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Über die Wirkung der "Rettungspolitiken"

21.03.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die "Rettungspolitiken“, die die Regierungen und ihre Zentralbanken derzeit verfolgen - wie zum Beispiel Zinssenkungen, (Basis-)Geldmengenvermehrung und das Ausweiten der staatlichen Verschuldung - werden in der Öffentlichkeit als Politiken angesehen, mit denen die Krisenerscheinungen "bekämpft“ und zugleich Wachstum und Beschäftigung gefördert werden.

Wenn man sich jedoch vor Augen führt, wie Wachstum und Beschäftigung in einer Volkswirtschaft tatsächlich zustande kommen, drängen sich Zweifel an dieser Einschätzung auf. Denn wirtschaftliche Prosperität steht und fällt mit dem Sparen und dem Investieren der Ersparnisse in Kapitalgüter, die es wiederum ermöglichen, künftig produktiver zu produzieren.


Robinson Crusoe

Sparen im einfachen Sinn bedeutet Konsumverzicht. Güter, die erwirtschaftet wurden, werden zurückgelegt für den späteren Verbrauch. Im Vergleich dazu ist das Sparen in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft eine etwas komplizierte Angelegenheit.

Hier bedeutet Sparen zwar auch Verzicht auf Gegenwartskonsum. Aber die Ersparnisse werden nicht einfach zurückgelegt, um sie künftig verbrauchen zu können. Vielmehr wird das Ersparte investiert: und zwar in die Erweiterung der Produktionskapazitäten, damit in der Zukunft mehr und bessere Güter produziert werden können.

Ein Beispiel soll das illustrieren. Betrachten wir dazu den schiffbrüchigen Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel. Man nehme an, Crusoe kann mit den Händen einen Fisch pro Stunde fangen. Fischt er acht Stunden am Tag auf diese Weise, kann er acht Fische fangen. Wenn er hingegen ein Netz hätte, könnte er, sagen wir, in einer Stunde acht Fische fangen. Doch ein Netz zu flechten, ist für Crusoe eine große Investition!

Denn er braucht dafür Zeit, nehmen wir an acht Stunden. Während des Netzbaus muss er folglich auf den Fischfang eines Tages verzichten (also auf acht Fische). Und nicht nur das: Um das Netz überhaupt flechten zu können, muss Crusoe sicherstellen, dass er genügend Fische hat, von denen er sich in der Zeit des Netzbaus ernähren kann. Er muss also über Ersparnisse in Form von bereits gefangenen Fischen verfügen.

Schließt Crusoe den Netzbau nach acht Stunden harter Arbeit erfolgreich ab, braucht er fortan pro Tag nur noch eine Stunde aufzuwenden, um acht Fische zu fangen. Die restlichen sieben Stunden seines Arbeitstages kann er für andere Aktivitäten nutzen (Möbel schnitzen, Boot bauen etc.). Durch Sparen und Investieren konnte Crusoe seine materiellen Lebensbedingungen verbessern.

In entwickelten Volkswirtschaften sind die Produktionsprozesse natürlich zeitintensiver und mehrstufiger, als es das Crusoe-Beispiel nahelegt. Das heißt, für verschiedene, aufeinanderfolgende Produktionsstufen müssen Ka-pitalgüter produziert werden. Zudem nutzen sich die Kapitalgüter während der Produktion ab. Sie müssen fortwährend ersetzt werden, damit die Gesamtproduktion aufrechterhalten werden kann. Auch müssen Unternehmer ihren Angestellten Löhne bezahlen, und zwar in der Regel bevor die Produkte am Markt verkauft sind. All das muss durch das Vorhandensein von ausreichenden Ersparnissen gedeckt sein.

In einer entwickelten Marktwirtschaft sind Sparen und Investieren also höchst komplexe, zeitaufwendige Prozesse, an denen viele Menschen beteiligt sind. Wie wird dabei sichergestellt, dass ebenso viele Ersparnisse bereitgestellt werden wie für Investitionen benötigt werden? Die Antwort lautet: durch den Zins.


Der freie Zins

Bekanntlich wird ein Gut, das gegenwärtig verfügbar ist (zum Beispiel ein Euro), höher wertgeschätzt als ein Gut, das erst künftig verfügbar ist (zum Beispiel ein Euro in einem Jahr). Der Zins bezeichnet dabei den Wertabschlag des erst künftig verfügbaren Gutes (also des Euro, der in einem Jahr zur Verfügung steht) im Vergleich zum gegenwärtig verfügbaren Gut (also dem Eu-ro, der hier und jetzt verwendet werden kann).

Es wird nur dann gespart, also auf Gegenwartskonsum verzichtet, wenn man dafür einen Zins erhält. Und je mehr aus dem laufenden Einkommen gespart wird, desto höher wird auch der Zins sein, den der Sparer einfordert für seinen Konsumverzicht. Die Investoren, die Ersparnisse nachfragen, um damit Investitionen durchzuführen, werden umso mehr Ersparnisse nachfragen, je niedriger der Zins ist, den sie zu bezahlen haben. In einem freien Markt bildet sich der Zins aus dem Angebot von und der Nachfrage nach Ersparnissen. Der Zins bringt beide Marktseiten zum Ausgleich.

Steigt zum Beispiel die Ersparnis bei gegebener Investitionsnachfrage (weil zum Beispiel die Menschen vermehrt Vorsorge für ihr Alter treffen wollen und dazu vermehrt Unternehmensanleihen nachfragen), so sinkt der Zins - und es kann mehr investiert werden, und das wiederum erhöht die künftigen Produktionsmöglichkeiten und damit die Realeinkommen.




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