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Interview mit Asienexperte: Asiatische Märkte und kommende Deflation in China (2/2)

21.02.2014
- Seite 2 -
Daily Bell: Was passiert aber, wenn die chinesische Mittelklasse herausfindet, dass ihre Immobilieninvestments nicht so wertvoll sind, wie sie dachten?

Jeffrey Tang: Wenn Japan als Beispiel dienen kann, dann führen schrumpfende Immobilienwerte zu einer deutlichen Reduzierung weiterer Konsumausgaben. Das Volk wird allerdings ruhig bleiben, falls es bei einer Renminbi-Abwertung zu keiner deutlichen Nahrungsmittelpreisinflation kommt. Das FALLS muss natürlich hier groß geschrieben bleiben.


Daily Bell: Was wird die Zukunft für Chinas Wirtschaft bringen? Wäre es möglich, dass sie sich stärker den Prinzipien einer Wirtschaft der freien Märkte annähert? Ein privater Goldstandard? Eine Abschaffung des monopolistischen Zentralbankenwesens?

Jeffrey Tang: Wir, die wir an freie Marktwirtschaft glauben, sind der Überzeugung, dass ein freier Markt die einzige Lösung ist, und das wird meiner Meinung nach auch in China passieren. Allerdings würde es mich nicht überraschen, wenn unmittelbar nach den kommenden Ereignissen in China der freie Markt für kurze Zeit sogar aufgehoben wird - in Bereichen, in den es um essentielle Dinge geht, wie zum Beispiel Nahrungsmittel. Wenn der Immobilienmarkt zusammenschrumpft, dann werden grundsätzlich alle Bilanzen und Gewinn-Verlust-Rechnungen schwerste Schäden erleiden.

Die Zinseinnahmen werden sinken, Unternehmen gehen Bankrott und die Kapitalflucht wird, in Erwartung von Kapitalkontrollen, dann erst richtig einsetzen - das wird natürlich eine sich-selbst-erfüllende-Prophezeiung und ein Schock für Renditejäger. Der RMB wird schwächer. Die Preise für importierte Rohstoffe werden steigen, was noch mehr Unternehmen aus dem Rennen schickt, während die Nahrungsmittel- und Energiepreise steigen, abhängig davon, wie stark der RMB nachgibt. Und das heißt auch, dass staatliche Nahrungs- und Energiezuteilungen notwendig werden. Da es 300 Millionen ungelernte, zugewanderte Arbeiter gibt, wird es schwer, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Der Beginn der freien Marktwirtschaft wird sich verzögern. Allerdings gibt es ein kurzes Aktionszeitfenster, bevor das demographische Desaster, mit Blick auf einen reibungsarmen Übergang zu freien Märkten, nicht mehr zu beherrschen ist.

Es stehen also schwierige Zeiten an. Auch mit Blick auf die enormen Bankeneinlagen wird die zukünftige Kaufkraft dieser Remninbis signifikant sinken, so viel ist klar. Das wird den Einlegern dann bewusst, wenn die Nahrungsmittelpreisinflation zuschlägt. Gold könnte der ultimative Sichere Hafen für das chinesische Volk werden.


Daily Bell: Und das Internet? Wird China weiterhin das “Netz“ blockieren können, oder wird das Netz trotz aller Widerstände Veränderungen bringen?

Jeffrey Tang: China wird weiterhin das Netz blockieren. Freier Informationsfluss bedeutet das Ende des Staates in seiner derzeitigen Form.


Daily Bell: Bringen Sie uns auf den neusten Stand bezüglich Hongkong; hier gibt es merklichen Widerstand gegen die soziopolitischen und wirtschaftlichen Strukturen des chinesischen Festlands. Wird Hongkong weiterhin quasi unabhängig von der Politik des chinesischen Festlands sein? Wie unabhängig ist Hongkong in Wirklichkeit?

Jeffrey Tang: Hongkong ist ein unternehmerisches Drehkreuz. Die Haupttriebkräfte Hongkongs sind die Geschäftsmänner. Ihr Interesse liegt in Peking.


Daily Bell: Wird das Hongkong-Modell am Ende triumphieren?

Jeffrey Tang: Politische Kontrolle und wirtschaftliche Freiheit mögen zusammen funktionieren - eine kurze Zeit lang und auf kleiner Ebene, so wie in den südostasiatischen Staaten vor 1997; das endete aber in einem Desaster. Auf dem chinesischen Festland versucht man sich am selben Modell. Schon jetzt können wir die Folgen sehen. Singapur scheint hier eine Ausnahme zu machen. Schwer zu sagen, ob es ein nachhaltiges Modell ist.


Daily Bell: Auf welchem Weg befindet sich China nun? Können Sie es zusammenfassen? Mehr Nationalismus und Militarismus, um die Aufmerksamkeit vom scheiternden Wirtschaftsmodell abzulenken? Oder denken Sie, dass die Wirtschaft schließlich wiederbelebt und so weiterfunktionieren kann?

Jeffrey Tang: China geht umfangreichen Restrukturierungsprozessen entgegen. Die beiden Wachstumsmotoren, Export und Baugewerbe, sind an ihre Grenzen gestoßen. Wenn bedeutende interne Ereignisse stattfinden, dann werden diese so überwältigend sein, dass sich die Aufmerksamkeit auch nicht durch externe Ereignisse ablenken lässt. Es wird eine Neuausrichtung der Wirtschaft geben. Das Wachstum wird in den niedrigen einstelligen Bereich sinken und nach einigen negativen Jahren dort auch bleiben. Die Menschen müssen einen neuen Lebensstil finden, ein Leben mit weniger materiellem Konsum, ein Leben mit sauberer Luft, Wasser und Nahrung.


Daily Bell: Mit Blick auf die westlichen Märkte haben wir den Eindruck, dass es eine globalistische Bankenwesenseilschaft gibt, die eine, so nennen wir es, “Wall-Street-Party" anstrebt, mit dem Ziel die Märkte steil in die Höhe zu treiben. Würden Asien und China von einer solchen profitieren?

Jeffrey Tang: Ich denke nicht, dass die chinesischen Märkte deutlich steigen können, selbst wenn es am US-Markt nach oben geht. Nach zwei Jahren mit vergleichsweise schlechten Entwicklungen ist das Auseinandertriften nun schon ziemlich deutlich zu erkennen. Die Märkte mit stärkerer US-Verbindung wie Korea und Singapur könnten da schon eine bessere Zeit erleben. Die von China abhängigen Märkte wie Australien und Indonesien aber nicht. Der chinesische Superzyklus hat seinen Höhepunkt überschritten.


Daily Bell: Was passiert, wenn diese Party zu Ende geht? Unserer Meinung nach wird es eine gewaltige Krise geben, die weltweit zu sogar noch globalistischeren Konsolidierungen führt, vielleicht sogar einhergehend mit einer Art Bancor oder gar einer weltweiten agierenden Zentralbank. Was denken Sie?

Jeffrey Tang: In den wichtigen Staaten wird es meiner Ansicht nach in Folge einer solchen Kredit-Nullung eher einen Rückzug ins Innere kommen, weil erkannt wird, dass man die eigenen Probleme mit sich selbst lösen muss. Es wird keinen Bedarf für eine weltweite Zentralbank geben.




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