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Immer brachten neue politische Ideologien auch neue Feudalhierarchien

30.07.2023  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Entgegen dem sozialistischen Ideal von der Gleichheit der Lebensbedingungen aller Menschen (gleiche Teilhabe) bilden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen und deshalb auch in der Gesamtgesellschaft Schichtenstrukturen heraus, z. B. eine Oberschicht, eine Mittelschicht und eine Unterschicht.

Das hat mit der biologischen Ungleichheit der Menschen zu tun. Manche sind klüger als der Durchschnitt und erreichen dadurch mehr; - andere wiederum sind fleißiger und tüchtiger als andere und erreichen deshalb mehr; - viele suchen Erfolg in praktischen Berufen und erreichen dadurch wirtschaftlich mehr, während andere die Arbeit meiden, ein bequemes Leben suchen und deshalb wirtschaftlich zurückbleiben.

Viele Millionen bei uns haben sich aber auch von der Arbeit verabschiedet, wollen ideologische Träume leben, ein bequemes Leben führen oder wie die Millionen Immigranten lieber von staatlicher Rundumversorgung statt von eigener Arbeit leben. Viele fleißige Menschen haben sich in ihrem Leben eine eigene Wohnung erspart – die Mehrheit dagegen gibt ihr Einkommen anders aus, muss deshalb als Mieter in kleineren Wohnungen leben. Manche können sich ein teures Auto leisten, andere wiederum nicht.

Es gibt keine Gleichheit der Lebensumstände, weil die Menschen unterschiedlich begabt, fleißig, sparsam, motiviert sind und unterschiedlich wirtschaftlich denken. Trotz aller Rufe nach sozialer Gerechtigkeit ist also Gleichheit der Lebensbedingungen keine Gerechtigkeit.

Kanzler Schmidt hat dies treffend ausgedrückt: Meine Genossen wollen im Wettlauf, dass alle gleich ankommen, statt dass sie gleichzeitig starten dürfen.

Auch Ungerechtigkeiten des Lebens schaffen Ungleichheiten der Lebensbedingungen: Krankheit, Scheidungen, Berufsprobleme oder einfach nur Lebenspech werfen viele Leute wirtschaftlich und gesellschaftlich zurück, während andere – vielleicht unverdientes – Glück im Beruf, in der Partnerwahl, mit ihrer Gesundheit oder in ihren Netzwerken haben und dadurch gesellschaftliche Vorteile erreichen.

Dass Menschen ungleich sind, setzt nicht nur unser Bildungssystem mit der Zensurengebung voraus, sondern auch etwa der Sport mit den Wettkämpfen, mit Sieg oder Niederlage je nach Leistungsfähigkeit.

Die unterschiedlichen menschlichen Eigenschaften und Lebensbedingungen haben in jeder Gesellschaft zu unterschiedlichen Einkommen, Positionen und gesellschaftlicher Stellung geführt, welche Marx als 2Klassenkampf" sah, das 19. Jahrhundert als "Stände" (z.B. Mittelstand) und die Soziologie heute als Schichten: Oberschicht – Mittelschicht – Unterschicht ¹.

Streitig ist geblieben, ob die demokratischen Prinzipien der Rechtsgleichheit jedes Bürgers und gleichen Wahlrechts auch zu gleicher politischer Mitbestimmung aller Bürger geführt haben oder ob die Macht im Staate unterschiedlich verteilt ist oder sogar bei ganz anderen Mächten oder Kräften als dem Bürger und der Regierung liegt.

Es gab und gibt immer und auch heute einen politischen Trend zum Feudalismus.

