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Zinsen, Gold und Minenaktien in heißer Phase

19.06.2016  |  Manfred Gburek
Nur noch wenige Tage bis zur Brexit-Entscheidung der Briten, da ist es geradezu geboten, in Sachen Geld erst mal nichts zu unternehmen. Denn mit welchem Ergebnis auch immer auf der Insel entschieden wird, allemal kommt für Anleger ein neuer Faktor hinzu: Im Brexit-Fall für ganz kurze Zeit ein heilloses Durcheinander an den Finanzmärkten, dem allerdings die Notenbanken ebenfalls für nur kurze Zeit mit noch mehr Geld als bisher Einhalt gebieten werden - bis ein längerer Katzenjammer einsetzt.

Und wenn uns der Brexit-Spuk erspart bleibt? Dann werden sich die Finanzmärkte kurzfristig aufbäumen, doch auch für diesen Fall wird der Katzenjammer uns nicht erspart bleiben: in Form von weiterhin verzweifelten Versuchen der Notenbanken, die Konjunktur mittels extrem lockerer Geldpolitik in Schwung zu bringen.

So weit das pessimistische Szenario. Nun das optimistische (aber nur aus Anlegersicht), das sich dem pessimistischen vermutlich schon im Lauf des zweiten Halbjahrs anschließen wird: Zum einen dürfte es bei Aktien aus Dax & Co. nach nochmaligen Kursrückgängen hier und da Schnäppchen zu kaufen geben, zum anderen werden Gold und Silber einschließlich der entsprechenden Minenaktien erneut nach oben davonziehen. Warum? Das ausschlaggebende Wort ist: Stagflation. Also die Stagnation der Wirtschaft bei gleichzeitiger Inflation. Die Stagnation ist schnell abgehakt. Sie geht von den USA, von Japan, von Teilen Europas und von einigen Schwellenländern aus. In den USA besteht sogar die Gefahr einer Rezession.

Wahrscheinlich fragen Sie sich: Welche Inflation, ist sie denn nicht ohne Anzeichen eines Anstiegs etwas über Null einzementiert? Beginnen wir mit einer Beobachtung, der bislang nur ein paar Insider die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet haben: EZB-Präsident Mario Draghi erhöhte die Inflationsprognose am 2. Juni von 0,1 auf 0,2 Prozent. Das ist zwar wenig, aber allein schon aufgrund des Basiseffekts beim Ölpreis schlüssig und nach oben offen. Natürlich sind 0,2 Prozent ein kleiner Bruchteil von annähernd 2 Prozent, dem EZB-Inflationsziel. Doch weil die Inflation ein dynamischer Prozess ist, wird es nicht Jahre, sondern nur noch Monate dauern, bis sich die Inflationsrate im Euroraum nach oben schleicht.

Selbst wenn man die niedlich erscheinenden 0,2 Prozent Inflationsprognose mit den negativen Renditen von Bundesanleihen bis zu zehn Jahren Laufzeit ins Verhältnis setzt, kommt real ein Minus heraus. Das bedeutet anhand des folgenden Beispiels: 0,2 Prozent zuzüglich 0,57 Prozent negative "Rendite" zweijähriger Bundesanleihen ergibt 0,77 Prozent Minus. Also freut sich der Finanzminister, denn er bekommt Geld mehr als nur geschenkt.

Aber ärgern sich deshalb die Anleger? Die Großen unter ihnen mit riesigen Volumina nicht unbedingt, ja sie haben es sogar auf zweijährige Bundesanleihen abgesehen: Als Ersatz für Tages- und Festgeld, weil sie den Banken nicht trauen. Lieber nehmen sie minus 0,77 Prozent per annum in Kauf. Dieses Zinsspiel befindet sich gerade in einer heißen Phase. Es wird zunehmend begleitet von Goldkäufen, denn das Edelmetall ist ebenso wie ein Großteil der Bundesanleihen in die Rolle als Cash-Ersatz geschlüpft - eine Sicherheitsstrategie, die zu denken geben muss, unterstreicht sie doch zusätzlich das Misstrauen in das Bankensystem.

