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John Kaiser: Kann die TSX Venture noch gerettet werden? (Teil 1/2)

27.03.2013  |  The Gold Report
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The Gold Report: Früher wurden Leerverkäufe durch die Uptick Rule beschränkt, die Leerverkäufe bei fallenden Kursen verbot. 2007 haben die amerikanischen Regulatoren diese Regel jedoch beseitigt und die kanadische Börsenaufsicht folgte diesem Beispiel. Warum glauben Sie, sind das schlechte Neuigkeiten für die Rohstoff-Juniors?

John Kaiser: Die Uptick Rule wurde abgeschafft um Hochfrequenz-Handel zu erleichtern, bei dem Preisdifferenzen zwischen Stammaktien und verschiedenen strukturierten Finanzprodukten wie Indexfonds, ETFs, Optionen und Futures ausgenutzt werden. Dies setzt computergestütztes gleichzeitiges Kaufen und Verkaufen von entsprechenden Titeln an verschiedenen Märkten voraus. Wenn die Uptick Rule für Leerverkäufe am Aktienmarkt gilt, dann lässt sich dies unmöglich legal in einem lohnenden Umfang betreiben.

Im Fall der Rohstoff-Juniors gibt es wenig Gelegenheiten für Arbitrage, da Optionen nur für eine Handvoll Aktien verfügbar sind, nur wenige Aktien ebenfalls an der NYSE MKT gehandelt werden und keine der Aktien Teil eines börsennotierten strukturierten Finanzproduktes ist. Im Namen des Wettbewerbs zwangen die kanadischen Regulatoren jedoch die TMX Group, die die Börsen TSX und TSX.V unterhält, an denen die Rohstoff-Juniors gehandelt werden, den Handel über alternative Handelssysteme zuzulassen, die von Dritten betrieben werden. Anstelle eines einzigen elektronischen Orderbuches, wo das Prinzip "Wer zuerst kommt, malt zuerst“ gilt und wo vollkommene Transparenz hinsichtlich der Handelsaktivitäten und der Markttiefe herrscht, haben wir jetzt einen durch die Existenz mehrerer paralleler Orderbücher fragmentierten Markt. Jede Maklerfirma hat ihr eigenes System, um die Orders der Kunden in diesem Durcheinander zu verfolgen. Außerdem können die Kunden bestimmen, in welchem alternativen Handelssystem ihre Orders platziert werden. Die Preisdifferenzen zwischen den Orderbüchern können sowohl von Algorithmen als auch von Eigenhändlern ausgenutzt werden.

Die Uptick Rule funktioniert nur, wenn es eine strenge Reihenfolge bei der Ausführung der Orders gibt, sodass der letzte Handelspreis immer eindeutig definiert ist. In einem solchen System kann eine Verkaufsorder, die als Leerverkauf gekennzeichnet ist, nicht ausgeführt werden, wenn der Verkaufspreis niedriger ist, als der letzte gehandelte Preis. Wenn die Orders aber in alternativen Handelssystemen ausgeführt werden können, ist es nicht möglich, eine definitive Abfolge von unterschiedlichen Preisen zu erhalten, sodass die Uptick Rule nicht durchgesetzt werden kann. In Kanada wurde die Uptick Rule für Leerverkäufe abgeschafft, damit Orders für die gleichen Titel auf verschiedenen, mit einander im Wettbewerb stehenden Handelsplattformen abgewickelt werden können.


The Gold Report: Wie entsteht dadurch eine strukturelle Ineffizienz am Junior-Rohstoffmarkt?

John Kaiser: Die aktuellen Bedingungen ermöglichen es Tradern, Kapital zu erhalten, das in das System fließt, ohne dafür einen Gegenwert beizusteuern. Es wurden sowohl Algorithmen als auch Eigenhändler zugelassen, weil dies Liquidität erzeugt. Perverserweise bezahlen einiger der Handelssysteme sogar für die Daytrading-Orders und strafen so echte Investoren ab, die auf Fundamentaldaten beruhende Long-Positionen halten. Das Problem der Rohstoff-Juniors ist, dass die Daytrader sich nicht für Fundamentaldaten interessieren - sie konzentrieren sich ausschließlich auf Wertschwankungen und Kapitalbewegungen. Indem sie Leerverkäufe tätigen, ohne diese als solche kennzeichnen zu müssen, können sie Kapital abfangen, das von Investoren mit Long-Positionen in die Aktie fließt. Um davon zu profitieren, müssen sie die Short-Position natürlich glattstellen. Dazu müssen sie einfach nur warten, bis kein neues Geld mehr in die Aktie fließt und dann die Angebotsseite des Orderbuchs weiter mit Leerverkaufsorders füllen, bis die fehlgeschlagene Rally dazu führt, dass die verzweifelnden Aktionäre mit Long-Positionen massenhaft verkaufen. So können die Short-Positionen des Traders noch am selben Tag glattgestellt werden.

