Griechenland schauen, denken die meisten, die Stärke ihrer Währung, die Kreditwürdigkeit ihres Staates und die riesigen Weiten zweier Ozeane würden schon verhindern, dass sich ähnlich Szenen auch auf unseren Straßen abspielen. Ich glaube, dieser "Schutz" ist illusorisch.

Wieder einmal verkennt die überwiegende Mehrheit, dass sich gerade eine Krise anbahnt - auch wenn sie ihnen schon direkt ins Gesicht starrt. So wie uns schon 2007 Marktbeobachter erklärten, die Kreditkrise beschränke sich nur auf den Markt für Subprime-Hypotheken, so erklären uns die heutigen Analysten, die Staatsschuldenproblem beschränken sich nur auf Griechenland, Spanien, Portugal und vielleicht Italien. Sie lagen damals falsch und ich glaube, sie liegen auch heute falsch.

Während des Immobilien-Booms machten Subprime- und Prime-Kreditnehmer teils dieselben Fehler. Beide Gruppen zahlten zuviel für ihre Häuser, zahlten kaum oder gar nicht an, finanzierten über flexible Hypothekenraten (ARMs) anstatt über fixe und immer wieder ließen sie sich den Wertzuwachs ihrer Immobilien über Refinanzierungen auszahlen. Der Markt sah über die frappierenden Ähnlichkeiten hinweg und konzentrierte sich stattdessen auf den Kreditrisikoindex FICO. Es ist richtig, dass Prime-Kreditnehmer eine bessere Kreditwürdigkeit hatten - aber die faktischen Verluste, die ihnen durch sinkende Hauspreise entstanden, waren nicht weniger verheerend. Als die Wucht sinkender Häuserpreise deutlich zunahm, erreichten auch die Ausfälle bei Prime-Kreditnehmern fast so hohe Stände wie beim Subprime-Haufen.

Als dann die hypothekarisch gesicherten Wertpapiere schlecht wurden, sah es noch nicht so aus, als würden die Probleme vom Subprime-Sektor überspringen und den Rest des Marktes "kontaminieren". Alle Kreditnehmer hatten sich mit derselben Krankheit angesteckt, aber die Symptome zeigten sich nur früher im Subprime-Segment. Selbes gilt auch auf staatlicher Ebene, wo Griechenland die Rolle der Subprime-Kreditnehmer spielt. Obgleich die USA als "Prime-Kreditnehmer" erster Güte gelten, befinden sich unsere Schuldstandsquoten mit Blick auf die Vergangenheit im Krisenbereich und sie sind nicht sehr viel niedriger als die Portugals oder Spaniens. Wenn außerbilanzielle Verpflichtungen und Vorsorgeverpflichtungen korrekt eingerechnet werden, dann ließe sich behaupten, dass unser finanzieller Zustand schlechter ist als der Griechenlands.

Wie Griechenland (und wie Hausbesitzer, die auf flexible Hypothekenraten vertrauten) haben auch wir einen hohen Anteil kurzfristiger Schulden, die anfällig sind für steigende Zinssätze. Der Hauptunterschied ist jedoch, dass Griechenland Kredite in Euro aufnimmt, eine Währung, die sie nicht selbst drucken können, während Amerika Kredite in Dollars aufnimmt, die endlos gedruckt werden können. In Wirklichkeit ist die Unterscheidung aber nicht wirklich substanziell.

Was, wenn Griechenland kein Mitglied der Euro-Zone wäre und sich stattdessen in seiner ehemaligen Währung, der Drachme, verschuldet hätte? Erstens wäre Griechenland, aufgrund seiner Defizitgeschichte, gar nicht in der Lage gewesen, nur annähernd so viele Kredite aufzunehmen, wie geschehen (Sie wären am Ende gar gezwungen gewesen, Kredit in Euros aufzunehmen). Unter diesen Umständen hätten ihnen die Gläubiger viel zögerlicher Kredit gewährt, da auch die Möglichkeit eines deutschen Bailouts nicht gegeben wäre. Hätte Griechenland den Euro nicht zur eigenen Währung gemacht, aber trotzdem in Euro Kredite aufgenommen, stünde es heute vor denselben schwierigen Alternativen - die anderen Euro-Staaten, die um die Integrität ihrer Währung besorgt sind, hätten Griechenland dann aber auch nicht Zuckerbrot oder Peitsche angeboten. Der IWF wäre dann Griechenlands einzig möglicher Retter gewesen.

