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Warum Negativzinsen gut für den Goldpreis sind

03.04.2016  |  Manfred Gburek
Amerikaner entpuppen sich, durch die europäische Brille betrachtet, von Fall zu Fall als seltsame Spielernaturen. So wie in den vergangenen Tagen, als sie erst Wetten abschlossen, dass die nächste US-Zinserhöhung noch lange auf sich warten lassen werde, um am Freitag trotz eines eher nur durchwachsenen Berichts ihres Arbeitsministeriums auf einmal zu Konjunktur-Optimisten zu mutieren. Eine bessere Konjunktur, so ihr Credo, lasse die Zinserhöhung nun doch wieder näher rücken. Folglich schickten sie die Aktienkurse spontan nach unten, weil hohe Zinsen nicht gut für die Börse sind, und den Goldpreis gleich dazu.

Über die Logik ihres Handelns einschließlich der dahinter verborgenen Gedanken kann man streiten. Fakt ist indes, dass an der Börse Erwartungen gehandelt werden, und die können eben von heute auf morgen umschwenken. Das bringt solchen Anlegern, die gern Erwartungen schüren, um davon zu profitieren, hohe Spielgeld-Gewinne. Ich gehe jede Wette darauf ein, dass sie sich vor Bekanntgabe der Daten zum Arbeitsmarkt kräftig mit Puts bzw. Terminkontrakten auf fallende Aktienkurse und Edelmetallpreise eingedeckt haben.

Die Trends bleiben davon allerdings unberührt. So auch der Trend des Goldpreises, der zur Jahreswende nach oben gedreht hat. Insofern kommt - nicht zuletzt auch zur Beruhigung der Besitzer von Gold, Silber und Minenaktien - eine aktuelle Studie des World Gold Council zum Thema Gold und Negativzinsen gerade zur rechten Zeit. Negativzinsen, das ist der Knackpunkt, und nicht etwa die mehr als vage Erwartung steigender Zinsen.

Überliest man Passagen, die von einem gewissen Zweckoptimismus zeugen (das World Gold Council ist ja die Interessenvertretung der Minenindustrie), hat die Studie es in sich. Deshalb seien hier zunächst einige ihrer Kernthesen zitiert:

"Die langfristigen Effekte der Negativzins-Politik sind zwar nicht vorhersehbar, aber es gibt entmutigende Begleiterscheinungen, wie eine labile Entwicklung der Anlagen, aufgeblasene Bilanzen und Währungskriege. Die Geschichte offenbart, dass der Goldpreis in Zeiten niedriger Zinsen typischerweise mehr als doppelt so stark steigt wie im langfristigen Durchschnitt. Wir glauben, dass die Negativzins-Politik auf lange Sicht in einer strukturell höheren Goldnachfrage vonseiten der Zentralbanken wie auch der Investoren resultieren kann.

Die Negativzins-Politik führt dazu, dass die Opportunitätskosten der Goldhaltung sinken. Sie begrenzt die Zahl der Anlagen, die für Investoren infrage kommen. Sie mindert das Vertrauen in Papiergeld bis hin zu drohenden Währungskriegen und monetären Interventionen. Darüber hinaus erzeugt sie größere Unsicherheit und Kursschwankungen an den Börsen, weil den Zentralbanken die Alternativen zu einer effektiven Geldpolitik ausgehen, um die Inflation oder Deflation zu bekämpfen und/oder für mehr Wachstum zu sorgen.

Die Renditen der Staatsanleihen aus entwickelten Industrieländern sind niedrig und vielfach negativ. Ihre Kurven verlaufen über alle Laufzeiten hinweg flach, sodass Investoren kaum eine andere Wahl haben, als sich anderswo nach Renditen umzusehen. Im aktuellen Umfeld negativer Zinsen haben 30 Prozent der gehandelten Staatsanleihen hoher Qualität negative Renditen; das entspricht mehr als 8 Billionen Dollar. Hinzu kommen 40 Prozent Anleihen mit Renditen unter 1 bis 0 Prozent. Bereinigt man die Renditen um die Inflation, springen die Zahlen noch deutlicher ins Auge: 51 Prozent der Staatsanleihen, entsprechend einem Wert von 15 Billionen Dollar, werfen real negative Renditen ab und nur 16 Prozent real positive von mehr als 1 Prozent.

