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Der Wirtschaftskrieg Amerika gegen Europa

30.07.2017  |  Manfred Gburek
"America first", die an die ganze Welt gerichtete protektionistischte Drohung von US-Präsident Donald Trump, treibt seltsame Blüten. Die sind aus europäischer Sicht extrem gefährlich. Ein Beispiel: Da verabschiedet das Repräsentantenhaus in Washington einen Gesetzentwurf, der vor lauter Sanktionsplänen gegen Russland, Iran und Nordkorea nur so strotzt, und schon muss mit einem Wirtschaftskrieg gerechnet werden. Denn in dem Entwurf geht es zum einen um die Einmischung der USA in Gasgeschäfte zwischen Europa und Russland, was für sich genommen bereits bedrohlich genug ist, zum anderen aber um einen neuen Versuch der Amerikaner, ihr Rechtssystem anderen Ländern aufzuzwingen.

Dementsprechend haben die europäischen Reaktionen nicht lange auf sich warten lassen. So sind aus Kreisen, die für den Betrieb der großen Ostseepipeline Nord Stream 2 zuständig sind, Warnungen zu hören, im Fall des Inkrafttretens der amerikanischen Sanktionen käme es zur Unterversorgung Europas mit Erdgas und damit zu stark steigenden Energiepreisen. Mehr noch, es bestünde auch die Gefahr, dass Europa dann zunehmend von anderen Gaslieferungen abhängig würde, auch von solchen aus Amerika.

Der mögliche und in einigen entscheidenden Punkten schon praktizierte Export eines Großteils des amerikanischen Rechtssystems nach Europa geht weit über die Einmischung der USA ins Gasgeschäft hinaus. Denn er ist übergeordnet und kann außer den vom Export abhängigen hiesigen Unternehmen auch europäische Regierungen treffen. Das heißt, zu den finanziellen Schäden drohen politische Knebeleien zu kommen. Es besteht die Gefahr, dass Politiker im Sinn der USA gefügig gemacht werden.

Der Export von Teilen des amerikanischen Rechtssystems geht einher mit dem im Vergleich zum Euro schwachen Dollar. Das ist kein Zufall, sondern Strategie: Exporte aus den USA nach Europa sollen mittels Währungspolitik gefördert, Exporte aus Europa in die USA verteuert werden. So etwas gab es in den vergangenen Jahrzehnten zwar immer wieder, aber dieses Mal steht die Politik von Donald Trump dafür - mit allen nicht vorhersehbaren Konsequenzen, denn der Mann ist unberechenbar, sein Team ebenfalls.

Eine amerikanische Besonderheit sind Sammelklagen, von denen die jüngste sich bezeichnenderweise gegen die drei deutschen Autokonzerne BMW, Daimler und VW richtet. Der öffentlichkeitswirksame Dieselskandal bietet den Klägern dafür einen willkommenen Anlass. Am Ende geht es dann meistens nicht mehr so sehr um die vermeintliche Gerechtigkeit, sondern darum, möglichst viel Geld herauszupressen. Das haben - jeweils in einem etwas anderen Zusammenhang - auch schon weitere deutsche Konzerne zu spüren bekommen, etwa Bayer, Siemens und die Deutsche Bank.

Deutschland verfügt über vier Schlüsselbranchen: Autoindustrie, Chemie, Elektroindustrie und Maschinenbau. Einschließlich Zulieferer dominiert die deutsche Autoindustrie mit großem Abstand vor den anderen Schlüsselbranchen. Und was in der gängigen Berichterstattung zu wenig beachtet wird: Große Teile des - vielfach mittelständischen - Maschinenbaus beliefern die Autoindustrie, sind also von ihr abhängig. Das bedeutet: Vom ganzen um die Autoindustrie gruppierten Block hängt das Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft ab. Das hat sich natürlich längst auch in solchen Kreisen herumgesprochen, die Deutschland gern an den Pranger stellen.

Was die aufgeheizte Atmosphäre zwischen Europa und Amerika so gefährlich macht, ist das Zusammentreffen verschiedener politischer und wirtschaftlicher Faktoren. Da versucht Donald Trump vergeblich, der amerikanischen Politik seinen Stempel aufzudrücken, scheitert jedoch allein schon beim Versuch, die Krankenversicherung Obamacare abzuschaffen. Das lässt ihn zunehmend nervöser und aggressiver gegen den Rest der Welt werden.

Derweil schleppt sich die Konjunktur in den USA dahin, während sie in Europa und speziell in Deutschland trotz der Euro-Stärke voranschreitet. Und obwohl es deshalb sinnvoll erscheint, dass die amerikanische Notenbank Fed eher aufs Gas und die EZB auf die Bremse treten würde, ist es umgekehrt.

Ein bezeichnendes Bild dafür, dass neben der EZB auch die Fed mit ihrer Geldpolitik in eine Sackgasse geraten ist - beide Notenbanken haben in den vergangenen Jahren beispiellos kräftig Gas gegeben -, ist aus den vagen Andeutungen von Fed-Chefin Janet Yellen am vergangenen Mittwoch zu entnehmen:

Die Inflation sei ein großer Unsicherheitsfaktor, man werde relativ bald die aufgehäuften hohen Anleihebestände zurückführen, dabei jedoch darauf achten, dass die amerikanische Konjunktur sich entsprechend den Erwartungen entwickelt. Und so weiter. Aus solchen Andeutungen spricht einfach nur Hilflosigkeit, ja sogar Verzweiflung. Es ist nicht zu erwarten, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas Entscheidendes ändert.

Börsianer reagieren auf derartige Anzeichen von Unsicherheit erfahrungsgemäß so, dass sie einen Teil ihrer Aktiengewinne mitnehmen. Das wird auch dieses Mal so sein. Nur ist die Frage, in welcher Zeit. Denn solange die Geldpolitik expansiv bleibt und die Aktienkurse sich demzufolge nach jedem vorübergehenden Rückschlag wieder erholen, müssen Börsianer befürchten, dass vorzeitige Gewinnmitnahmen das Anlageergebnis zum Jahresende schmälern.

Zur erwähnten aufgeheizten Atmosphäre zwischen Europa und Amerika gesellt sich also Unsicherheit, die insbesondere von institutionellen Anlegern wie Investmentfonds und Pensionseinrichtungen ausgeht. Mit ihr ist erfahrungsgemäß nicht zu spaßen. Und siehe da, andere Anlegergruppen, von traditionellen Family Offices bis zu Hedgefonds, beginnen deshalb bereits auf die sichere Seite zu wechseln: Sie kaufen, nachdem sie sich in den vergangenen Jahren hinreichend mit Immobilien eingedeckt haben, zunehmend auch Gold, dessen Preis zuletzt entsprechend gestiegen ist.

Wie der zwischen Amerika und Europa ausgebrochene Wirtschaftskrieg enden wird, ist zurzeit vor allem deshalb nicht absehbar, weil er auf verschiedenen Ebenen geführt wird: Regierungs-, Industrie-, Geld- und Währungspolitik. Auf jeden Fall ist mit Turbulenzen an den Börsen wie auch in den Unternehmen zu rechnen. Wahrscheinlich liegen die Family Offices und Hedgefonds mit ihrer neuen Vorliebe für Gold richtig.

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© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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