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"Helikopter-Euros" im Anflug

04.04.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Anders gesprochen: Eine Zentralbank kann quasi jederzeit für Inflation sorgen, indem sie zum Beispiel neu gedruckte Banknoten aus dem Hubschrauber über der Volkswirtschaft abwirft. Die neuen Scheine würden, so Friedman, begierig von den Menschen aufgesammelt und für Käufe, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen, eingesetzt. Die steigende Nachfrage würde die Güterpreise in die Höhe treiben.

Mit Helikopter-Geld ist eine ganz bestimmte Produktion und Verteilung der Geldmenge angesprochen. Bislang ist es so, dass die Geldmenge im Wesentlichen durch die Kreditvergabe der Banken geschaffen wird. Vergibt eine Bank einen Kredit, schafft sie neues Geld - und zwar "aus dem Nichts".

Wenn aber die Banken nicht mehr in der Lage oder willens sind, die Geldmenge durch Kreditvergabe zu vermehren oder die Nachfrage nach neuen Krediten schwindet, versiegt auch der Zustrom von neuem Geld in die Volkswirtschaft. Dann wird es heikel für das Schuldgeldsystem. Vielen überdehnten Schuldnern droht die Zahlungsunfähigkeit, der Wirtschaft die Rezession.

Um das abzuwenden, wird nunmehr von einigen Ökonomen das Helikopter-Geld als gangbare Alternative angesehen, um für die politisch gewünschte Vermehrung der Geldmenge zu sorgen. Man könnte also auf die Idee kommen, dass mit der Ausgabe von Helikopter-Geld genau die Geldmenge bereitgestellt werden könnte, die von den Banken nicht mehr durch Kreditvergabe geschaffen wird - dass also das Helikopter-Geld die "Lücke" in der Geldversorgung schließt, für die die zurückhaltende Bankkreditvergabe sorgt. Was ist davon zu halten?


V. Das Experiment

Die Ausgabe von Helikopter-Geld kommt einem gewaltigen (Sozial-)Experiment gleich. Die Idee ist wie folgt: Wird Helikopter-Geld ausgegeben, besteht die Hoffnung, dass die nominalen Einkommen ansteigen, ohne dass dafür ein Anwachsen der Schulden erforderlich wäre. Auf diesem Weg lassen sich die Verschuldungslasten der Volkswirtschaften im Zeitablauf absenken. Dabei kommt es natürlich darauf an, ob die Ausgabe von Helikopter-Geld die nominalen Einkommen steigen lässt, weil (1) es inflationär wirkt und die Güterpreise in die Höhe befördert, oder weil (2) es für einen echten Wachstumsschub sorgt, also (nur) die Güterproduktion erhöht.

Schauen wir uns dieses politisch verlockende Kalkül genauer an. Der nachstehende Fall 1 zeigt die typische Entwicklung im ungedeckten Papiergeldsystem: Die Schulden steigen schneller als die Einkommen. Die Folge ist, dass die Verschuldung im Zeitablauf ansteigt. Sie steigt immer weiter an - bis irgendwann das Ende erreicht ist: Entweder sind die Kreditgeber dann nicht mehr bereit, fällige Kredite zu erneuern oder zusätzliche Kredite zu vergeben; und/oder die Kreditnehmer sind nicht mehr in der Lage oder willens, die Altkredite zurückzuzahlen und/oder neue Kredite aufzunehmen. Das Ergebnis: Das ungedeckte Papiergeldsystem bricht (irgendwann) zusammen.

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Quelle: Eigene Berechnungen. 1) Schulden wachsen mit 8 Prozent p.a. 2) Das Einkommen wächst mit 4 Prozent p. a. 3) Die Verschuldung errechnet sich als Schulden dividiert durch das Einkommen. Auf der horizontalen Achse ist die Zeit abgetragen.


