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2016: Überraschungen & Szenarien

26.01.2016  |  John Mauldin
"Das Erwartete geschieht fast nie, und wenn, dann nicht so wie erwartet."
- Vernon A. Walters

"Es liegt in der Natur von Erkundungen, dass wir nicht wissen, was wir vorfinden werden. Wir können Vermutungen anstellen, hoffen und versuchen, bestimmte Dinge aufzuspüren, aber wir müssen mit Überraschungen rechnen."
- Charles H. Townes

Jedes Jahr im Dezember und Januar lese ich es wieder in einer der zahllosen Politik- und Wirtschaftsprognosen, die zum Jahreswechsel veröffentlicht werden: Irgendjemand schreibt immer, man solle "Überraschungen erwarten."

Solche Ausdrücke treiben den Autor in mit in den Wahnsinn. Eine Überraschung ist per Definition etwas, das man nicht erwartet. Zu sagen, eine Überraschung sei zu erwarten ergibt also keinen Sinn. Da könnte man genauso gut schreiben "Erwarten Sie, dass das warme Wasser kalt ist." Die Worte passen einfach nicht zusammen.

Der Analyst in mir versteht jedoch ganz genau, was damit gemeint ist: Nicht, dass wir ein bestimmtes, unvorhersehbares Ereignis erwarten sollen, sondern dass wir die Wahrscheinlichkeit einkalkulieren sollten, dass wir eines Tages auf irgendeine Weise überrascht werden.

Diese Vorhersage trifft fast immer zu. Ich kann Ihnen garantieren, dass Sie in diesem Jahr eine Überraschung erleben. Ich kann nicht sagen, welche genauen Ereignisse Sie überraschen werden, aber ich kann einige wohl begründete Vermutungen anstellen, wie ich das vergangene Woche in dem Artikel "Economicus Terra Incognita" getan habe. Heute gehe ich einen Schritt weiter und erläutere ein paar der "Überraschungen", die andere in ihren Glaskugeln sehen.

Wir können anerkennen, wie schwierig es ist, Prognosen zu treffen, aber dennoch von Spekulationen profitieren, die auf Tatsachen beruhen. Wie das geht? Hören Sie sich an, was Marktbeobachter zu sagen haben, die ihre Grenze kennen. Die nützlichsten Vorhersagen stammen von gut informierten Analysten, die verstehen, wo die sehr realen Grenzen im Hinblick auf Spekulationen über die Zukunft liegen. Eines meiner liebsten Clint-Eastwood-Zitate, das ich oft gegenüber meinen Kindern oder Freunden anbringe, ist "Ein Mann muss seine Grenzen kennen."

Letzte Woche haben wir die Grenzen der Zukunftsprognosen diskutiert. In einem Absatz zusammengefasst, fiel meine Vorhersage folgendermaßen aus: Das Wachstum der Weltwirtschaft wird weiter zurückgehen und auch in den USA wird sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen und näher an 1%, als an 2% liegen. Bevor wir jedoch in eine echte Rezession abrutschen, sollte es einen Warnschuss aus Übersee geben.

Ich spekulierte, dass ein solcher Schock durch den Kollaps der Eurozone, eine echte Krise in China (mehr als nur ein Rückgang der Wachstumsrate auf 3-4%) oder eine ungewöhnlich heftige Baisse an den Aktienmärkten ausgelöst werden könnte. In der Vergangenheit wurden Rezessionen nicht durch Bärenmärkte ausgelöst - die Kausalität funktioniert andersherum. Aber früher ist die US-Wirtschaft auch nicht im Schneckentempo vorangekrochen, deshalb denke ich, dass wir diese Möglichkeit nicht ausschließen können. All meine anderen Vorhersagen basieren auf diesen Grundgedanken.

Heute schauen wir uns also die Prognosen einiger professioneller Analysten, denen ich vertraue, für 2016 an. Die meisten von ihnen kenne ich persönlich und mit einigen bin schon seit vielen Jahren befreundet. Ich weiß, dass sie nicht nur die gleiche alte Leier wiederholen. Natürlich können sie auch falsch liegen, aber aus den richtigen Gründen. Wenn wir die Vorhersagen besprochen haben, werden wir herausfinden, welche Gemeinsamkeiten sie aufweisen und wo maßgebliche Unterschiede liegen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die vorliegenden Auszüge normalerweise nicht öffentlich zugänglich sind. Meine Freunde verkaufen ihre Analysen normalerweise zu sehr hohen Preisen oder teilen sie nur mit ihren wohlhabenden Klienten. Sie haben der Veröffentlichung auf meiner Seite auf zwei Gründen zugestimmt: Erstens wissen sie, dass ich ihre Meinungen fair und respektvoll darstellen werden, selbst wenn ich anderer Ansicht bin, und zweitens ist ihnen bewusst, dass meine Leser intelligente Leute sind, mit denen sie potentiell erfolgreiche Geschäftsbeziehungen eingehen können. Wenn Sie also vielversprechende Möglichkeiten sehen, dann sind Sie herzlich eingeladen, Kontakt zu den entsprechenden Analysten aufzunehmen. Jetzt aber weiter im Text.


