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Geballte Rückkehr der Inflation

14.05.2017  |  Manfred Gburek
Wenn alles in den verbleibenden vier Monaten bis zur Bundestagswahl wie bisher weiter geht, machen Sie sich am besten auf ein grandioses europäisches Polittheater gefasst. Dabei wird es wiederholt zu taktischen Tricks kommen, deren Ziel aufseiten der Freunde des europäischen Einheitsbreis darin besteht, Deutschland zugunsten von Europa zur Kasse zu bitten. Jüngstes Beispiel: Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron denkt mal eben laut darüber nach, wie man Deutschland mithilfe eines Eurozonen-Haushalts samt europäischem Finanzminister zur Kasse bitten könnte.

Darauf reagiert die mit allen politischen Wassern gewaschene deutsche Kanzlerin besonders raffiniert: Warte nur, du Bürschchen, dir werde ich es zeigen lassen: Jawohl, lassen (im Sinn von überlassen), denn für jegliche politischen Rechenkunststücke hat sie ja ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble. Mit dem ist sie zwar nicht immer einer Meinung, aber gemeinsam gegen den Rest der EU und speziell gegen die Eurozone, dieses Spiel beherrschen sie.

Also verlautbart Schäuble mediengerecht, auch er empfinde die deutschen Exporte als zu hoch, so, wie vor ihm seit Jahren die Franzosen, Amerikaner, der Internationale Währungsfonds und viele weitere Kritiker schon immer etwas an unserem Exportwunder auszusetzen hatten. Nur, zuckt Schäuble bedauernd mit den Mundwinkeln, ein Exportüberschuss sei nicht von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen.

Es geht wieder mal um die Vergemeinschaftung der Schulden in der Eurozone, entweder über einen gemeinsamen Haushalt oder über einen europäischen Währungsfonds – was im Grunde genommen dasselbe ist. Macron hat sich zum Sprecher all derjenigen Euroländer erhoben, die den Schuldenberg zulasten Deutschlands umverteilen wollen. Er ist also, wenngleich nur für kurze Zeit, zum Lautsprecher der Schuldensünder-Mehrheit geworden. Der Beifall der Italiener, Griechen, Portugiesen und weiteren Eurosünder ist ihm gewiss. Und so kann man aus ihren Kreisen noch mehr Dreistes hören: Auch ein Einheitszins für alle Euroländer soll her.

Nur ein Scherz? Wohl eher nicht, denn durch den Aufkauf von Anleihen, speziell von denen der Schuldensünder, ist die EZB bereits einen großen Schritt in Richtung Einheitszins gegangen. Und ihr Chef Mario Draghi denkt nicht im Traum daran, mit dem Anleihenkauf abrupt Schluss zu machen. Das hat er aus Anlass der letzten EZB-Sitzung noch einmal bekräftigt und am vergangenen Freitag indirekt bestätigen lassen, ergänzt um die Aussage, die Konjunktur möglichst mit positiven Aussagen zu begleiten und vom Juli dieses Jahres an konkrete Geldziele zu nennen.

Aus seiner Sicht muss erst die Inflationsrate in der Eurozone nachhaltig, das heißt im Durchschnitt über mehrere Monate nahe 2 Prozent verharren, bevor die EZB mit ihrer sehr expansiven Geldpolitik aufhört, zu der das Aufkaufen von Anleihen gehört.

Weiß Draghi etwa mehr als wir alle zusammen? Wahrscheinlich, schließlich sind die jüngsten Aussagen der EZB ja schon recht konkret. Dazu gehört vor allem die Ankündigung, vom Juli an aktiv zu werden, also den Kauf von Anleihen zu begrenzen. Daraus folgt, dass es nicht allein dem Exportweltmeister Deutschland gut geht, sondern offenbar der fast ganzen Eurozone (sieht man von Sonderfällen wie Italien oder Griechenland ab) - jedenfalls aufgrund der von den EZB-Volkswirten ermittelten Daten. Realität oder Bluff? Auf jeden Fall rührt sich etwas in der EZB. Das ist im Hinblick auf die Geldanlage sogar entscheidender als das Polittheater.

