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Goldnachfrage verschiebt sich von Ost nach West

28.05.2016  |  Eugen Weinberg
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Mangels anderer Anlagealternativen - Immobilien sind in China bereits sehr teuer und die Anlage in chinesischen Aktien scheint angesichts der Kursstürze und der enttäuschenden Aktienmarktentwicklung seit letztem Sommer nicht sonderlich attraktiv - dürften die privaten Haushalte Gold als Mittel zum Werterhalt den Vorzug geben. Zu erkennen ist dies bereits am Anstieg des Absatzes von Münzen und Barren im ersten Quartal um 5%. Für das Gesamtjahr erwartet der WGC für China eine Goldnachfrage von 900-1.000 Tonnen. Damit würde der Rückstand aus dem ersten Quartal voraussichtlich nicht mehr vollständig aufgeholt. Denn im Gesamtjahr 2015 betrug die private Goldnachfrage in China 985 Tonnen.

Auch zu Beginn des zweiten Quartals scheinen die genannten Nachfragetendenzen anzuhalten. Die Nachfrageschwäche in Indien scheint sich im April und Anfang Mai fortgesetzt zu haben. So meldete das indische Finanzministerium für April einen Rückgang der indischen Goldimporte um 74% gegenüber dem Vorjahr. Die Goldnachfrage am zweitwichtigsten "Goldfeiertag" in Indien, "Akshaya Tritiya", Anfang Mai lagen in diesem Jahr ein Drittel unter dem Vorjahresniveau. Dagegen ist die ETF-Nachfrage ungebrochen hoch. Nach leichten Abflüssen im April haben die ETF-Anleger in den ersten drei Wochen im Mai bereits wieder mehr als 80 Tonnen Gold gekauft (Grafik 4).

Damit wird das Niveau von Januar und März übertroffen. Zwischen Ende April und Mitte Mai kam es an 14 aufeinanderfolgenden Handelstagen zu Netto-Zuflüssen. Eine längere Phase von Zuflüssen gab es zuletzt im Februar. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, verzeichnete Anfang Mai sogar den größten Tageszufluss seit August 2011. Zudem blieb auch die Münznachfrage zu Quartalsbeginn stark. Der Absatz von US-Goldmünzen übertraf im April das Vorjahresniveau um das 3,5-fache und erreichte mit 105,5 Tsd. Unzen das höchste April-Niveau seit dem Rekordjahr 2013.

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Neben der robusten physischen Investmentnachfrage nach Gold-ETFs, Münzen und Barren wurde der Goldpreis in den letzten Wochen und Monaten aber auch durch spekulative Käufe nach oben getrieben. Die Netto-Long-Positionen der spekulativen Finanzanleger, d.h. deren Wetten auf einen steigenden Goldpreis, stiegen Anfang Mai laut CFTC auf 219 Tsd. Kontrakte und erreichten damit fast wieder das Rekordniveau vom August 2011 (Grafik 5). Zu Jahresbeginn hatten die spekulativen Finanzanleger noch mehrheitlich auf einen fallenden Goldpreis gesetzt. Der Anstieg der spekulativen Netto-Long-Positionen bis Anfang Mai entsprach umgerechnet dem Kauf von rund 680 Tonnen Gold. Das ist in etwa doppelt so viel wie im selben Zeitraum in die Gold-ETFs geflossen ist. Diese kurzfristig orientierten Marktteilnehmer können jederzeit ihre Positionen wieder auflösen und damit den Preis unter Druck setzen.

Voraussichtlicher Anlass hierfür sind die wieder in den Markt zurückkehrenden Fed-Zinserhöhungsspekulationen. Deren Abebben war ein wesentlicher Grund für den Goldpreisanstieg in diesem Jahr. Ging die Fed zu Jahresbeginn in ihren Projektionen noch von mindestens vier Zinserhöhungen in diesem Jahr aus, so lag die Projektion zuletzt nur noch bei zwei Zinsschritten. Die Fed Fund Futures signalisierten bis vor kurzem nicht einmal eine Zinserhöhung bis zum Jahresende, nachdem die Fed im Begleitkommentar im Anschluss an die April-Sitzung keinerlei Hinweise auf eine bevorstehende Zinserhöhung gegeben hatte.

Diese Erwartungshaltung wurde durch das Mitte Mai veröffentlichte Protokoll der Fed-Sitzung von April erschüttert, als sich überraschend eine Mehrheit der Fed-Mitglieder abhängig von der Datenlage für eine Zinserhöhung im Juni ausgesprochen hatte. Viele Marktteilnehmer wurden dadurch auf dem falschen Fuß erwischt, wie die heftige Reaktion beim Goldpreis zeigt. Dieser brach innerhalb weniger Stunden um ca. 30 USD ein und fiel in den sieben folgenden Handelstagen auf ein 8-Wochentief von etwas mehr als 1.210 USD je Feinunze.

Wir sehen angesichts des hohen spekulativen Interesses und der neuerlichen Fed-Zinserhöhungserwartungen kurzfristig das Risiko eines weiteren Preisrückgangs unter 1.200 USD je Feinunze. Wir erwarten jedoch keinen nachhaltigen Rückgang unter diese Marke, da ein derartiges Preisniveau von den Anlegern wohl als attraktive Kaufgelegenheiten erachtet würde. Mit niedrigeren Preisen sollte vor allem das physische Kaufinteresse in Asien anziehen. Dort hat sich nach der Kaufzurückhaltung der letzten Monate Nachholbedarf gebildet.

Momentan deutet auch wenig darauf hin, dass das Interesse an den Gold-ETFs abrupt nachlässt oder gar in Verkäufe umschlägt. Denn die (Real-)Zinsen sind vielfach negativ und die Unsicherheiten zahlreich. Zu nennen sind die wirtschaftliche Entwicklung in China, die politische Entwicklung in Europa und die im Herbst stattfindenden Präsidentschaftswahlen in den USA. Ob die Fed die Zinsen tatsächlich im Juni anheben wird, ist zudem keineswegs sicher. Denn die Fed-Sitzung findet eine Woche vor dem Brexit-Referendum statt, welches bei einer Mehrheit zugunsten eines EU-Austritts Großbritanniens zu erheblichen Marktturbulenzen führen könnte.


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