Wenn Händler, die darauf setzen, dass ein Unternehmen seine Ziele erreicht, gegen Daytrader antreten müssen, verschwinden erstere vom Markt. Dadurch wird es für die Juniors schwierig, bei positiven Entwicklungen hinsichtlich der Fundamentaldaten auch eine positive Kursbewegung zu erreichen, mit deren Hilfe sie weitere Arbeiten finanzieren könnten. Wenn man dann noch bedenkt, dass sich die Regulatoren bemühen, den Kapitalfluss durch Privatplazierungen zu begrenzen, um die Investoren zu schützen, wird schnell klar, dass sie Juniors in einem Teufelskreis der Verwässerung festsitzen. Sie emittieren immer mehr Aktien zum gleichen oder zu einem sogar noch niedrigeren Preis an einen schrumpfenden Kreis von "echten Anlegern", obwohl sie Fortschritte machen. Da die laufende Aktienfinanzierung die Voraussetzung für einen grundlegenden Erfolg ist, also für das Auffinden einer Lagerstätte, die zu einer Mine weiterentwickelt werden kann, verfälscht diese strukturelle Ineffizienz die Situation weiter zu Gunsten der Daytrader. Diese angeblich Liquidität bringenden Trader am System teilnehmen zu lassen, hat also in Wirklichkeit das Verschwinden der Liquidität bedingt.

Das Ende vom Lied ist dann, dass sich Investoren, die sich an Fundamentaldaten orientieren, ganz aus diesem Sektor zurückziehen. Übrig bleiben nur Algotrader und Eigenhändler, die dann versuchen, sich gegenseitig auszustechen. Dadurch kann zwar für eine Weile der Anschein eines gesundes Marktes erweckt werden, aber von dem im Spiel befindlichen Kapital fließt nichts in die Unternehmenskassen. Und wenn die Unternehmen hinsichtlich der Fundamentaldaten keine Erfolge vorweisen können, gibt es für Anleger, die ihre Wetten darauf abschließen, keinen Anreiz, den Junior-Rohstoffmarkt im Auge zu behalten. Außerdem sind die Daytrader mittlerweile ziemlich gut darin zu erkennen, wann sie nur miteinander im Wettbewerb stehen. Sobald ihnen klar wird, dass sie sich nur gegenseitig bekämpfen, statt Jagd auf die richtigen Investoren zu machen, treten sie die Flucht an. Zurück bleiben sehr hohe Spreads und nur wenige Aktien, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite - der Markt ist im Prinzip tot. Das ist das institutionelle Versagen, das ich am kanadischen Junior-Rohstoffmarkt befürchte.


The Gold Report: Vorhin erwähnten Sie, dass ein höherer Goldpreis oder eine große Entdeckung, der weitere folgen könnten, das Potential hat, die pessimistische Stimmung hinsichtlich der Rohstoff-Juniors zu vertreiben. Während Ihrer Rede auf der Konferenz gaben Sie jedoch zu verstehen, dass Sie dieses Mal nicht glauben, dass ein Umschwung der Marktstimmung ausreicht, um den Sektor zu retten. Warum sollten wir die Anzeichen nicht einfach als das normale Murren eines Bärenmarktes abtun, der den Boden erreicht hat?

John Kaiser: Es gab viele Diskussionen über computergestützten Hochfrequenz-Handel an der TSX und der TSX.V. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Liquidität zu niedrig ist, um algorithmischen Handel in großem Maßstab zuzulassen. Das Problem, das ich heute beschrieben habe, beinhaltet vor allem Trader, die Computer verwenden und Handelsstrategien austüfteln, um Gelegenheiten zum Geld machen zu erkennen. Wenn es zu einer Hausse kommt, werden diese Daytrader einfach hinweggefegt. Allerdings ist mittlerweile die nötige technologische Infrastruktur vorhanden, um vollkommen automatisierten Handel in viel größerem Umfang zu ermöglichen, falls und wenn sich eine Hausse anbahnt. Einen derartigen Sturm haben die kanadischen Rohstoff-Juniors noch nie erlebt und ich fürchte, dass er zukünftige Bullenmärkte in diesem Sektor ersticken würde.

Lesen sie weiter: Teil 2 ...


© JT Long
The Gold Report



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Dieser Artikel wurde am 15. Februar 2013 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.




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