Wenn Investoren eine Anlagestrategie, die zu Verlusten führt, nicht in Kauf nehmen wollen, müssen sie mehr Gold in Betracht ziehen. Wir sind der Ansicht, dies sollte sich besonders in Pensionsfonds widerspiegeln und in Anlagen, deren Manager einen hohen Anteil von Anleihen in ihren Portfolios halten. Aber auch in Anlagen, deren Manager aufgrund des niedrigen Zinsniveaus zum Beispiel ihren Aktienbestand erhöht haben. Die jüngsten Turbulenzen an den Kapitalmärkten sollten dazu beitragen, den Bedarf an mehr Diversifikation von Portfolios und an effektivem Risikomanagement zu wecken. Das sind Aufgaben, bei deren Bewältigung Gold sich traditionell ausgezeichnet hat.

Zentralbanken haben ihre Anlagen in Gold, um zu diversifizieren, seit der Finanzkrise von 2008/09 immer mehr erhöht. Allein während der zweiten Jahreshälfte 2015 haben sie mehr als 336 Tonnen Gold gekauft, das größte halbjährliche Volumen aller Zeiten. Für sie bleibt die Diversifikation ihrer Reserven oberste Priorität. Wir erwarten, dass sie mit Goldkäufen 2016 und darüber hinaus neue Spitzenwerte erreichen werden.“

So weit einige aktuelle Kernthesen des World Gold Council. Sie sollten für Sie ein Mal mehr Anlass sein, sich in Geduld zu üben, falls Sie stark in Edelmetallen engagiert sind. Damit komme ich zu einem wichtigen Thema, das ich schon häufiger angerissen habe, eben zur Geduld. Der Spekulant André Kostolany hat sie nicht von ungefähr zu einer von vier Börsianer-Tugenden erhoben (neben Gedanken, Geld und Glück). Geduld kann sich nämlich hoch auszahlen, wenn man richtig mit ihr umgeht.

Was bedeutet das? Ganz einfach: Gold, aber auch die anderen Edelmetalle, außerdem Aktien, Immobilien und was es sonst noch für Anlagen gibt, das alles kauft man idealerweise so preisgünstig wie möglich. Leider gelingt der Einstieg zur optimalen Zeit so gut wie nie; damit muss man sich abfinden.

Angenommen, Sie haben Gold im Sommer 2011 gekauft, also zur falschen Zeit, sind jetzt aber fest von den Argumenten des World Gold Council überzeugt. Dann ist aus heutiger Sicht Geduld ratsam - und die Überlegung, nachzukaufen (falls Sie es nicht bereits getan haben), um einen günstigen Gesamt-Einstandspreis zu erzielen. Wobei allein schon der Gedanke, dass die gigantischen Summen, die sich wie erwähnt negativ verzinsen, für Sie genug Stimulus sein sollte, den Goldpreis auf Sicht der nächsten Jahre positiv zu beurteilen.

Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass sich Aktien aus Dax, Dow Jones & Co., außerdem Wohnimmobilien weltweit, in einem anderen Zyklus-Stadium befinden als Edelmetalle und Rohstoffe. Das heißt, ihre Kurse bzw. Preise haben auf Sicht der nächsten Jahre weniger Aufwärtspotenzial. Die entsprechenden Indizien konnte man im ersten Quartal dieses Jahres recht gut beobachten. In dieser Zeit war Gold besonders begehrt - aus guten Gründen, die das World Gold Council anhand der Negativzins-Politik ermittelt hat.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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