BCA: Gefangenen in einem festgefahrenen System

Der hochgeschätze Bank Credit Analyst beginnt seine Prognosen jedes Jahr traditionell mit der Wiedergabe eines Gesprächs mit dem langzeitigen (und möglicherweise erfundenen) Abonnenten Mr. X, der sehr besorgt und voller Fragen im Büro auftaucht. Seltsamerweise scheint Mr. X immer meine eigenen Bedenken zu teilen, daher warte ich immer voller Ungeduld auf die Neujahrsausgabe des BCA. Ich lese den Bank Credit Analyst jetzt schon seit 25 Jahren. Der frühere Redakteur und jetzige Chefökonom Martin Barnes und sein Team versuchen, die Sorgen von Mr. X zu zerstreuen.

Bei seinem diesjährigen Besuch war Mr. X sehr beunruhigt und fürchtete, dass die extremen währungspolitischen Maßnahmen der Zentralbanken zu enormen Verschiebungen im Wirtschafts- und Finanzsystem führen. Er sieht eine Welt voller Risiken und fragt sich, ob er seine Aktieninvestitionen verringern sollte. (Hinweis: Der BCA-Newsletter wurde im Dezember veröffentlicht, vor dem Crash an den Börsen.)

In diesem Jahr schreibt BCA, dass Mr. X tatsächlich allen Grund zur Sorge hat. Das Team ist der Ansicht, dass die schleppende wirtschaftliche Erholung eher auf strukturellen, als auf zyklischen Faktoren beruht. Dem BCA zufolge nähert sich der "Schulden-Superzyklus" (ein Konzept, das sie schon vor Jahrzehnten entwickelt haben) jetzt ganz allmählich seinem Ende - eine Entwicklung, deren Abschluss noch ein weiteres Jahrzehnt oder mehr in der Zukunft liegen könnte. Wir haben es hier nicht mit einer normalen Rezession oder Erholung gemessen an den Bilanzzahlen zu tun. Das verhaltene Wachstum der Einkommen beschränkt die Nachfrage, wodurch wiederum der Schuldenabbau begrenzt wird.

Aus dieser Sichtweise ergeben sich zahlreiche interessante Konsequenzen. Das BCA-Team fragt sich offen, ob wir den Höhepunkt der Globalisierung schon erreicht haben. Das ist eher untypisch für BCA - und macht mich daher noch aufmerksamer. Peak-Globalisierung steht jetzt auf der Liste der Dinge, über die ich nachdenken muss. Die weltweiten Handelsströme wachsen nicht mehr schneller, als die Weltwirtschaft. Gleichzeitig bieten neue Technologien wie 3D-Drucker und die Robotik die Möglichkeit, Güter näher an den Konsumenten zu produzieren.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen also Fabriken in der Nähe ihrer Absatzmärkte errichten, statt die Produktion in ihrem Heimatland zu belassen und die fertigen Waren zu exportieren. Die Forderung nach strengeren Einwanderungskontrollen ist in Wirklichkeit eine Form des Handelszolls, denn sie hindern ein wichtiges Wirtschaftsgut - die Arbeitskraft - daran, ihre optimales Einsatzgebiet zu erreichen.

Wie Ian Bremmer (siehe unten) glaubt BCA, dass China eine "harte Landung" vermeiden wird, aber sie rechnen zukünftig durchaus mit einem geringeren Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte. Den Schwellenmärkten im Allgemeinen stehen schwierige Zeiten bevor, besonders angesichts der gravierenden Überschuldung. Im Hinblick auf Öl, Gold und die Rohstoffe ist BCA leicht pessimistisch, denn das Team geht davon aus, dass der US-Dollar gegenüber den Währungen der Schwellenländer und den Rohstoffwährungen weitere Gewinne verzeichnen wird.

An dieser Stelle sind einige Zitate angebracht:


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