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Überraschungen und Börsenkurse

05.08.2005  |  Robert Rethfeld
Krieg und Sterben als Gewohnheit: Wie sollte bei 50 Millionen Toten im zweiten Weltkrieg jeder einzelne von allen betrauert werden? Man nannte die Menschen nach dem Krieg "abgestumpft", "dösig" krochen sie unter ihren Trümmern hervor. Doch die Abstumpfung war offensichtlich reiner Selbstschutz auf dem Weg zurück ins "normale" Leben. Negativ konnte nichts mehr überraschen.

Betrachten wir den Dow Jones Index in jenen Jahren. Als Hitlers Überfall auf Polen am 1.9.1939 den zweiten Weltkrieg auslöste, war der US-Aktienmarkt kaum beeindruckt. Im Gegenteil: die Kurse stiegen bis zum 11.9. kräftig (blauer Kreis). Falsche Wahrnehmung? Sicher. Zu diesem Zeitpunkt unterschätzte man Hitler.

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Schaut man sich den weiteren Verlauf des Dow an, so fällt der brutale Kurssturz auf, der im Mai 1940 stattfand (schwarzer Kreis). Dort musste etwas Gewaltiges geschehen sein. Aber es musste auch überraschend gekommen sein, sonst wären die Investoren nicht so in Panik geraten.

Keiner - nicht einmal der deutsche Führungsstab - hätte gedacht, dass Paris nur fünf Wochen nach dem Beginn des Westfeldzugs von deutschen Truppen erobert werden würde. Ich habe noch - die kürzlich im Fernsehen gezeigten - Bilder in Erinnerung, die Hitler im frühen Morgengrauen mit seinem Führungsstab unter dem Pariser Triumphbogen zeigen. In diesem Moment musste er alles für möglich gehalten haben.

Der Überfall auf Pearl Harbour am 7.12.1941 - in allen Publikationen als ein Schockerlebnis für die US-Bevölkerung genannt – wirkte offensichtlich an der Börse nicht sehr stark (brauner Kreis). Kurzfristig ging es sogar aufwärts. Offensichtlich war den Börsianern der Kriegseintritt der USA - hervorgerufen durch die Kriegserklärung Hitlers an die USA einen Tag nach Pearl Harbour - das wichtigere -– und zugleich positive - Ereignis.

Was brachte die Börsenkurse in den USA dazu, im April 1942 eine V-förmige Wende auszubilden und einen neuen Bullenmarkt zu beginnen? Die Wende des Kriegsgeschicks im Pazifik spielt wahrscheinlich eine zentrale Rolle. Unter www.shoa.de findet man eine umfangreiche Zeitleiste, die zum 18.04.42 - zehn Tage vor dem Börsentief - folgendes schreibt: "Überraschender Luftangriff auf Tokio hat große psychologische Folgen."

Da ist es wieder, das Wort "überraschend", und oben drauf das Wort "psychologisch". Japan schien auf einmal verwundbar. Dieses Ereignis wurde durch den Gewinn der Schlacht um Midway durch die USA einige Wochen später bestätigt, bei der laut shoa.de "die Überlegenheit der Japaner zu Wasser und in der Luft gebrochen und eine Wende im Pazifikkrieg eingeleitet wurde. Die Initiative im Großen ging auf die USA über".

Der Dow Jones Index stieg von April 1942 bis zum Mai 1946 fast ununterbrochen und konnte sich in diesen 4 Jahren mehr als verdoppeln.


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Lassen Sie uns 60 Jahre nach vorn springen, in den September 2001. Die New Yorker Anschläge auf die Twin Towers kamen für die Börsenwelt völlig überraschend (schwarzer Kreis, nächster Chart). Etwas Neues war da, was es vorher nicht gab: Eine Bedrohung, die es schaffte, die USA in ihrem Finanzzentrum ernsthaft zu verwunden. Innerhalb weniger Stunden kippte das Weltbild der Börsianer. Der Dow fiel nach den Anschlägen um 1500 Punkte, Panik brach aus.

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Am 20. März 2003 nahmen die USA das Heft des Handelns in die Hand und begannen den Irakkrieg. Wie kritisch man auch immer dieser Aktion gegenüber steht: Die US-Börse signalisierte ihre Zustimmung 10 Tage vorher. Der Bärenmarkt war vorbei, die Aktienmärkte steigen seitdem. Offensichtlich geschah an dieser Stelle genau das, was gut 60 Jahre zuvor der Angriff auf Tokio und die Schlacht um Midway bewirkten: Man hatte das Gefühl, den Gang der Dinge wieder selbst zu bestimmen und nicht mehr länger Opfer zu sein.


Fazit

Das psychologische Element des Eintretens überraschender Ereignisse - positive wie negative - kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Während die Ankündigung von Neuwahlen durch Bundeskanzler Schröder unerwartet kam und für den Dax positive Folgen hatte, rechneten viele Londoner insgeheim mit Anschlägen in ihrer Stadt; die Börse zeigte sich nur kurzfristig beeindruckt.

Was könnte als nächstes die Börsenwelt überraschen? Ein Anschlag auf Rom? Nein. Die Festnahme Osama Bin Ladens? Nein. Der Rücktritt Chiracs? Nein. Es ist ja das Wesen des überraschenden Ereignisses, das man es nicht vorhersehen kann.


In unserem neuen Online-Video werfen wir - mit Hilfe verschiedener Saisonalitätsvarianten des Dow Jones Index - einen Blick auf den voraussichtlichen restlichen Jahresverlauf. Lassen Sie sich überraschen.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de




P.S.: Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7:30h und 8:00h eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.


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