Daraus lassen sich fünf Schlüsse ziehen:

  • 1. Die EZB dürfte ihr Inflationsziel noch in diesem Jahr erreichen.

  • 2. Die Aktienkurse wie auch die Preise überbewerteter Immobilien haben ihre beste Zeit hinter sich, werden jedoch wegen der zunehmenden Inflation nicht ins Bodenlose fallen.

  • 3. Geldwerte, wie die meisten Anleihen oder Kapital- und Fondspolicen, bleiben inflationsbedingt uninteressant.

  • 4. Vonseiten der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung aus dürfte die Konjunktur in der Eurozone die immer mehr zur Stagflation (Stagnation einschließlich Inflation) neigende amerikanische Konjunktur nach oben ziehen, nicht umgekehrt.

  • 5. Gold wird als Geldanlage, im Besonderen als Schutz vor Inflation, eine neue Blüte erleben, Silber ebenfalls (die Kurse der Silberaktien haben darauf am vergangenen Freitag einen Vorgeschmack gegeben).

Während der kommenden Monate dürften wir, nicht zuletzt wegen der im September anstehenden Wahl zum Bundestag, mit vielen Vorschlägen zur Rettung der Eurozone konfrontiert sein. Das Schlimme daran: Sie werden in den deutschen Wahlkampf einfließen und zu unerträglichen wie gleichermaßen nicht einlösbaren Versprechen aller Parteien führen. Dabei wird das Steuerthema in den Vordergrund rücken, mit allen absurden Vorschlägen, die Politiker sich ausdenken, um die Wahl zu gewinnen und Macht zu generieren oder zu erhalten.

In diesem Umfeld scheinen Anleger sich immer noch wohl zu fühlen, sonst gäbe es bei Aktien nicht von Woche zu Woche neue Höchstkurse und bei Immobilien nicht Abschlüsse auf einem Preisniveau, das jeder Beschreibung spottet. Doch welche Anleger profitieren davon? Eine Minderheit, während die ganz große Mehrheit mit ihren Minizinsen für Geldwerte wie Spar-, Tages- und Festgeldkonten, mit Kapital- und Fondspolicen, Pensionsversprechen, Renten- und Geldmarktfonds so gut wie leer ausgeht, wenn man die Erträge aus solchen Anlagen um die Inflation bereinigt.

Insofern - kein Witz - können die Befürworter eines für die ganze Eurozone geltenden, im Vergleich zu Bundesanleihen hohen Einheitszinses ein triftiges Argument in die Debatte werfen. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis geht die Rechnung natürlich nicht auf. Aber was heißt das schon? Solange alle Parteien sich im Wahlkampf die Freiheit nehmen, populistisch zu argumentieren, werden Lügen zur scheinbar ultimativen Wahrheit umfunktioniert.

Mal sehen, wie lange die Mehrheit der Anleger sich das bieten lässt. Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kann von daher gesehen bereits zum Testfall werden. Immerhin stehen dort annähernd drei Dutzend Parteien zur Wahl, darunter nicht gerade wenige aus Protest gegen Lug und Trug der etablierten Politiker wie auch des Geld-Establishments.

Ein altes Sprichwort der Börsianer besagt: Politische Börsen haben kurze Beine. Wirklich? Es kommt halt darauf an, welches Maß man für die Beine anlegt. Immerhin hat Donald Trump mit seiner Hauruck-Politik die amerikanische Börse nicht nur für einen Tag oder eine Woche, sondern monatelang nach oben getrieben. Und in Europa, wo mangels einheitlicher politischer Führung Mario Draghi sich als Herrscher über die Eurozone mit seiner Geldpolitik mittelbar in politische Sphären begeben hat, ist seine Börsenwirkung sogar enorm, und zwar nicht nur seit Monaten, sondern wegen seiner berühmten Londoner Rede vor fast fünf Jahren seit einem ganzen Börsenzyklus.

Damals sagte er sinngemäß, er werde den Euro verteidigen, koste es, was es wolle. Es hat sehr viel gekostet, zum Beispiel Anleihenkäufe en masse. Jetzt folgt der Rückzieher in unbekanntes Terrain, steigende Inflationsraten inbegriffen.

Neu bei gburek.eu: Das Ende der Geldillusion


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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