Nun betrachten wir Fall 2: Hier gelten die gleichen Annahmen wie in Fall 1 bis zum Jahr 10. Danach fällt die Verschuldungszunahme auf null, weil fortan der Geldbedarf der Marktakteure durch neu geschaffenes Helikopter-Geld finanziert wird. Die Folge ist (annahmegemäß), dass die nominalen Einkommen fortan stärker als bisher anwachsen - und zwar weil die Preise stärker steigen als bisher. Das wiederum hat zur Folge, dass beginnend mit Jahr 11 die Verschuldungslast (die sich errechnet aus Schulden dividiert durch Einkommen) sinkt. Mit anderen Worten: Das Helikopter-Geld weckt die Hoffnung, dass es das ungedeckte Papiergeldsystem vor der Überschuldung und damit vor dem Zusammenbruch bewahrt.

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Quelle: Eigene Berechnungen. 1) Schulden wachsen mit 8 Prozent p.a., ab dem Jahr 11 beträgt der Schuldenzuwachs null Prozent 2) Das Einkommen wächst mit 4 Prozent p. a., ab dem Jahr 11 wächst es mit 8 Prozent p.a. 3) Die Verschuldung errechnet sich aus Schulden dividiert durch das Einkommen. Auf der horizontalen Achse ist die Zeit abgetragen.


Allerdings hat die "Rettung" einen hohen gesamtwirtschaftlichen Preis: Und das ist die Entwertung der Kaufkraft des Geldes. Man mag nun zwar hoffen, dass die Ausgabe von Helikopter-Geld das Wirtschaftswachstum belebt und nicht die Inflation in die Höhe treibt. Doch das ist, wie bereits gesagt, eine trügerische Hoffnung: Das Ansteigen der Geldmenge macht eine Volkswirtschaft nicht reicher, sondern sie sorgt für höhere Preise.

Die Geldmengenvermehrung erhöht nicht die Ressourcen, mit denen sich neue Investitionen realisieren lassen. Im Gegenteil: Die inflationäre Wirkung, die mit einer Geldmengenvermehrung verbunden ist, entmutigt das Sparen und ermutigt das Konsumieren. Der Aufbau des Kapitalstocks fällt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Volkswirtschaft betreibt Kapitalverzehr - und steht letztlich schlechter da, als wenn die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre. - Es gibt jedoch noch weitere Probleme, die mit dem Helikopter-Geld verbunden sind. Sie sollen im Folgenden kurz angesprochen werden.


Exkurs

Zwischen Geldmengenausweitung und der allgemeinen Preisentwicklung besteht ein positiver Zusammenhang: Steigt die Geldmenge, so fallen die Preise höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre. In der Vergangenheit ließ sich vor allem ein "auffälliger" Langfristzusammenhang zwischen den Veränderungen der Euro-Geldmenge M3 und der Veränderung der Konsumentenpreise beobachten.

Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht stabil in dem Sinne, dass eine Geldmengenausweitung immer und stets sofort eine bestimmte Preissteigerung hervorruft. Eine Reihe von Gründen erklärt das: (1) Es dauert, bis eine Geldmengenausweitung wirkt und sich in steigenden Preisen zeigt; (2) die Geldmenge kann, muss aber nicht die Konsumentenpreise anheizen - sie kann auch zum Beispiel die Aktien- und Häuserpreise in die Höhe befördern. Letztere werden jedoch in den Konsumentenpreisen nicht oder nur unzureichend abgebildet.

Aus diesen Gründen wird der Verbund zwischen Geldmengen und Preissteigerungen auch immer wieder (zu Unrecht) in Frage gestellt. - Es ist davon auszugehen, dass es der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit vor allem darum geht, das Wachstum der Geldmenge M3 in Gang zu halten beziehungsweise zu beschleunigen. Wenn das mittels Bankkreditvergabe nicht gelingt, liegt natürlich die Ausgabe von Helikopter-Euro auf der Hand.


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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen



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