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Neues Spiel, neues Gold-Glück

15.08.2010  |  Manfred Gburek
Den einen entlockt sie nur ein müdes Lächeln, die anderen veranlasst sie zum Jubeln: die Seitwärtsbewegung an diversen wichtigen Märkten. Die einen glätten die Kursgrafiken von Dax, Dow Jones, Gold und Euro/Dollar und finden sie ganz einfach langweilig, die anderen verdienen sich schon mit den kleinsten Kursausschlägen eine goldene Nase. Die einen, das sind, sagen wir einmal, große und kleine Normalanleger, die anderen wenden High Frequency Trading an, kurz HFT genannt.

Diese anderen sind mit dafür verantwortlich, dass wir an verschiedenen Märkten seit Monaten nicht mehr richtig von der Stelle kommen. Um nur die gerade erwähnten Revue passieren zu lassen: Der Dax pendelt mal über (wie in den vergangenen Tagen), mal unter 6000 Punkten hin und her, ist aber noch weit von früheren Rekorden über 8000 Punkten entfernt. Der Dow Jones versucht die 10.000er Marke zu verteidigen und kann ebenfalls nicht an die Rekorde von einst anknüpfen. Der Goldpreis bewegt sich seit Wochen um 1200 Dollar, ist aber im Gegensatz zu den Börsenindizes aus Deutschland und den USA fast schon wieder in der Nähe früherer Höchstpreise. Und der Euro geht gegenüber dem Dollar nach dem spätestens durch die Griechenland-Krise vom Frühjahr beendeten Höhenflug in immer engere Schwingungen über, nach der jüngsten Erholung und aus Anlass des Techtelmechtels zwischen der Slowakei und Griechenland zur Abwechslung mal wieder abwärts.

HFT-Spieler bedienen sich komplizierter Algorithmen. Das sind von Akademikern ausgetüftelte Rechenverfahren, mit deren Hilfe diese Glücksritter - bildlich gesprochen - Felder abgrasen, auf denen für traditionelle Anlageprofis (Vermögensverwalter und Manager von langfristig orientierten Fonds aller Art) nichts mehr zu holen ist. Das heißt konkret, wer HFT einsetzt, hat seit Ende 2008 nicht daran verdient, dass beispielsweise der Dax aus der Zone bei 4000 Punkten um 50 Prozent gestiegen ist und der Goldpreis bei etwa 750 Dollar um zwischenzeitlich 70 Prozent nach oben gedreht hat, sondern unser HFT-Anleger hat Millionen Mal die Zitterbewegungen hinter dem Komma genutzt und mit einigem Glück in der Summe einen Gewinn erzielt.

Alles nur Spielerei? Von wegen. Wie den Statistiken der Tabb Group zu entnehmen ist, einer auf das Metier spezialisierten Researchfirma, hat HFT seit 2005, als es erst auf einen Anteil von 30 Prozent am gesamten US-Aktienhandel kam, kräftig zugelegt und ist insbesondere seit 2007 geradezu explosionsartig gewachsen: auf 75 Prozent 2009. Die Daten anderer Börsen sind, obwohl noch nicht ganz so ausgeprägt, ähnlich beeindruckend. Und so stellt sich die Frage nach den Konsequenzen, wenn demnächst jeder HFT-Heini ohne Rücksicht auf fundamentale Faktoren mit Aktien, Metallen, Währungen und sonst was hinter dem Komma herumspielen darf, ohne dass die Aufsichtsbehörden etwas dagegen unternehmen können.

