Suche
 
Folgen Sie uns auf:

EZB erhöht den Zins. Richtig so! Aber neue Gefahr droht …

21.07.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Und er hat sich doch bewegt: Um 0,50 Prozentpunkte hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Leitzinsen angehoben. Damit liegt der Hauptrefinanzierungszins nun bei 0,50 Prozent, der Einlagenzins bei 0 Prozent und der Spitzenrefinanzierungszins bei 0,75 Prozent.

Der EZB-Rat hat also einen "großen“ Zinsschritt gewählt, ein "kleiner“ Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten war von vielen Marktbeobachtern (uns eingeschlossen) erwartet worden. Die Entscheidung zeigt also, dass es im EZB-Rat doch Vertreter gibt, die bestrebt sind, nun rasch ein Stabilitätssignal zu setzen.

Angesichts der Inflation der Konsumgüterpreise von zuletzt 8,6 Prozent im Juni 2022 liegen die Euro-Realzinsen (also Nominalzinsen abzüglich der Inflation) jedoch weiterhin weit unterhalb der Nulllinie. Für Sparer und Geldhalter gibt es daher keine Entwarnung.

Wenn die EZB ernst macht und die Zinsen weiter anhebt, dann wird das zwar helfen, den künftigen Inflationsdruck abzusenken, gleichzeitig wird es jedoch auch starke Bremsspuren in der Produktion und Beschäftigung im Euroraum geben.

Denn die Volkswirtschaften haben sich in den vielen Jahren des Nullzinses (der EZB-Leitzins lag seit 2014 de facto auf der Nulllinie) an niedrige Kreditkosten gewöhnt. Ein "echter" Ausstieg aus der Nullzinspolitik wird daher zwangsläufig Output- und Arbeitsplatzverluste nach sich ziehen.

Diese Kosten müssen jedoch getragen werden, denn eine Fortsetzung der Hochinflation wird ansonsten noch viel größere Kosten für Bürger und Unternehmer im Euroraum nach sich ziehen. So gesehen ist der Zinsschritt der EZB richtig (und überfällig gewesen).

Aber ein erster Zinsschritt ist eben nur ein erster Zinsschritt. Worauf es nun ankommt, ist die Fortsetzung der Zinssteigerungen. Zudem ist es insbesondere erforderlich, die Staatsanleihekäufe einzustellen und die damit verbundene Geldmengenexpansion abzubremsen.

Doch genau das ist nicht wahrscheinlich, weil die EZB nunmehr ein neues Kaufprogramm aus der Taufe gehoben hat: das "Transmission Protection Instrument“ (TPI). Alle Details des TPI sind noch nicht bekannt. Offiziell soll das TPI sicherstellen, dass die "geldpolitische Transmission" im Euroraum funktioniert.

In der Praxis wird das TPI jedoch vermutlich darauf hinauslaufen, dass die EZB, wenn sie es als angemessen ansieht, Staatsanleihen von einzelnen Staaten (und zwar, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde bemerkte: in unbegrenzter Menge) aufkaufen und mit neu geschaffenen Euro bezahlen kann.

Wenn das TPI in dieser Weise ausgestaltet wird, dann steigt natürlich die Gefahr, dass ungeahnte Begehrlichkeiten geweckt werden und die EZB sogar in eine Monetisierung der Staatsschulden in ganz großem Stil gedrängt werden kann. Es muss nicht gesondert erklärt werden, dass das extrem negativ wäre für die Kaufkraft des Euro. Das TPI kann sich nur allzu leicht als eine neue Inflationsgefahr entpuppen.

Weiterhin ist zu befürchten, dass die EZB versucht sein wird, das Konjunktur- gegen das Inflationsziel auszuspielen - nach dem Motto: "Lieber etwas höhere Inflation als tiefe Rezession“, gerade auch im aktuellen geopolitischen und weltwirtschaftlichen Umfeld.

Auch nach dem EZB-Zinsschritt gibt es, wie bereits gesagt, keine Entwarnung für die Euro-Anleger: Die Euro-Realzinsen sind und verbleiben vermutlich noch auf lange Zeit stark negativ. Eurobargeld, Euro-Bankdepositen und kurzlaufende Anleihen bescheren dem Anleger hohe Verluste.

Wie im neuen Degussa Marktreport vom 21. Juli 2022 erläutert, sollten Anleger, die einen längerfristigen Zeithorizont haben, sich vom aktuellen Rückgang des Goldpreises nicht verschrecken lassen, sondern ihn als Chance sehen: Es ist attraktiver geworden, physische Goldpositionen auf- und auszubauen. Der Goldpreis hat derzeit ein ganz erhebliches Preissteigerungspotential.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"