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Goldene Geheimnisse

29.05.2011  |  Manfred Gburek
In letzter Zeit häufen sich seltsame Meldungen über die Goldreserven Griechenlands und Portugals, so, als seien Rechercheure in die Schatzkammern der Euro-Sünder vorgedrungen, um die dort womöglich lagernden Tonnen des Edelmetalls zu inspizieren. Stellvertretend hierfür sei ein schon am 3. Mai in Spiegel Online erschienenes Zitat wiedergegeben: "Gleichzeitig erregt ein Artikel in der britischen 'Times' Aufsehen. Demnach sitzt die Regierung in Lissabon auf gewaltigen Goldreserven, macht jedoch keine Anstalten, diese zu verkaufen - trotz Hilfskrediten, hoher Schulden und ungeachtet des enorm hohen Goldpreises. Gut 382,5 Tonnen Gold horte Portugals Regierung, berichtet die 'Times'.Geschätzter Wert: rund 20,7 Milliarden Dollar."

Geht es vielleicht noch dicker? Es geht: "Angehäuft hat das Edelmetall der Diktator António de Oliveira Salazar: Er schichtete einen Teil der Staatseinnahmen in Gold um, vor allem zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Damals soll der Diktator auch Gold von den Nazis geliefert bekommen haben." Au Backe.

Also hineingeschaut in die Statistiken des World Gold Council (Internet: www.gold.org, nach vorheriger Anmeldung von jedermann/frau einsehbar). Danach hatte Portugal die eigenen Goldreserven zwischen 1935 und 1940 in der Tat von 60 auf 82 Tonnen aufgestockt. Später gab es halbwegs verlässliche Statistiken erst wieder ab 1950. Die wiesen da schon viel, viel mehr aus als ein Jahrzehnt zuvor: beginnend mit zunächst 171 Tonnen 1950, die bis 1974 auf den Spitzenwert von 866 Tonnen aufgestockt wurden. In den Jahrzehnten danach schmolz der Schatz langsam dahin, bis er schließlich 2006 mit 382,6 Tonnen praktisch das aktuelle Niveau erreichte. Ein Teil der portugiesischen Verkäufe ging übrigens auf das 1999 beschlossene, später verlängerte sog. Washington Agreement zurück, demzufolge Goldverkäufe von Zentralbanken begrenzt wurden.

Vergleicht man die veröffentlichten Daten mit der Berichterstattung in Spiegel Online und Times, stellt sich unweigerlich die Frage: Warum müssen angesichts der im Vergleich zur Zeit während des Zweiten Weltkriegs viel höheren Tonnenzahlen in den Jahrzehnten danach gleich ein Ex-Diktator und das Nazi-Gold herhalten, um den reißerischen Schmu einiger Journalisten zu rechtfertigen? Wahrscheinlich, weil für viele Journalisten Gold in erster Linie als Mythos gilt (wogegen im Prinzip ja nichts einzuwenden ist), der ihre Gedanken aber so durcheinander bringt und in Phantasien ausarten lässt, dass sie darüber wichtige Eigenschaften und Funktionen des Edelmetalls vergessen, zum Beispiel: Zentralbankreserven, internationale Liquidität, Schutz vor Papiergeldentwertung - um nur drei wichtige zu nennen. An dieser Stelle empfehle ich Ihnen nach langer Zeit wieder einmal das 1985 erschienene Buch "Raubgold aus Deutschland" von Werner Rings, der das Thema Nazi-Gold penibel recherchiert und die Ergebnisse seiner Recherchen im Gegensatz zu vielen anderen Autoren angenehm unaufgeregt wiedergegeben hat. Aus dem Buch lernt man nebenbei sehr viel über die Rolle des Goldes in Krisen- und Kriegszeiten.

Die englischsprachige Internetseite des World Gold Council dürfte in den kommenden Monaten zu einer besonders spannenden Lektüre werden, vor allem, wenn Sie die Rubrik "World Official Gold Holdings" anklicken. Dort finden Sie ja nicht allein die Tonnen Gold von über hundert Ländern, sondern auch die Goldreserven in Prozent der Summe aus Gold- und Währungsreserven. Demnach hält Portugal jetzt im Mai 81 Prozent der gesamten Reserven in Gold, Griechenland 79,8 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland 70,8 Prozent.

Warum die Lektüre spannend zu werden verspricht, haben wir zuletzt im Fall Mexiko erlebt: Das zusammen mit den USA und Kanada die nordamerikanische Freihandelszone Nafta bildende Land hat doch tatsächlich gewagt, die USA mit einem großen Goldkauf zu provozieren: 93,3 Tonnen, nachdem das Land im April erst bescheidene 6,9 Tonnen ausgewiesen hatte. Damit katapultierte Mexiko sich auf einen Schlag vom 69. auf den 33. Platz der offiziellen Goldbesitzer und erhöhte den Goldanteil der Reserven von mickrigen 0,2 Prozent auf ein Vielfaches.

Warum man bei der Interpretation von Goldstatistiken indes Vorsicht walten lassen sollte, zeigt das Beispiel China: Das inzwischen mit Abstand führende Goldförderland der Welt wies beispielsweise noch Ende 2006 einen für seine Größe und internationale Bedeutung nicht gerade üppigen offiziellen Goldbesitz von 600 Tonnen aus, entsprechend 1,2 Prozent der gesamten Reserven. Daraus wurden später 1054,1 Tonnen, die auch heute immer noch in den Statistiken auftauchen. Die Differenz von gut 454 Tonnen ist so zu erklären: China gab erst im April 2009 bekannt, diese Menge von 2003 bis 2009 gekauft zu haben.

Die Bekanntgabe fiel vom Zeitpunkt her etwa mit dem Appell der chinesischen Regierung an die Bevölkerung zusammen, Gold zu kaufen - was die Chinesen sich nicht zwei Mal sagen ließen. Der Appell ist so zu verstehen: Chinas Währungsreserven bestehen zum weit überwiegenden Teil aus US-Dollar, während der Goldanteil offiziell nur 1,6 Prozent beträgt. Da China mit den USA weiterhin wirtschaftlich eng verbunden ist und Exportüberschüsse erzielt, fließen immer höhere Dollarbeträge ins Land.

Um dafür ein Gegengewicht aufzubauen, ohne die USA mit hohen offiziellen Goldkäufen - sozusagen als Misstrauen in den Dollar - zu provozieren, verfiel Chinas Regierung auf den Trick, mehr Gold über die eigene Bevölkerung ins Land zu holen. Insofern mögen auch zukünftig 1054,1 oder alternativ irgendwelche anderen - gemessen an der chinesischen Wirtschaftskraft bescheidenen - Tonnen in der Statistik stehen, ihre Aussagekraft wird in diesem speziellen Fall gering bleiben.

Derweil stocken die Chinesen ihre privaten Goldbestände weiter kräftig auf, während die staatlichen Fremdwährungsreserven des Landes einen Rekord nach dem anderen brechen. Im ersten Quartal dieses Jahres haben sie die Grenze von 3 Billionen Dollar überschritten, überwiegend in der US-Währung angelegt. Davon soll jetzt immer mehr den chinesischen Staatsfonds zugute kommen, damit diese größere strategische Investitionen rund um den Globus vornehmen, Schwerpunkt Rohstoffe aller Art. Wie viel von den Billionen in Gold abgezweigt werden soll, wird geheim gehalten. Der Phantasie sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Und wie schon im April 2009, werden wir auch zukünftig erst im Nachhinein erfahren, wie hoch die offiziellen Goldreserven Chinas gerade aufgestockt werden.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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