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Erinnern Sie sich noch an LTCM?

07.11.2010  |  Klaus Singer
LTCM, ausgeschrieben Long-Term Capital Management, war ein Hedge-Fonds. 1994 gegründet, mit zwei Wirtschafts-Nobelpreisträgern als Direktoren, verschwand er vier Jahre später von der Bildfläche. Im Spätsommer 1998 stürzte seine Schieflage die Finanzmärkte in Turbulenzen. Die Fed senkte damals die Leitzinsen kräftig, ein Banken-Konsortium musste den Fonds mit einer Finanzspritze von fast vier Mrd. Dollar stützen.

Vier Mrd. Dollar - das ist in etwa der Betrag, mit dem die Fed nun US-Treasuries kaufen will - Tag für Tag bis Mitte 2011.

So ändern sich die Zeiten.

Die Fed hat am Mittwoch ihr "QE2"-Programm beschlossen, nach dem sie (zunächst) 600 Mrd. Dollar zum Ankauf von US-Staatsanleihen bereitstellen will. Die aus fälligen Papieren einströmende Liquidität soll ebenfalls für neue Käufe eingesetzt werden. Macht in der Summe rund 900 Mrd. Dollar. Das entspricht grob der erwarteten Neuverschuldung der USA. Am Donnerstag hat die Fed gleich schon mal für 4,765 Mrd. Dollar gekauft.

Irgendwo habe ich gelesen, QE2 sei das Ende vom Anfang der Finanzkrise. Das trifft es.

Wie reagierten die Finanzmärkte? So wie seinerzeit bei LTCM mit Kursstürzen? Nein, nach anfänglicher kurzer Irrfahrt wurde nach der FOMC-Sitzung gekauft - fast alles.

Die Aktienkäufer fokussieren die vermeintlichen inflationären Effekte dieser Maßnahme. Die Anleihenkäufer erwarten, dass die Fed weitere Staatsanleihen kauft. Diejenigen, die Gold kaufen, rechnen mit inflationären Effekten und damit, dass entweder der Dollar oder das Finanzsystem (oder beides) einbrechen wird. Anleihekäufer erwarten das Gegenteil und außerdem gerade keine Inflation - zumindest in der Theorie.

Der Dollar-Index ist seit Anfang September von 83 auf 76 gefallen, der Euro ist gegen den Dollar im selben Zeitraum von 1,28 auf 1,41 gestiegen. Mit anderen Worten, der Greenback ist in See gestochen mit Ziel der Länder, wo das Wirtschaftswachstum robust und/oder das Zinsniveau lohnend ist. Das sind die Emerging Markets, aber auch Europa.

Gold ist seit Anfang September von 1240 auf über 1390 Dollar gestiegen. Aktien in Gestalt der S&P500 kletterten um fast 13%. TBonds sind im selben Zeitraum von 134,60 auf 130,60 gefallen, deren Renditen entsprechend von 3,66 auf 4,13% gestiegen. Interessanter sind die 10jährigen, die als wichtiger Benchmark gelten: Sie haben sich in der gleichen Zeit kaum bewegt, nämlich von 2,58 auf 2,54%. Die Fed will ihre Treasury-Käufe auf die Laufzeiten zwischen 2,5 und 10 Jahren fokussieren.

Noch interessanter ist der Verlauf der Rendite der 3-monatigen TBills (IRX): Anfang September stand sie bei 0,13%, aktuell notiert sie bei 0,12%. Anfang September 2008, also unmittelbar vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise, stand der Wert bei 1,65%, noch zwei Jahre früher bei 4,88% (und damit auf "Augenhöhe" zu den Renditen der 10- und der 30-jährigen Treasuries).

Ganz grob besteht zudem ein Zusammenhang zwischen "Krise", welcher Art auch immer, und der Höhe von IRX (siehe Chart!). So lag IRX zum Beispiel am 4. September 2001 bei 3,36%, fiel bis 10. September schon auf 3,18% und notierte am 17. September, als die Börsen nach dem Anschlag auf die Twin-Towers wieder öffneten, bei 2,61%. Apropos "LTCM": Anfang September 1998 lag der IRX bei 4,79%, Mitte Oktober bei 3,6%, danach saht man den Fall LTCM als erledigt an, IRX stieg wieder.

Setzt man IRX in Bezug zu den Leitzinsen, lässt sich ein recht zuverlässiger Krisenindikator so formulieren: Steigt die Differenz Leitzins minus IRX, so ist Vorsicht vor Turbulenzen geboten; fällt sie, steigt IRX sogar über den Leitzins, ist die (Finanz-)Welt in Ordnung. Aktuell ist dieser Indikator "ohne Befund". Er wird täglich auf der Web-Seite unter "Markt" aktualisiert.

Die 3monatigen TBills sind als Cash-Parkplatz mit einer Rendite nahe Null der beste Beweis dafür, dass sich die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle befindet.

Bernanke & Co sind angetreten, die Inflation anzuheizen. Die Aussichten, dass ihnen das mit QE2 oder mit QE3 oder QE4 oder ... gelingt, sind gering. Ich habe die Argumente im Artikel "QE2 ohne nachhaltigen Inflationseffekt" (www.timepatternanalysis.de) zusammengefasst.

Ich hatte (vielleicht ein wenig naiv) der Fed originellere und konstruktivere Ideen zugetraut. Blöd sind die Leute trotzdem nicht, aber ihre realwirtschaftlich unproduktive Klientel-Politik zugunsten des Finanzsektors kann deutlicher nun nicht mehr zutage treten.

Der Liquiditätsfalle kann man durch eine solche Politik nicht entkommen - siehe Japan der 1990er Jahre (bis heute). Vielleicht sollte man es mal mit Zinssteigerungen probieren...




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