Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Notenbanken hielten sich zuletzt mit Goldkäufen zurück

20.08.2016  |  Thorsten Proettel
Rund ein Zehntel der Goldnachfrage

Die Goldkäufe von Notenbanken zur Stärkung ihrer Währungsreserven machten im Durchschnitt der vergangenen acht Quartale gemessen an den Zahlenwerken der Agentur Thomson Reuters GFMS gut 9% der weltweiten Goldnachfrage aus (vgl. Grafik). Ihre Bedeutung rangiert damit unterhalb derjenigen der Anleger (30%) und der Schmuckkäufer (49%).

Der Einfluss der Notenbankkäufe sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Vor nicht allzu langer Zeit traten die Währungshüter noch als Verkäufer in einer ähnlichen Größenordnung auf. Erst seit ungefähr 2010 überwiegen die Golderwerbungen von Notenbanken aus den Schwellenländern die mittlerweile stark zurückgegangenen Veräußerungen von westlichen Zentralinstituten, so dass der Saldo positiv ist.

Open in new window

Unterschiedliche Zahlenwerke

In den beiden vergangenen Quartalen war jedoch ein deutlicher Rückgang des Notenbanksaldos zu beobachten. Vor der Suche nach den Ursachen lohnt sich ein kritischer Blick auf die zur Verfügung stehenden Statistiken: Wer wann und wo wieviel Gold fördert, verkauft oder erwirbt wird nirgends zentral festgehalten. Fast alle Zahlen und Angaben, die in der Presse oder auch in unseren Publikationen genannt werden, beruhen auf mehr oder minder guten Schätzungen anhand von Unternehmensveröffentlichungen, Zollstatistiken und Ähnlichem.

Besonders schwierig wird das Abschätzen im Fall der Notenbanken, die ihre Käufe aus Gründen der Geheimhaltung in manchen Fällen nicht veröffentlichen. Insofern ist es nicht überraschend, wenn unterschiedliche Zahlen zu diesem Thema kursieren. Das World Gold Council (WGC) als Interessenvereinigung der Goldminenunternehmen gab die Notenbankkäufe im 2. Quartal 2016 mit knapp 77 Tonnen deutlich höher an als die Agentur Thomson Reuters GFMS mit nur 42 Tonnen. Die von den Notenbanken offiziell bekannt gegebenen Aktivitäten summieren sich sogar nur auf knapp 26 Tonnen (siehe Chart).

Open in new window

Chinesen beenden Geheimhaltung

Ein einprägsames Beispiel für die Sinnhaftigkeit von etwas höheren Schätzwerten im Vergleich zu den offiziellen Zahlen waren die Käufe der People’s Bank of China. Sie veröffentlichte jahrelang unveränderte Zahlen über ihre Goldbestände und gab im Juni 2015 nachträglich bekannt, dass sie im Zeitraum 2009 bis 2015 insgesamt 604 Tonnen des Edelmetalls erworben hat.

Seither publizieren die Chinesen monatliche Angaben, was bedeutet, dass ein erheblicher Unsicherheitsfaktor für die Schätzungen entfallen ist. Aus diesem Grund erscheinen aus unserer Sicht die in der Regel deutlich niedrigeren Zahlen über die Goldkäufe der Notenbanken aus dem Hause Thomson Reuters GFMS auch realistischer als diejenigen des Lobbyverbandes WGC. Seit Anfang 2014 schätzte das WGC die Notenbankaktivitäten 3,1mal so hoch ein wie offiziell bestätigt. Bei GFMS liegt der Faktor dagegen nur bei 2,3.


Rückgang um 48% ggü. Vorjahreszeitraum

Zurück zur Entwicklung in den letzten Monaten: Gemäß GFMS betrugen die Goldkäufe der Notenbanken im 1. Halbjahr 2016 nur 91 Tonnen, was einem Rückgang um 48% gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht beziehungsweise einem Einbruch um 65% gegenüber dem 2. Halbjahr 2015. Die Chinesen hielten sich mit bestätigten Käufen in Höhe von 61 Tonnen gegenüber 104 Tonnen im Zeitraum Juli bis Dezember letzten Jahres deutlich zurück. Auch die russische Notenbank trat auf die Bremse. Sie erwarb in der ersten Jahreshälfte 2016 nur noch 84 Tonnen nach 140 Tonnen in der zweiten Hälfe 2015.

Die langsamere Gangart der Moskauer Währungshüter könnte sich übrigens fortsetzen. Nach der Besetzung der Krim und den internationalen Sanktionen befand sich der russische Rubel über längere Zeit im freien Fall. Zur Wechselkursstabilisierung wurden Währungsreserven veräußert (siehe Grafik). Da gleichzeitig die Goldbestände erhöht wurden und der Goldpreis seit Jahresanfang 2016 deutlich zulegte, bewegt sich der Anteil des Edelmetalls aktuell bei 16,4% der Währungsreserven. Das inoffizielle Ziel einer Goldquote von 10% wird damit weit überschritten.

Open in new window

Venezuela greift auf Gold zurück

Die Bilanz des ersten Halbjahres wurde zusätzlich durch Goldveräußerungen der Notenbank Venezuelas getrübt. Der südamerikanische Staat verfügte lange Zeit über Reserven in Höhe von gut 360 Tonnen. Der damalige Staatspräsident Hugo Chávez ließ zumindest einen Teil des Edelmetalls 2011 in die Hauptstadt Caracas schaffen, da er den Lagerort London nicht mehr für ausreichend sicher hielt. In den letzten Monaten kam das Gold nun sukzessive zurück nach Europa.

Die vom Sozialismus und Marxismus inspirierte Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wie der Ölbranche führt das Land immer stärker ins Chaos. Medienberichten zufolge fehlen neben Medikamenten oftmals auch die einfachsten Grundnahrungsmittel. Um einen Staatsbankrott abzuwenden und um dringend benötigte Importe aus dem Ausland zu finanzieren, wurden seit Anfang des Jahres größere Goldbestände in die Schweiz geflogen. Im ersten Halbjahr gelangten so fast 80 Tonnen Gold auf den Markt.

Da die Reserven des Landes damit noch lange nicht erschöpft sind und sich bisher kein Ende der Misere abzeichnet, könnten die Verkäufe in den kommenden Monaten anhalten. Aus diesem Grund wird der Saldo der Notenbankaktivitäten auch zukünftig vermutlich etwas niedriger ausfallen. Angesichts des großen Interesses institutioneller Anleger dürften sich die Auswirkungen auf den Preis aber in engen Grenzen halten.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"