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H-B-Männchen in Not

12.03.2007  |  Manfred Gburek
Es gibt Begriffe, die scheinbar aus dem Nichts kommen und sich wie Kletten in den Medien festsetzen. Subprime lender ist so einer. Für die treffende Übersetzung ins Deutsche muss man ganz schön ausholen: Verleiher von Geld an Schuldner, die nicht zu den ersten Adressen gehören - was sich unmittelbar auf die Schuldner bezieht, mittelbar aber auch auf die Verleiher, die zurzeit riesige Probleme haben, weil ein Großteil ihrer Schuldner illiquide geworden ist. Sie lassen sich an Namen wie New Century Financial, Novastar Financial und Fremont General festmachen. Um nur drei zu nennen, deren Aktienkurse in gerade mal gut zwei Monaten seit Jahresbeginn Kursverluste bis über sage und schreibe 90 Prozent erlitten haben. Ursache: Ihre Schuldner hatten Hypothekenkredite - zu einem großen Teil sogar mit variablen Zinsen - auf Häuser aufgenommen, deren Wert jetzt in keinem Verhältnis mehr zu den Schulden steht.

Nun könnte man argumentieren: Recht geschieht ihnen, schließlich hatten wir in Deutschland während der 90er Jahre, nachdem der Immobilienboom in den neuen Bundesländern abgeklungen war, ja ein ähnliches Problem. Doch so einfach sollte man es sich nicht machen, denn New Century Financial & Co. bilden erst die Vorhut einer Entwicklung, die uns noch einige Monate, wenn nicht sogar Jahre beschäftigen wird: Ihre Hypothekenkredite wurden verbrieft und mithilfe führender Großbanken als Anleihen an Großanleger verkauft, die nun also minderwertige Wertpapiere besitzen. Dass es hier nicht um Peanuts geht, ergibt sich allein schon aus dem Umfang der Subprime-Geschäfte: 600 Mrd. Dollar allein im Jahr 2006. Fatal daran ist, dass ein nicht unerheblicher Teil davon indirekt der Altersvorsorge dienen soll. Daraus wird später wohl nichts, das heißt, die Rentner werden wohl oder übel den Gürtel enger schnallen müssen.

Offenbar kommt es jetzt nicht mehr allein darauf an, wie die Bosse der Großbanken reagieren, sondern ebenfalls darauf, was sich US-Finanzminister Hank Paulson und Fed-Chef Ben Bernanke einfallen lassen, um rechtzeitig einer internationalen Krise vorzubeugen. International deshalb, weil die involvierten Banken auch aus Ländern außerhalb der USA kommen. Erster Schritt: Hank und Ben beruhigen die Gemüter und wägen jedes Wort genau ab, bevor sie es aussprechen. Das haben sie zum Teil bereits getan und so dafür gesorgt, dass die Börsen sich nach dem Schock von Shanghai leidlich erholt haben. Zweiter Schritt: Sie binden internationale Mitspieler auf hoher Ebene ein, also die G7-Finanzminister, die Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und weitere Institutionen. Dritter Schritt: Sie schaffen zusammen mit diesen durch gezielte Interventionen an den Finanzmärkten vorübergehend wieder mehr Vertrauen.

Nach einem solchen Schema funktionierte schon die Bewältigung mancher Krise in den vergangenen 20 Jahren, und zurzeit spricht noch nichts dafür, dass es dieses Mal anders ablaufen könnte. Nur sollte man sich nichts vormachen. Denn das Geld der überschuldeten amerikanischen Hauseigentümer ist weg, die involvierten Hypotheken- und Großbanken müssen einen Teil ihrer Kredite abschreiben, und die Rentner in spe werden später Konsumverzicht leisten. Das Ganze könnte man also aus gutem Grund als den Beginn einer Deflation bezeichnen.

Nun mögen gerade die Amerikaner alles andere als eine Deflation, weil sie dann immer gleich an die Depression der 30er Jahre erinnert werden. Daraus folgt: Hank und Ben werden über die Schritte eins bis drei hinaus dagegenzuhalten versuchen. Womit, ist leicht zu erraten: Indem sie das von den überschuldeten Hauseigentümern verlorene, von den Banken abgeschriebene und den Rentnern entzogene Geld durch Geldschöpfung ersetzen. Dieses Verfahren heißt, halb aus dem Lateinischen (fiat lux = es werde Licht) entlehnt, treffend fiat money: Es werde Geld. Dabei wird Ben als Fed-Chef die Schöpferrolle übernehmen.

Die große Unbekannte ist der Zeitpunkt des Schöpfungsakts: Findet er zu früh statt, gehen die Kredit- und Börsenspieler sofort wieder zu Tagesordnung über und machen alles noch viel schlimmer. Kommt er dagegen zu spät, besteht die Gefahr, dass die Marktteilnehmer - anders als nach dem Shanghai-Schock - völlig durchdrehen und einen Kurseinbruch auslösen. Wahrlich keine leichte Aufgabe für H und B. Im Zweifel werden sie sich für die erste Variante entscheiden. Dafür gibt es sogar ein Indiz, sprach doch neulich Bens Vorgänger Alan Greenspan schon von Reuzession: Nicht auszuschließen ist, dass er die Bemerkung vorher mit seinem Nachfolger abgestimmt hatte, um ihm die Realisierung der ersten Variante zu erleichtern. Das ist zwar drei Mal um die Ecke gedacht, gehört aber zur Geldpsychologie ebenso wie der Umgang mit Geldmengen und Zinsen.

Nun brauchen Sie nicht erst drei Mal zu raten, worauf die ganze Chose hinausläuft: auf die durch Geldschöpfung hervorgerufene nächste Blase, neudeutsch Asset Inflation. Der Zeitpunkt ihres Beginns ist, siehe oben, unbestimmt und könnte noch einige Monate auf sich warten lassen. Dass sie die Aktienkurse dann - wahrscheinlich nach einem kurzen, aber heftigen Einruch - generell viel weiter in die Höhe treiben wird, ist weniger wahrscheinlich, als dass sie selektiv stattfinden dürfte.

Dazu bieten sich bestimmte Sektoren an: Zum Beispiel Edelmetalle, weil Staatsanleihen, ihr Pendant als sicherer Hafen in Krisenfällen, bei starker Geldschöpfung ausgedient haben werden. Oder wie wäre es mit Aktien von Unternehmen, die sich mit dem Klimaschutz beschäftigen? Dieses weite Feld wird ja gerade gezielt bestellt - oder glauben Sie etwa, dass die Klimadebatte nicht von interessierter Seite gelenkt wird? Schließlich: Die Preise für Mais, Sojabohnen und andere Agrarrohstoffe stehen wohl vor dem größten Comeback seit mehr als zwei Jahrzehnten. Das hat mit ihrem Verwendungszweck als Viehfutter und mit schrumpfenden Anbauflächen zu tun, die nicht nur auf das Sinken des Grundwasserspiegels in Ländern wie China zurückzuführen sind, sondern auch mit der zunehmenden Konkurrenz der Agrarrohstoffe, die für die Herstellung von Biosprit eingesetzt werden. Das alles könnte die Bauern im mittleren Westen der USA versöhnen, wo die Preise für Einfamilienhäuser zuletzt am stärksten betroffen waren - und am Ende sogar die Subprime lender wieder hoffen lassen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu




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