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Diskussion über den Goldstandard (4/4)

13.03.2007  |  Martin Siegel
- Seite 2 -
Einen der wichtigsten Punkte spricht ein Münchner Vermögensverwalter an, der als Gründungsvorstand der Deutschen Edelmetallgesellschaft unter anderem auch die Remonetisierung von Gold und Silber verfolgt. Es geht um die Wirkung der Zinsen in einem Goldstandard:

"In einer statischen Goldgeldwelt ohne Minenneuproduktion und somit mit einer dauerhaft fixen Geldmenge kann es -wie Sie zurecht beschreiben- z.B. durch Innovationen / effizientere Produktionsmethoden zu Deflation auf Teilmärkten kommen, die aber kein Problem darstellt, weil die Menschen sie als positiv / als Wohlstands-mehrend empfinden. Soweit D`accord. Was ist aber nun, wenn in diesem System Kredite vergeben werden, die (das war selbst im 19. Jahrhundert so) natürlich zinsbehaftet sind - auch wenn der Zinssatz möglicherweise ohne die nicht mehr einzupreisende Inflationskomponente niedrig gehalten werden kann?

Die auflaufenden Zinsen und Zinseszinsen werden in einem starren Goldgeldsystem jedoch nicht "kreiert"! Selbst im Falle der völligen Tilgung der ursprünglichen Schuld bleibt die Zinsforderung so lange stehen, bis auch diese vom Schuldner beglichen ist. Woher soll aber dieses zusätzliche (!) Goldgeld kommen? Es kann nur aus einer Umverteilung der Geldmittel stammen. Bei einer kleinen Schuld schluckt das System das problemlos. Sollten jedoch Schulden (so wie heute auch, warum sollte das im Goldgeldsystem anders sein?) viele Schulden lange stehen bleiben und/oder immer wieder prolongiert werden, so häufen sich im Laufe der Zeit immer mehr Zins- und Zinseszinsschulden bzw. -forderungen im System auf. Im Goldgeldsystem übersetzen sich diese Schulden/Forderungen aber direkt in Goldschulden/-forderungen. Gold, das nicht mitkreiert wird und somit (in Summe) nach einigen Jahrzehnten der Laufzeit des Goldgeldsystems nicht mehr rückzahlbar sein wird, ohne daß (wegen der exponentiellen Eigenschaft der Zinseszinskurve) das gesamte Weltgold in die Hände weniger Großgläubiger gewandert wäre und die reale Wirtschaft somit tatsächlich kein Gold mehr zum Wirtschaften hätte!

Das Problem an sich ist kein spezifisches eines Goldsystems, sondern stellt sich in jedem Zinsbehafteten Geldsystem. Es ist nur so, daß Papiergeld-Systeme es eben durch regelmäßiges "ins-System-bringen" von neuem Papiergeld (=Drucken) zumindest kaschieren können! "Lösen" können sie das Problem natürlich auch nicht - und das wegen der exponentiellen insforderungen im System immer exzessivere Gelddrucken führt natürlich wie wir alle wissen ebenfalls zum (meist hyperinflationären) Kollaps. Trotzdem können Papiergeldsysteme auf diese Weise lange (=mehrere Jahrzehnte) das Grundproblem verstecken und den Kollaps verzögern.

Wie würden Sie argumentieren, daß in einem starren Goldgeldsystem dieses Problem eben nicht auftritt oder sich lösen läßt?? Ich habe bislang hierauf keine Antwort gefunden, halte diese Antwort aber für zwingend, bevor wir daran denken sollten, nach dem nächsten Papiergeldcrash wieder eine Goldwährung einführen zu wollen. Ansonsten wird auch dieses System nach wenigen Jahrzehnten kollabieren - wahrscheinlich deflationär [daß dies im 19. Jahrhundert nicht geschehen ist, könnte durchaus mit exogenen Sonderfaktoren zusammenhängen - wie z.B. kein weltweites System, physischer Zuwachs der Welt-Goldvorräte durch Minen-Förderung, vorzeitiges gewaltsames Ende des Systems durch den Beginn des 1. WKs, u.a.].

