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Gold: Enormes Gewinnpotential durch Brexit?

11.06.2016  |  Lawrence Williams
Die meisten Meinungsumfragen im Vereinigten Königreich - und, was vielleicht noch wichtiger ist, auch die meisten Medien - hatten in den letzten Wochen prognostiziert, dass die britische Wählerschaft mit einer deutlichen Mehrheit für den Verbleib des Landes in der Europäischen Union stimmen und sich gegen einen Austritt (Brexit) entscheiden würde. Manche Kommentatoren hatten die Möglichkeit des Brexits bereits völlig abgeschrieben.

Die Angst vor dem Unbekannten und die potentiellen Auswirkungen auf die britische Wirtschaft, die von den Gegnern des Austritt immer wieder hervorgehoben wurden (fast schon bis zum Überdruss), schienen den Sieg davonzutragen. In manchen Online-Umfragen gab es zwar den ein oder anderen Ausreißer, doch diese wurden oft als weniger zuverlässig und aussagekräftig abgetan, als die Telefonumfragen, in welchen der Verbleib in der EU durchweg breite Unterstützung fand.

Die neusten Erhebungen für die Tageszeitung The Guardian, die vom Meinungsforschungsunternehmen ICM Research durchgeführt wurden und sowohl online als auch telefonisch ermittelte Daten enthielten, haben allerdings für beträchtlichen Wirbel gesorgt, da beide Umfragen einen Vorsprung von 52% zu 48% für den Brexit feststellten - obwohl die Führungskräfte der etablierten Parteien, d. h. der Conservative Party, der Labour Party, der Liberal Democrats und der Scottish National Party, sich alle deutlich für den Verbleib in der EU ausgesprochen haben. Einzig die UKIP, die vom charismatischen Nigel Farage geführt wird, setzt sich uneingeschränkt für den Austritt ein.

Angesichts der politischen Ausrichtung vieler Mitglieder der Partei, die oft in einem ähnlichen Licht gesehen wird, wie der französische Front National von Marine Le Pen, haben die zum Mainstream zählenden Brexit-Befürworter allerdings versucht, die UKIP in dieser Frage ins Abseits zu drängen. Die Brexit-Gegner erhielten bei ihren Warnungen vor einer wirtschaftlichen Katastrophe, sollte Großbritannien die EU verlassen, jedoch weltweit prominente Unterstützung. US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die IWF-Chefin Christine Lagarde und eine ganze Reihe anderer politischer und wirtschaftlicher Schwergewichte sprachen sich für den Verbleib des Königreichs in der europäischen Staatengemeinschaft aus.

Das Problem ist, dass ein großer Teil der britischen Öffentlichkeit den Aussagen der führenden Politiker immer misstrauischer gegenübersteht und den Zahlen, die in den Medien zerpflückt werden, entweder keinen Glauben mehr schenkt oder sich gar nicht erst dafür interessiert. Die Verfechter des Austritts sind offenbar bereit, einen begrenzten Abschwung der britischen Konjunktur zu akzeptieren, wenn sie dafür mit den Argumenten gewinnen, die die durchschnittlichen Bürger vielleicht am ehesten ansprechen. Dazu zählt zum einen die wiedergewonnene Souveränität des Königreichs, dessen Beschlüsse dann nicht mehr durch EU-Gesetze außer Kraft gesetzt werden könnten, und dessen Rechtssystem sich nicht mehr der Vorrangstellung des Europäischen Gerichtshofs beugen müsste.

Zum anderen ist die uneingeschränkte Zuwanderung durch EU-Bürger ein Thema. Als die EU noch kleiner war und nur aus den wohlhabendsten europäischen Staaten bestand, stellte dieser Punkt wahrscheinlich noch kein Problem dar, doch mit bereits 28 Mitgliedsstaaten und der Aussicht auf kommende EU-Erweiterungen, bei denen auch Länder mit einer viel schwächeren Wirtschaft mit einbezogen werden könnten, wird die Migration innerhalb der EU zur Sorge für Großbritannien. Dem Land fällt es schwer, die mit der hohen Zuwanderungsrate einhergehen Herausforderungen zu bewältigen, wobei sich die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten völlig der Kontrolle durch die britische Regierung entzieht. In diesem Zusammenhang spielen auch die Grenzsicherheit und die Angst vor Terroristen eine Rolle, die über die offenen Grenzen der EU ins Land gelangen könnten.

Die interessanteste Einschätzung der Folgen eines EU-Austritts für die britische Wirtschaft hat vielleicht das angesehene Institute for Fiscal Studies (IFS) veröffentlicht, ein unabhängiger Think Tank (sofern bei dieser Debatte überhaupt jemand als wirklich unabhängig bezeichnet werden kann). Das Institut gelangte zu der Ansicht, dass die Sparmaßnahmen im Falle des Brexits um weitere zwei Jahre verlängert würden, während die britische Wirtschaft im Anschluss an eine solche Entscheidung darum kämpft, wieder auf die Beine zu kommen.

Die Studie legte allerdings auch nahe, dass einige der wirtschaftlichen Horror-Zahlen, die von den Austrittsgegnern verbreitet werden, etwas übertrieben sind, und dass sich die britische Wirtschaft letztlich durchaus wieder erholen würde. Das könnte allerdings eine ganze Weile dauern. Auf der anderen Seite wies das Institut aber auch darauf hin, dass die Wirtschaftsvorhersagen der Brexit-Kampagne "absurd" seien. Die Analysten nahmen also mit Sicherheit kein Blatt vor den Mund.


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