Als Leser von goldseiten.de sind Sie vermutlich bereits voll mit Gold wie auch mit Silber eingedeckt. Aber auch mit Minenaktien? Diese sind es ja, die - noch vor einem halben Jahr für die meisten Anleger unvorstellbar (nicht für Leser von goldseiten.de) - in wenigen Monaten Kursgewinne von mehreren hundert Prozent beschert haben. Was nun? Nach dem kurzfristigen Anstieg des Goldpreises über 1300 Dollar je Unze wären jetzt größere Gewinnmitnahmen von Tradern gerade auch bei den Minenaktien nicht überraschend. Doch danach wird sich der Aufwärtstrend fortsetzen.

Positiv zu werten ist, dass die Aktie des größten Goldminenkonzerns Barrick seit Beginn des Aufwärtstrends gut abgeschnitten hat und nach wie vor relative Stärke zeigt. Ebenso macht es einen guten Eindruck, dass Börsianer scheinbar vergessene Schätze wie Südafrikas Harmony Gold (ein klassischer Turnaround) und DRD Gold (jetzt ein Dividendenprotz) neu entdeckt haben.

Wenn es um Silber geht, fällt auf, dass die die Aktie von First Majestic - der Konzern setzt voll auf Silber - ebenfalls eine bemerkenswerte relative Stärke zeigt. Und noch ein Beispiel: Freeport McMoRan, Produzent von Gold und Kupfer, hat sich in den vergangenen Jahren mit allerlei Fehlinvestitionen verheddert, die er seit einigen Monaten bereinigt. Falls er damit Erfolg hat und obendrein der Kupferpreis steigt, gehört auch seine Aktie auf die Beobachtungsliste.

Das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie wichtig es ist, zu differenzieren, die Kurse laufend zu verfolgen und das Timing zu beachten. Gerade bei Minenaktien, weil hier die Hebelwirkung in der Regel sehr groß ist. Das heißt, steigt der Preis von Gold oder Silber um 5 Prozent, kann der Kurs einer Minenaktie schnell um 10 oder 20 Prozent nach oben schießen. Geht es mit den Metallpreisen nach unten, tritt derselbe Effekt in der Gegenrichtung ein.

Unabdingbar ist schließlich auch der laufende Blick auf die sogenannten fundamentalen Daten. Minimum: die Internetseiten der Edelmetallunternehmen. Noch besser: Zusätzlich Kommentare im Internet lesen, indem man die Namen interessant erscheinender Unternehmen bei Google eingibt. Was da an interessanten Details und kritischen Stimmen herauskommt, erspart Anlegern so manche aufwändige Recherche.

Da wir in den nächsten Monaten an den Finanzmärkten wie beschrieben einige Umbrüche erleben werden, wird das Timing noch wichtiger, als es ohnehin schon ist. Das gilt besonders für Minenaktien. Deshalb verspricht die folgende Timingstrategie erfolgreich zu sein: Nach intensiver laufender Beobachtung dort einsteigen, wo die Kurse vorübergehend einbrechen, ohne dass der Anlass wirklich gravierend ist. Das galt noch vor zwei bis drei Monaten für die Aktien von Royal Gold und McEwen Mining. Letztere legte dann in den vergangenen Wochen eine überragende Performance hin.

Der Zeitaufwand für das ständige Beobachten und Recherchieren ist enorm, zumal dann, wenn man zusätzlich die Kurse sonstiger Aktien aus aller Welt und nicht zuletzt - siehe Brexit - auch die Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Börse beachten muss. Aber worin besteht die Alternative? Kaufen und liegen lassen? Das geht ebenfalls nicht ohne Timing, nämlich unter Beachtung langfristiger Zyklen. Einen kompetenten Berater einschalten? Die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen ist leichter zu finden. In Fonds investieren? Deren Manager sind ebenso Zyklen unterworfen wie private Anleger, und obendrein müssen sie Liquiditätsreserven vorhalten.

Also bleibt nichts anderes übrig, als selbst die Initiative zu ergreifen. Und aus der Schule geplaudert: Mit der Zeit bereitet es immer mehr Freude.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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