Viele der Top-Ökonomen behaupten nun, für Griechenland wäre alles viel besser, wenn das Land über seine eigene Währung verfügen könnte. Bei einem solchen Szenario würde Griechenland in der Tat nichts daran hindern, so viele Drachen zu drucken, wie nötig sind. Aber wäre das für Griechenland wirklich die Option, gratis aus den Schulden zu kommen?

Der Hauptgrund, warum die Griechen in den Straßen protestieren: Sie wollen ihre staatlichen Leistungen nicht verlieren und keine Steuererhöhungen, damit die ausländischen Kreditgeber ausgezahlt werden können. Doch auch wenn die Drachmen-Druckpolitik zu Hause in Griechenland wahrscheinlich recht populär ist, könnten die Griechen wirklich damit durchkommen? Bei ihren Gläubigern würden sie die “Zeche prellen“, indem sie sie in einer Währung mit verminderten Wert auszahlen. Gleiches könnte jedoch auch über anständiges Umschulden funktionieren, wobei alle Gläubiger sogenannte "Haircuts" hinnehmen müssten. Bei einer Umschuldung verteilt sich der Schaden gleichmäßig auf jene, die einem "Subprime"-Kreditnehmer dummerweise Geld geliehen hatten.

Bei Inflation würden jedoch nicht nur die Gläubiger zurückstecken müssen. Jeder griechischer Staatsbürger, der Ersparnisse in Drachmen hat, hätte darunter zu leiden. Jeder griechischer Staatsbürger, der sein Einkommen verdient, hätte darunter zu leiden. Sicherlich blieben Sozialleistungen nominal erhalten und die Steuern würden nicht angehoben, aber die reale Kaufkraft wäre dann zerstört. Wenn die Lebenshaltungskosten steigen, so ist der Wertverfall der staatlichen Leistungen genauso real.

Für die Wirtschaft sind die Negativeffekte einer galoppierende Inflation und stark steigender Zinssätze natürlich schlimmer, als die Auswirkungen einer anständigen Umschuldung oder sogar eines kompletten Zahlungsausfalls. Es ist einfach nur verblüffend, wie wenige Ökonomen diese Tatsache verstehen.

Allein der Möglichkeit, dass wir inflationieren können, bedeutet doch nicht, dass wir damit auch den Folgen unseres Handels entkommen können. So oder so muss die Zeche gezahlt werden. Entweder werden die staatlichen Leistungen gekürzt oder der reale Wert dieser Leistungen wird sich verringern. Genaugenommen, weil wir unsere Probleme weginflationieren, drohen sie jetzt umso stärker. Und weil uns keiner zwingt, schwere Entscheidungen zu treffen, machen wir es uns immer wieder einfach.

Wenn sich die Gläubiger letzten Endes entschließen, die Kredite an Amerika einzuschränken, wenn die US-Zinssätze dann drastisch steigen, dann werden wir vor viel schwereren Entscheidungen stehen als heute Griechenland. In Anbetracht der kurzfristigen Fälligkeit unserer Staatsschulden würde ein Anspringen der kurzfristigen Zinssätze entweder zu einem Zahlungsausfall oder zu einer massiven Austeritätspolitik führen. Wenn wir uns für keine der beiden Wege entscheiden und stattdessen die Option Gelddrucken wählen, dann wird es zu einer galoppierenden Inflation kommen, welche zu noch viel stärkeren Sparmaßnahmen führt - stärker als jene, die unsere Führung aufgrund mangelnder Courage nicht durchsetzen wollte. Diejenigen, die glauben, die Zinssätze würden niemals steigen, solange sich die Fed entgegenkommend zeigt oder dass sich Inflation nicht zeigt, solange die Arbeitslosigkeit hoch bleibt, sind einfach nur genauso töricht wie jene, die uns damals versichert hatten, der Hypothekenmarkt wären stabil, da die nationalen Immobilienpreise niemals fallen könnten.

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© Peter Schiff
www.europac.net


Dieser Artikel erschien am 07.05.2010 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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