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Neun unangenehme Wahrheiten

26.08.2007  |  Manfred Gburek
Die Feuerwehr (EZB, Fed usw.) hat einen verheerenden Brand (Ausläufer der US-Hypothekenkrise) gelöscht, mehr nicht. Das Löschwasser (Liquidität in einem gigantischen Umfang) hat zwar gewirkt, aber auch erhebliche Schäden (Zweifel an der Funktionsfähigkeit des internationalen Finanzsystems) hinterlassen. Viele Banker und Börsianer, Politiker sowieso, tun allerdings so, als habe der Brand kaum zu Schäden geführt, als stehe das jetzt vom Löschwasser unterspülte Kreditgebäude auf festem Grund. Also Anlass genug, einige unangenehme Wahrheiten beim Namen zu nennen:

1. Die US-Notenbank Fed versorgte den Kapitalmarkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überreichlich mit Liquidität, nachdem die Aktienkurse vorher bereits eineinhalb Jahre lang auf Talfahrt gegangen waren. In der Folge benötigten sie weitere eineinhalb Jahre, um sich zu erholen. Dagegen mussten Liquiditätsspritzen in den vergangenen Wochen das Schlimmste verhindern, nachdem die Aktienkurse an den führenden Börsen in kurzer Zeit nicht einmal um 10% zurückgegangen waren. Soll etwa weiteres Geld in die Kapitalmärkte gepumpt werden, sobald die nächste Skandalwelle anrollt (was als absolut sicher gelten kann) und die Aktienkurse dann um 20 oder 30% abgetaucht sind? Die EZB baut jedenfalls schon vor, indem sie ihre Absicht, demnächst den Leitzins zu erhöhen, noch einmal bekräftigt - und damit gezielt den nächsten Konflikt heraufbeschwört.


2. Das internationale Kreditgebäude ist nicht von ungefähr ins Wanken geraten. Immer wieder heißt es, und zwar vollkommen zu Recht, dass die Banken sich gegenseitig nicht mehr trauen, also mit Krediten untereinander geizen. Warum denn wohl? Doch nicht etwa wegen der Kollateralschäden bei IKB, KfW, Sachsen LB usw., sondern weil sie wissen - und zum Teil erst ahnen -, welche Risiken sie selbst eingegangen sind. Da traut man dann halt nicht dem Nachbarn im Glaspalast nebenan und schon gar nicht der Bank in London oder New York.


3. Das schwankende Kreditgebäude besteht nicht nur aus einfachen Soll- und Haben-Buchungen, sondern auch aus äußerst komplexen Derivaten, aus Carry Trades (Zinsdifferenzgeschäften), LBO (Leveraged Buy Outs = kreditfinanzierten Unternehmenskäufen) und mathematischen Formeln, mit denen Hedgefonds zuletzt eine Serie von Flops gelandet haben. Das Schlimme daran ist, dass - wie im Fall Bear Stearns - mehr als sechs Wochen vergehen können, bis das wahre Ausmaß von Hedgefonds-Flops erkennbar wird. Dieses Beispiel findet seine Entsprechung im Fall Sachsen LB, wo man die Bekanntgabe der Zahlen jetzt kurzerhand um eine Woche verschoben hat.


4. Das Misstrauen der Banken untereinander hat natürlich auch Folgen für die Kreditvergabepolitik gegenüber Kunden aus dem Unternehmer- und erst recht aus dem privaten Lager: Wer einen Kredit bekommen oder verlängern will, muss jetzt entweder zusätzliche Sicherheiten beibringen oder wird über das Totschlagargument "Basel II" mit unanständigen Zinsen abgezockt.


5. Geradezu penetrant ziehen sich zwei Fragen durch die Gespräche zwischen Volkswirten, Fondsmanagern, Börsengurus usw. einerseits und den Medienleuten andererseits: a) War die Reaktion an den Aktienbörsen ausreichend? b) Welche Aktien soll man jetzt kaufen? Die Antwort auf die erste Frage ist meistens ziemlich doof: Die Konjunktur verlaufe so robust, dass eine stärkere Abwärtsreaktion nicht gerechtfertigt sei. Die möglicherweise katastrophalen Auswirkungen des maroden Finanzsystems auf die Realwirtschaft bleiben dann einfach ausgeblendet. Im zweiten Fall ist schon die Frage naiv, weil sie einfach unterstellt, dass es wieder genug Kaufkandidaten gibt.


6. Besonders schlimm ist, dass sich in den von Banken, Brokern, Fondsgesellschaften und Versicherern gesponsorten Fernsehsendungen, Zeitungs- und Zeitschriftenbeilagen die Empfehlungen zum Kauf von Zertifikaten und Fonds häufen, als gäbe es keine Direktanlagen in Aktien oder Anleihen. Man kann nicht oft genug betonen: Zertifikate sind als Inhaberschuldverschreibungen durch keinerlei Einlagensicherung geschützt, während Fonds aufgrund ihrer überwiegenden Spezialisierung dem Auf und Ab der Märkte unterworfen sind. Außerdem werden beide Anlagekategorien mit allerlei Gebühren belastet, die von den Anlegern zu tragen sind.


7. Fondsmanager werden zum größten Teil zu Gefangenen ihrer Spezialisierung: Läuft ein Markt gut, sind sie gezwungen, seine Chancen bis zum Gipfel zu nutzen und dann - auch dank hoher Mittelzuflüsse von Seiten prozyklischer Anleger - noch weiter zu investieren, obwohl alles dagegen spricht. Läuft ein Markt dagegen schlecht, liquidieren prozyklische Anleger ihre Anteile in der Regel ausgerechnet dann, wenn der Fondsmanager Mittelzuflüsse besonders nötig hätte.





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