Konsequenz Nummer eins: Das Spiel geht so lange weiter, bis ein häufig verwendeter Algorithmus wegen überraschender Ereignisse bei einem HFT-Spieler in Sekundenschnelle zu riesigen Verlusten führt. Konsequenz Nummer zwei: Die Portfolios anderer HFT-Nutzer werden mit in die Tiefe gerissen, weil ihre Algorithmen wegen der neuen Ereignisse auf einmal Verluste statt Gewinne produzieren. Da man Ereignisse und ihre Folgen nicht einfach rückgängig machen kann, ergeben sich die weiteren Konsequenzen wie von selbst: Entweder überlassen die Aufsichtsbehörden die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte, oder sie verbieten HFT. Die zweite Alternative ist zwar möglich, aber ihre Durchsetzung erfordert neben der schwierigen Definition, was alles unter HFT fällt, sehr viel Zeit.

Nun können Sie sich mit Ihrer ganzen Phantasie überraschende Ereignisse ausdenken, von Börsenturbulenzen bis zur Herabstufung weiterer Euro-Länder durch die Ratingagenturen, von Währungsabwertungen bis zu Staatspleiten, von radioaktiven Spätfolgen der Waldbrände in Russland bis zur Beherrschung weiter Teile Pakistans durch die Taliban, die im Zuge der Überschwemmungen mit ihren Hilfspaketen bei der dortigen Bevölkerung punkten. Doch wenn nicht alles täuscht, wird das entscheidende Ereignis keine Überraschung im eigentlichen Sinn sein, sondern schlicht und einfach die bereits viel diskutierte Änderung der Geldpolitik durch die führenden Notenbanken.

Das Überraschungsmoment könnte - neben dem dann nur wenigen Insidern bekannten Zeitpunkt - vor allem darin bestehen, dass es sich um eine international abgestimmte Aktion handeln wird. Also kein einseitiges Vorpreschen der Fed in den USA (wozu in Anbetracht der miesen US-Konjunktur wahrlich kein Anlass besteht), keine Sonderaktion der Europäischen Zentralbank (deren Noch-Präsident Trichet es sich auf seine alten Tage nicht mit Leuten verderben will, die ihn nach seiner Amtszeit gern als Berater hätten) und erst recht keine Querschüsse aus China (wo man sich an das immer größer werdende eigene Gewicht im Rahmen der internationalen Wirtschafts- und Währungspolitik erst noch gewöhnen muss).

Zurzeit laufen zwischen den potenziellen Teilnehmern an der noch abzustimmenden Aktion zwar die Drähte heiß, aber herausgekommen ist nichts. Das heißt, man ist in wesentlichen Punkten uneins, und das, obwohl die Zeit drängt. Das war wohl auch der Grund, warum Fed-Chef Bernanke bei seinem jüngsten offiziellen Auftritt so grimmig geguckt hat. Zumal er in einem Dilemma steckt, dessentwegen ihn sogar seine ärgsten Kritiker bedauern: Lässt er der Geldschwemme weiterhin freien Lauf, kommt das dem Eingeständnis gleich, dass die US-Konjunktur nach wie vor im Argen liegt, und obendrein sinkt das internationale Vertrauen in den Dollar (diesem Thema habe ich meine vorwöchige Kolumne gewidmet). Macht er dagegen eine noch so kleine Andeutung, mit der Geldschwemme sei es bald vorbei, kann er gleich seinen Hut nehmen, weil dann an den Finanzmärkten das Chaos ausbräche.

Der Impuls dazu könnte indes, statt von den Notenbanken, von den HFT-Spielern ausgelöst werden, falls ihre Algorithmen hohe Verluste produzieren sollten. Die Wahrscheinlichkeit dafür erscheint jetzt größer als die, dass die wichtigsten Notenbanken der Welt sich von sich aus über Nacht auf eine international abgestimmte Aktion zur gemeinsamen Regelung der Geldpolitik einigen. Sobald es so weit kommt, werden die Notenbanken allerdings sofort reagieren: Als Erstes mit noch mehr Geld, weil ihnen nichts Besseres einfallen wird. Drei Mal dürfen Sie raten, wo der Goldpreis dann notieren wird - auf jeden Fall viel höher als heute, der kleine Preissprung in der abgelaufenen Woche ist da nur ein Vorbote.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).






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