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Der Fluch der niedrigen Zinsen

29.11.2015  |  Manfred Gburek
Bevor ich heute zum Thema Geld und Gold komme, gestatten Sie mir bitte einige Anmerkungen zu zwei aktuellen Fällen vom in Deutschland um sich greifenden Denkverbot. Erster Fall: "Wir brauchen keine Gesinnungspolizei oder Meinungsüberwachung, sondern hoffentlich 80 Millionen verschiedene Köpfe und Wahrheiten." Dieser Satz stammt vom erfolgreichen Komponisten und Sänger Herbert Grönemeyer aus Anlass des Krachs um den zurückgezogenen NDR-Vorschlag, den Sänger Xavier Naidoo ins Rennen des European Song Contest zu schicken. Offenbar passten den Oberen von NDR und ARD ein paar Sätze von Naidoo nicht in ihr Weltbild. Früher bezeichneten wir so etwas als Schere im Kopf.

Zweiter Fall: An diesem Wochenende findet der Bundesparteitag der AfD in Hannover statt. Im Vorfeld outeten sich AfD-Gegner, indem sie unter Führung des Hannoverschen Oberbürgermeisters willkürlich Restriktionen einführten, die in der Stornierung von Buchungen für Hotelzimmer gipfelten. Gewerkschafter und allerlei linke Gruppierungen mischen jetzt kräftig mit. Derweil trauen sich konservative Bürger nicht mehr vor die Fernsehkameras, weil sie befürchten müssen, mit Aussagen gegen den linken Mainstream in die rechte politische Ecke gestellt zu werden. Armes Deutschland.

Wenn es doch nur bei diesem Knatsch bliebe. Doch leider geht es um mehr. Die weiter kräftig auf uns zurollende Flüchtlingswelle ist nicht mehr zu stoppen, geschweige denn zu kontrollieren. Die Berliner wie auch die Brüsseler Politik hat die Oberhoheit über sie längst aufgegeben, gibt das aber nicht zu. Stattdessen wird über den Einsatz der Bundeswehr gegen den Islamischen Staat debattiert, als hänge davon die weitere Entwicklung im Nahen Osten ab - eher ein Ablenkungs- als ein Militärmanöver.

Da verwundert es kaum, dass die EZB mit ihrer verschwenderischen Geldpolitik ihr Mandat immer mehr in Richtung Realpolitik ausdehnt, indem sie die mittelbare Staatsfinanzierung übernimmt. Dass EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann dagegen opponiert, ist ja hinreichend bekannt. Jetzt hat sich auch Sabine Lautenschläger, Mitglied des EZB-Direktoriums, diesem prominentesten Kritiker des EZB-Chefs Mario Draghi in aller Öffentlichkeit angeschlossen.

Und Isabel Schnabel, Mitglied des Sachverständigenrats, lässt ihrer Meinung ebenfalls freien Lauf, wenn sie die Geldpolitik öffentlich als "zu expansiv" bezeichnet, um im selben Atemzug eine besonders schlimme Entwicklung beim Namen zu nennen: "Der Niedrigzins belastet die Ertragslage von Banken und Lebensversicherungen. Sie gehen deshalb stärker ins Risiko."

Daraus folgt, dass Versicherungs- und Bankkunden über kurz oder lang davon betroffen sein werden: Die einen, weil ihr Erspartes bis zum Ende der Vertragslaufzeit zusammenzuschmelzen droht. Und die anderen, weil die Gefahr besteht, dass die eine oder andere Bank kollabiert. Dann kommt in der Regel zwar die Einlagensicherung zum Einsatz, aber um die ist gerade ein Streit entbrannt. Sie soll europäisiert werden, verlautet aus der EU-Kommission. Das heißt, deutsche Sparer sollen zur Haftung herangezogen werden, wenn Banken in einem anderen europäischen Land pleite gehen.

