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Deutschland – der kranke Mann Europas

28.11.2023  |  Marc Friedrich
Deutschland ist in der Rezession und bleibt es voraussichtlich auch noch im nächsten Jahr. Der IWF erwartet, dass Deutschland als einzige unter den fortgeschrittenen Volkswirtschaften im laufenden Jahr schrumpfen wird.

Und blickt man in die Wirtschaft, so versteht man wieso. Massiver Stellenabbau bei Bayer, Motorpresse und Homag, Unternehmensinsolvenzen auf einem 7-Jahres-Hoch. Insolvenz bei einem großen Vertragspartner von Mercedes, dem Automobilzulieferer BIA in Solingen, Signa und Nolte Möbel. Es sieht nicht gut aus im besten Deutschland aller Zeiten. Die Energiewende und die grüne Transformation kostet doch mehr als gedacht und durch den hohen Strompreis sind wir weniger wettbewerbsfähig – aber dafür kommt jetzt der subventionierte Industriestrom.

Ist Deutschland erneut der kranke Mann Europas, so wie es der Economist vorgesagt hat, oder bleibt uns dieser Titel diesmal erspart? Wohin steuert Deutschland? Brauchen wir eine Agenda 2030 und wie könnte diese aussehen?


Der kranke Mann Europas?

Fast 25 Jahre ist es her, da sorgte das Wirtschaftsmagazin "The Economist" mit einer Titelgeschichte über Deutschland Furore. Deutschland sei der “kranke Mann des Euros”. Als Gründe nannte der Economist damals einen starren, festgefahrenen Arbeitsmarkt, extrem ausufernde Sozialleistungen und natürlich die Kosten der Wiedervereinigung. Der Artikel sorgte für Aufsehen. Offenbar bis in die höchsten Ränge der Politik. Denn die damalige Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder steuerte dagegen und brachte tiefgreifende Reformen auf den Weg. Besser bekannt als Agenda 2010.

Doch schauen wir nochmal zurück auf das damalige Deutschland. Im Jahr 2003 waren rund 4 Millionen Menschen arbeitslos, was einer Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent entsprach. Das BIP, also die Wirtschaftsleistung, stagnierte und die stark alternde Gesellschaft drohte, das Rentensystem zu überlasten. Damals war wohlgemerkt eine rot-grüne Regierung an der Macht. Also durchaus Parallelen zu heute. Die Agenda 2010 kam und die Reformpläne fruchteten. Was hat man damals konkret umgesetzt? Im folgenden die wichtigsten Punkte:

• Man hat die Regulierung von Zeitarbeit wesentlich gelockert, was hunderttausende Jobs geschaffen hat.

• Man hat Minijob-Reformen umgesetzt, die es vor allem Arbeitslosen erleichterten, den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.

• Als drittes hat man das Arbeitslosengeld für Ältere von maximal 32 Bezugszeit auf 18 Monate gekürzt.

• Der ausschlaggebendste Punkt war allerdings die Vereinigung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Hartz IV, was wesentliche Ineffizienzen und eine Menge Bürokratie beseitigte.

Was folgte, war ein beispielloser wirtschaftlicher Aufstieg Deutschlands. Die Arbeitslosenquote ging zwischen 2003 und 2013 von 10,5 auf 6,9 Prozent zurück. 2022 lag sie sogar nur noch bei 5,3 Prozent. In anderen Worten: Gab es 2003 also noch 4,4 Millionen Arbeitslose, so waren es 2022 nur noch 2,4 Millionen. Besonders beeindruckend ist der Rückgang der Langzeitarbeitslosen. Hiervon gab es in Deutschland im Jahr 2000 noch rund 1,5 Millionen. 2012 waren es nur noch ca. 1 Millionen. Also ein Rückgang um rund 30 Prozent.

Und auch der direkte Vergleich zu Frankreich kann sich durchaus sehen lassen. Innerhalb eines Jahrzehnts ist es Deutschland gelungen, die Wirtschaftsleistung zu steigern, den Nachbarn Frankreich zu überholen und gleichzeitig die Arbeitslosenquote stark zu senken (siehe Abbildung).

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Die Agenda 2010 war umstritten, denn sie war anfangs für viele sehr schmerzhaft. Die SPD hat selbst heute noch damit zu kämpfen und hat seitdem wirklich viel versucht, um alles, was damals umgesetzt wurde, wieder rückgängig zu machen. Ganz nüchtern betrachtet, war die Agenda 2010 allerdings ein beachtlicher Erfolg.

Dennoch muss man festhalten, dass nicht alles auf die Reformagenda zurückzuführen ist. Viele Kritiker weisen immer wieder gerne darauf hin, dass es auch andere Ursachen hat, dass Deutschland sich nach der Agenda 2010 prächtig entwickelt hat. So wird immer wieder auf die allgemeine Lohnzurückhaltung hingewiesen, die bereits in den 1990ern begonnen hatte und der schwache Euro, der besonders unserer Exportwirtschaft zugute kam. Darüber hinaus haben wir seit der Jahrtausendwende einen beispiellosen Aufstieg Chinas gesehen, der einerseits Deutschlands Exportwirtschaft befeuerte und uns andererseits mit günstigen Produkten versorgte.

Selbst die Eurokrise konnte den Aufschwung der deutschen Wirtschaft nicht dauerhaft stoppen. Dazu beigetragen hat aber vor allem ein günstiges makroökonomisches Umfeld. Die Nachfrage nach deutschen Exportgütern in den USA sowie in Schwellenländern wie China wuchs deutlich, die Zinsen fielen stetig, und der niedrige Kurs des Euros trug zum Boom der deutschen Ausfuhren bei.

Natürlich gab es noch eine weitere wichtige Komponente, die nicht fehlen darf und das ist billige Energie. Wir alle wissen, dass Schröder eine gute Beziehung zu Russland, insbesondere zu Putin hatte. Dadurch wurden wir zumindest über das kommende Jahrzehnt mit günstiger Energie für die Industrie versorgt.

Alles in allem waren es dennoch grundlegend positive Reformen. Leider haben die folgenden Regierungen verschlafen, daran anzuknüpfen.


Die Ära Merkel: eine verpasste Zeit

16 Jahre war Angela Merkel die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschlands. 16 Jahre lang hat sie Deutschland mitgestaltet und geprägt. Doch ihre Zeit hat leider tiefe Narben und viele Baustellen hinterlassen.


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