Kommentar: Das Problem der Zinszahlungen für Kredite bei einem Goldstandard ist nach unserer Einschätzung ein zentrales Problem, das nur mit Eingriffen durch die Steuerpolitik abschließend gelöst werden kann. Eine Teil der Antwort ist bereits in der Frage enthalten. Da kein zusätzliches Gold in das System kommt, muß es zu einer Umverteilung der Geldmittel kommen. Nehmen wir an, es gibt 3 Marktteilnehmer A, B und C, die jeweils über 100 Goldmark verfügen. A nimmt von B einen Kredit in Höhe von 10 und einem Zins von 1 auf, setzt die Mittel produktiv ein und verkauft ein Produkt an Marktteilnehmer C mit einem Gewinn. Jetzt kann A den Kredit und Zinsen an B bezahlen. Nach dem Vorgang hat A 100 Goldmark, B 101 Goldmark und C 99 Goldmark. C hat im Gegenzug zu seiner Goldmark ein Produkt "getauscht". Die gesamte Goldmenge (Geldmenge) bleibt konstant. Nehmen wir an, die Investition geht daneben und die von A hergestellten Produkte sind unverkäuflich. In diesem Fall würde sich das Vermögen von B (oder A, je nach Kreditvertrag) auf 90 Goldmark reduzieren und andere Marktteilnehmer (D, E, F…), die ihre Produkte oder Leistungen (Investitionen) mit A getauscht haben, hätten das Gold. Auch in diesem Fall würde die Goldmenge (Geldmenge) konstant bleiben. Wir hätten eine kleine deflationäre Krise, da die unverkäuflichen Produkte auf das Preisniveau drücken würden.

Vielleicht wäre es auch unter einem Goldstandard möglich, größere Vermögen anzuhäufen. Ganz sicher ist aber, daß die Umverteilung viel langsamer verläuft. 1. Die Zinsraten wären bei einem Goldstandard viel niedriger, da nicht ständig gegen eine Inflation angekämpft werden muß und das reisniveau tendenziell eher sinkt. 2. Da Fehlinvestitionen viel schneller scheitern würden, da eine ungedeckte Weiterverschuldung nicht akzeptiert würde, würde sich auch die gesamte Kreditvergabe auf einem viel niedrigeren Niveau einpendeln. Rettungsaktionen für marode Betriebe wären viel schwieriger und praktisch nur mit neuem Eigenkapital möglich. Durch viele kleinere Krisen würden immer wieder Investitionen scheitern, so daß Kreditgeber häufiger ihre Zinsansprüche oder gar ihre Kreditsummen als Fehlinvestments abschreiben müßten. Jedenfalls wäre die heutige irrsinnige Anhäufung von Milliardenforderungen, denen Milliardenschulden gegenüberstehen, die auch nicht ansatzweise ausgeglichen werden könnten, nicht möglich. 3. Auch bei einem Goldstandard ist es möglich, Vermögensspitzen, die bei sehr erfolgreichen Kreditgebern angehäuft werden, durch Steuern (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer) wieder der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.


Abschließend eine Einschätzung von Gregor Hochreiter in einem Artikel aus dem Rohstoff-Spiegel, Ausgabe 02/2007: "Die Einbettung des Geldes in eine gesamtgesellschaftliche Lebensphilosophie formulierte der österreichische Ökonom Joseph Alois Schumpeter dereinst kurz und bündig: "Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände." Nimmt ein nicht beliebig vermehrbares Gut wie Gold die Position des Geldes ein so konzentriert sich die Bevölkerung auf den nachhaltigen Aufbau von materiellen wie immateriellen Werten, betont die Investitionen und die gesellschaftliche Stabilität, die sich in niedrigen Scheidungsraten, lebenslangen Freundschaften und in der Einhaltung von privatrechtlichen Vereinbarungen manifestiert. In seinem empfehlenswerten Buch "Die Welt von Gestern" bezeichnet Stefan Zweig nicht ohne Grund die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als "Goldenes Zeitalter". Im Umkehrschluß gilt natürlich auch, daß ein beliebig vermehrbares Gut als Geld, wie im Fallen von Papier, auf eine grundlegende Änderung der Lebenseinstellung der Bevölkerung hinweist, die dem Konsum, dem schnellen Rausch und dem Wohlstand durch Glücksspiel, Spekulation und auf Pump ebenso anhängt wie ungedeckten Scheinwerten."


© Martin Siegel
www.goldhotline.de
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