Goldpreis profitiert von niedrigen Zinsen
27.08.2016 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das internationale Zinsumfeld war in den letzten Jahren eine sehr wichtige Bestimmungsgröße für die Bewegungen der Edelmetallpreise. Auch künftig dürften die Zinsen ihre besondere Bedeutung für die Edelmetallpreise nicht verlieren. (1) Die Zinsmärkte erwarten keine "Zinswende"
In den USA sind seit dem Frühjahr 2013 die Kurzfristzinsen langsam, aber dennoch stetig in die Höhe geklettert. Das zeigt, dass die Marktakteure mit einer Zinserhöhung der US-Zentralbank gerechnet haben.
Gleichzeitig sanken jedoch die Langfristzinsen. Das wiederum lässt darauf schließen, dass die Finanzmärkte nur mit sehr geringen Zinsanhebungen gerechnet haben; beziehungsweise dass sie erwarteten, die Zinserhöhungen werden nur gering ausfallen oder nur von kurzer Dauer sein.
2- und 10-Jahreszinsen in den USA in Prozent

Quelle: Bloomberg

Quelle: Bloomberg
(2) Niedrige Zinsen beleben die Nachfrage nach Gold-ETFs
Mit dem Ansteigen der kurzfristigen US-Zinsen seit dem Frühjahr 2013 ging die Nachfrage nach Gold-ETFs merklich zurück. Vermutlich waren es vor allem institutionelle Anleger, die ihre Goldhaltung reduzierten und wieder verstärkt auf verzinsliche Anlagen und Aktien setzten.
Zu Beginn 2016 passten die Marktakteure dann jedoch ihre Zinsanstiegserwartungen deutlich nach unten an. Die unmittelbare Folge war, dass die Nachfrage nach Gold-ETFs wieder kräftig zulegte (und mittlerweile wieder bei 65,4 Mio. Feinunzen liegt).
Goldbestände der ETFs (Mio. Feinunzen) und Goldpreis (USD/oz)

Quelle: Bloomberg

Quelle: Bloomberg
(3) Die Nachfrage nach Gold-ETFs hat den Goldpreis belebt
Die seit Jahresbeginn rückläufigen US-Kurzfristzinsen waren begleitet von einem merklichen Ansteigen des Goldpreises: Von Januar bis heute stieg der Goldpreis pro Feinunze um 25 Prozent, in Euro gerechnet um 20 Prozent.
Die Vermutung liegt folglich nahe, dass der jüngste Preisauftrieb beim gelben Metall (sowie auch bei den übrigen Edelmetallen) vor allem durch die Zinsentwicklung beziehungsweise durch das Anlageverhalten der institutionellen Anleger angetrieben wurde.
[center]Goldpreis (USD/oz) und 2-jährige US-Zinsen in Prozent

Quelle: Bloomberg/center]
(4) Ausblick
Anzeichen für eine baldige Abkehr von der Niedrigzinspolitik sind derzeit nicht erkennbar, weder in den USA (obgleich hier eine kleine kosmetische Leitzinsanhebung im laufenden Jahr nicht ganz auszuschließen ist) noch im Euroraum oder in Japan.
In einem Umfeld von dauerhaft niedrigen Zinsen - oder gar negativen Zinsen - wird das Halten von Gold besonders attraktiv, auch und gerade für institutionelle Investoren:
(i) Dem Goldhalter entgehen keine Zinserträge (die er mit dem Halten von verzinslichen Bankguthaben oder kurzlaufenden Schuldpapieren erzielen könnte); und
(ii) der Goldhalter hat zudem die Chance, den Verlusten zu entgehen, die das Halten von Bankguthaben und kurzlaufenden Schuldpapieren wohl noch verursachen wird (etwa durch Zahlungsausfälle und/oder Inflation).
Mit anderen Worten: Ohne jegliche Verzinsung haben Bankguthaben (insbesondere in Form von Termin- und Spareinlagen) ihren jahrzehntelangen Vorteil gegenüber dem Halten von Gold eingebüßt. Gold wird gewissermaßen zum "besseren Geld". Bleiben die Zinsen derart niedrig, sollte das die Goldnachfrage und damit auch den Goldpreis weiter unterstützen.
© Thorsten Polleit
Chefvolkswirt Degussa Golhandel GmbH