Seit Karl der Große die freien und gleichen Sachsen besiegt und das römische Recht eingeführt hatte, gehörte das Land nicht mehr den Bauern, sondern dem Kaiser. Er belehnte mit Land und Leuten seine Grafen, die wiederum den niederen Adel mit Dörfern und Gütern einschließlich der dazu gehörenden Menschen. Die Menschen waren deshalb 1.000 Jahre in Deutschland unfrei ². Der Adel war persönlich frei, hatte aber dem jeweiligen Lehnsherrn zu dienen, insbesondere Heeresfolge. D

em Kaiser- und Lehnsrecht unterstanden allerdings nach dem Investiturstreit nicht mehr die kirchlichen Würdenträger. Sie unterstanden einem eigenen Kirchenrecht, waren ihren Kirchenführern unterworfen, bis Luther auch für die Pastoren die persönliche "Freiheit des Christenmenschen" durchgesetzt hat (ab 1517).

Nur die freien Reichstädte bekamen vom Kaiser das Bürgerrecht. Ihre Bürger waren frei, so dass sich aus diesem Bürgertum im Laufe der Jahrhunderte zwischen Oberschicht und Unterschicht ein Mittelstand entwickelte, erst ein wirtschaftlicher Mittelstand (Gilden und Zünfte), dann auch seit der Reformation ein Bildungsbürgertum (Pastoren, Lehrer), welches Deutschland immer mehr bestimmt und zum "Volk der Dichter und Denker" gemacht hat.

Dennoch gab es bis 1918 unbestritten den Ständestaat mit Adelsstand (Vorzugsberechtigungen im Militär, Zugang zu den Fürstenhöfen u.a.), Mittelstand (erst gewerblicher Mittelstand der Selbständigen und dann zunehmend angestellter Mittelstand) und Unterschicht (erst die Landarbeiter, dann zunehmend die Fabrikarbeiter).

Das Adelsfeudalsystem beruhte auf dem Eigentum des Bodens, welches vom Kaiser bzw. König nur zur Nutzung verliehen wurde. Zunehmend wurden dann aber im Laufe der Jahrhunderte die Lehnsverhältnisse zu Eigentumsverhältnissen der Lehnsträger, insbesondere des Landadels. Da die landwirtschaftliche Produktion Haupterwerbsquelle für mehr als 80 % der Bevölkerung war, spielte bis zum 17. Jahrhundert der Landadel als Oberschicht eine führende Rolle.

Die Geschichtswissenschaft spricht deshalb vom Adelsfeudalismus, einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen und kulturellen Oberschicht, welche hierarchisch von oben nach unten die gesamte Gesellschaft in Deutschland bis zum Ende des 1. Weltkrieges bestimmt hat.

Im Kampf gegen den Adelsfeudalismus haben liberale bürgerliche Kreise und die Sozialisten als Vertreter der Unterschicht die Demokratie geschaffen. Diese schaffte das "Gottesgnadentum" der Herrscher ebenso ab wie die Vorrechte des Geburtsadels, wollte gesellschaftliche Rechtsgleichheit und wirtschaftliche Chancengleichheit für alle garantieren.

Das Dilemma der modernen Demokratien besteht jedoch darin, dass eine direkte Mitbeteiligung der Bürger wie in der Schweiz bei 80 Millionen Bürgern nicht mehr möglich ist, sondern die Demokratie nur indirekt über gewählte Abgeordnete aufgebaut werden konnte. Diese Abgeordneten wurden jedoch immer weniger persönlich gewählt, sondern als Parteivertreter. Die Parteien wurden auch als parlamentarische Institutionen verankert (Art. 21 GG), so dass in allen modernen Staaten aus der direkten Bürgerdemokratie eine indirekte Parteiendemokratie wurde. Dies hat natürlich zu einer Machtverlagerung zugunsten der Parteiführer über die Geführten und somit zu einer Parteienhierarchie geführt.

Die italienischen Soziologen Pareto und Mosca ³ haben in ihrer Theorie vom "Elitenkreislauf" nachgewiesen, dass nicht nur in Diktaturen und Feudalsystemen, sondern auch in Demokratien immer Führungseliten entstehen (ohne moralische Wertung), welche die Macht in der Hand halten und damit praktisch führen. Durch Wahlen kann in Demokratien ein Elitenwechsel friedlich gestaltet werden, in Diktaturen nur durch Revolutionen.


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