Kommende Bankpleiten sind nicht mehr von der Hand zu weisen. Unter den Gründen, die dafür sprechen, ragt einer besonders hervor: die Flucht der Sparer. Bekanntlich sorgen die extrem niedrigen Zinsen dafür, dass Sparer sich nach Alternativen umsehen. Das wirkt auf Banken und Sparkassen kontraproduktiv, weil sie mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Aber woher nehmen, wenn potenzielle Eigenkapitalquellen versiegen? Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht diesbezüglich vor allem kleine und mittlere Institute in Gefahr.

Über allem schwebt der Geist von Mario Draghi, der am kommenden Donnerstag verkünden mag, was er will, es jedoch niemandem wirklich recht machen kann. Das liegt daran, dass er die Geldpolitik der EZB bereits in eine Richtung gesteuert hat, die bestenfalls marginale Impulse für das Wirtschaftswachstum erwarten lässt. In diesem Zusammenhang werden vielerorts Wetten abgeschlossen, was passiert, falls es zu negativen Zinsen kommt. Dazu sagte mir ein Banker, der es wissen muss: "Kein Mensch weiß wirklich, wie man mit negativen Zinsen umgeht." Mich schaudert es bei dem Gedanken, dass die oberste europäische Geldinstanz unbekanntes Terrain betritt und wahrscheinlich selbst nicht weiß, was sie mit ihrer Geldschwemme einschließlich Nullzinspolitik anrichtet.

Und die möglichen Folgen? Zunächst ist ein Vertrauensverlust zu erwarten, ganz gleich, was Draghi am Donnerstag vortragen wird. Dafür ist der Euro in letzter Zeit einfach schon zu sehr gegen den Dollar gefallen. Gleichzeitig werden die Teilnehmer an den Finanzmärkten wegen der Nullzinsen höhere Risiken eingehen. Man denke nur an die Vorliebe vieler amerikanischer Portfoliomanager für Ramschanleihen, die es in den USA auf ein Volumen von 1,5 Billionen (amerikanisch: trillions) gebracht haben.

Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest hat in einer seiner letzten Kolumnen die folgende Behauptung gewagt: "Die US-Inflationsrate dürfte in den kommenden Monaten deutlich steigen." Er macht das anhand verschiedener Indikatoren fest, unter anderem am Verhältnis inflationsgeschützter zu gängigen amerikanischen Anleihen. Dieses Verhältnis dreht seit Ende September mit Unterbrechungen leicht nach oben.

Mehr Inflation, und das bei einem relativ starken Dollar sowie in Erwartung einer Leitzinserhöhung noch in diesem Jahr, wie reimt sich das zusammen? Greifen wir zur Beantwortung dieser Frage doch einfach mal zwei Gründe heraus. Zum einen: Am nächsten Freitag tagt die OPEC. Dann will Saudi-Arabien vorpreschen, um den anderen Mitgliedern dieses Organisation eine Kooperation anzubieten. Ziel: Der Ölpreis soll endlich stabilisiert werden. Gelingt das, ist mit einem schnellen Preisdreh nach oben zu rechnen, wahrscheinlich nicht allein beim Öl, sondern auch bei anderen Rohstoffen.

Zum anderen: Das immer wieder vorgebrachte Argument, eine Zinserhöhung in den USA werde den Dollar in die Höhe treiben und den Goldpreis noch weiter drücken, ist schlicht und einfach falsch. Der nochmalige Preisrückgang vom Freitag spricht nicht gegen diese These. Denn steigende Zinsen bedeuten fallende Anleihenkurse und damit unter dem Strich negative Anleihenrenditen. Bevor Anleger dieses Risiko eingehen, wenden sie sich doch lieber dem zinslosen Gold zu.

An dieser Stelle sei nochmals gefragt: warum Gold? Weil der schleichende Verlust des Vertrauens in die Kaufkraft der Währungen, egal welcher, weiter fortschreitet. Wird in den kommenden Monate auch noch anhand der US-Inflationsrate sichtbar, dass es tatsächlich Inflation gibt, kann der Vertrauensverlust schnell Anleger weltweit zu größeren Goldkäufen bewegen. Falls es dann zwecks Inflationsbekämpfung zu Zinserhöhungen kommt, ist - siehe oben - mit der Renaissance des Goldes zu rechnen, Silber inbegriffen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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