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Griechenland: Es ist ernst

21.04.2015  |  Carsten Klude
Im englischen gibt es die Redewendung "It's the elephant in the room", die verwendet wird, wenn etwas Offensichtliches ignoriert wird oder wenn man über ein drängendes Thema nicht gerne spricht, weil es zu heikel ist. Dieser Tage ist der sprichwörtliche Elefant im Raum eine Pleite Griechenlands oder sogar das Ausscheiden aus dem Euro; ein politisch nicht erwünschtes, ja unerhörtes Ereignis, das aber den Nachrichten nach zu urteilen in den letzten Tagen nochmals näher gerückt ist.

So berichtete die Süddeutsche Zeitung gestern mit Berufung auf Quellen aus der Eurogruppe, "es sei ausgeschlossen", dass bereits in Kürze eine Einigung mit Griechenland erzielt werden könne. Ein Durchbruch der Verhandlungen beim Treffen der Finanzminister am 24. April in Riga werde es wohl nicht geben. Gegenstand der Verhandlungen ist vor allem eine Reformliste, die die griechische Regierung unter Ministerpräsident Tsipras ausarbeiten soll. Diese umfasst weitere Sparmaßnahmen, Reformen sowie Privatisierungen und soll einige Maßnahmen der bisherigen Troika ersetzen, an die sich die neue Regierung nicht mehr gebunden fühlt.

In wichtigen Eckpunkten genügen die griechischen Vorschläge den Euro-Partnern jedoch bislang nicht. Vor allem fehlen detaillierte Umsetzungsschritte der vorgeschlagenen Reformen sowie belastbare Zahlen zu deren finanziellen Folgewirkungen. Eine Einigung wird aber als Voraussetzung angesehen, weitere 15 Milliarden Euro an Griechenland auszuzahlen, die noch im laufenden Rettungspaket enthalten sind.

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Angesichts der finanziell äußerst angespannten Lage Athens könnte man bereits die Verzögerung weiterer Hilfszahlungen als Hiobsbotschaft bezeichnen. Doch das eigentlich beunruhigende an der Gemengelage ist der Eindruck, der zuletzt von der Stimmung in den Verhandlungen vermittelt wurde. So haben die Euroländer in Bezug auf die Kompromissbereitschaft der griechischen Regierung scheinbar die Hoffnung verloren:

Hochrangige Vertreter der Euro-Zone äußerten gegenüber der Süddeutsche Zeitung, es sei "schlicht unmöglich", in der griechischen Regierung einen kompetenten Ansprechpartner zu finden; erfahrene Beamte hätten unter der neuen Regierung ihren Posten verloren. Und weiter erfuhr die Zeitung: Würde man die 27 Kommissare und den Präsidenten fragen, wer Griechenland helfen und in der Eurozone halten wolle, "würden alle die Hand heben". Fragte man, ob das gelinge, blieben die Hände wohl unten. Mit derartigen Indiskretionen wird nicht nur jegliches diplomatische Protokoll verletzt, sie mindern unseres Erachtens auch die Aussichten auf eine Einigung in der Zukunft entscheidend.

Auch abseits der Verhandlungen nehmen die Stresssignale Tag für Tag zu: So senkte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) am Mittwoch die Bonitätsnote für Griechenland von vormals B- auf CCC+, was einem "erheblichen Risiko" eines Zahlungsausfalles entspricht. Als Begründung führte die Agentur an, dass die Unsicherheit die Wirtschaftslage Griechenlands Tag für Tag mehr in Mitleidenschaft zieht und damit die finanzielle Lage verschlechtere.

In den breiten Wirtschaftsdaten, die wir für Griechenland verfolgen, zeigt sich dieser Effekt bislang noch vergleichsweise wenig. So ist das Vertrauen der Unternehmen in den Bereichen Industrie, Dienstleistungen und Einzelhandel zwar etwas rückläufig, bei den Konsumenten hat sich die Stimmung dagegen zuletzt sogar weiter verbessert.

Eine besonders ausgeprägte Phantasie ist allerdings nicht vonnöten, um erkennen zu können, dass die derzeitige Regierung vor allem die Unternehmen vor eine erhebliche Belastungsprobe stellt. Wir schließen uns daher dem Urteil von S&P an, dass der Kurs der Regierung das wirtschaftliche Geschehen negativ beeinträchtigen wird und erwarten, dass Griechenland ohne eine schnelle Kursänderung wieder zurück in die Rezession fällt.

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