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Geldhaltung, Inflation und Krisenpropheten

09.05.2007  |  Mag. Gregor Hochreiter
- Seite 2 -
Erhöhung der Bargeldhaltung und steigende Unsicherheit

Geld kann auf grundsätzlich drei verschiedene Arten eingesetzt werden; entweder es wird investiert oder konsumiert oder gehalten. Während die Investition aufgrund des damit einhergehenden temporären Konsumverzichts Zinsen abwirft und der Konsum zur direkten Bedürfnisbefriedigung dient, erscheint die Geldhaltung prima facie sinnlos. Wozu überhaupt Geld halten, wenn eine Investition Zinsen abwürfe und Konsum meine Bedürfnisse befriedigte.

Die Erklärung findet sich in einem von der Mainstreamökonomie weithin verdrängten Faktotum der menschlichen Existenz, nämlich in der Universalität der Ungewißheit. Die Zukunft enthält immer ungewisse Elemente, dh. Entwicklungen, die wir nicht vorhersehen können. Gegen diese Unbestimmtheit bietet uns die Haltung von Geld, das als allgemein akzeptiertes Tauschmittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von anderen Marktteilnehmern angenommen wird, den bestmöglichen Schutz. Weil wir nicht genau wissen, was uns morgen erwartet, halten wir einen jederzeit verfügbaren monetären Sicherheitspolster.

Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, sei noch erwähnt, daß es sich bei der Haltung von Geld nicht um eine klassische Versicherung wie etwa eine Lebensversicherung handelt. Eine klassische Versicherung sichert uns gegen kalkulierbares Risiko ab, im konkreten Fall unsere Familie gegen das eigene, vorzeitige Ableben. Ludwig von Mises bezeichnet diese Art von Wahrscheinlichkeit "class probability":

Class probability means: We know or assume to know, with regard to the problem concerned, everything about the behavior of a whole class of events or phenomena; but about the actual singular events or phenomena we know nothing but that they are elements of this class. (Ludwig von Mises, Human Action, p. 107)

Im Unterschied dazu "versichert" uns die Geldhaltung gegen die nicht zu berechnende Ungewißheit, wofür Ludwig von Mises den Terminus "case probability" verwendet:

Case probability means: We know, with regard to a particular event, some of the factors which determine its outcome; but there are other determining factors about which we know nothing. (Ludwig von Mises, Human Action, p.110)

In einer Welt ohne Ungewißheit, wo jeder Konsument genau wüßte, wann er welches Produkt nachfragen wird und jeder Produzent exakte Kenntnis über die Bedürfnisse der Konsumenten zu jedem Zeitpunkt besitzt, würde kein Marktteilnehmer Geld halten und auf den Zinsgewinn einer Investition verzichten.

Daher sucht man in Gleichgewichtsmodellen auch vergebens nach Geld. Gleichgewichtsmodelle schließen die Ungewißheit ex definitione aus. (Aus denselben Gründen ist in diesen Modellen auch der Unternehmer ausgeklammert, der seine Funktion im Wirtschaftsprozeß ebenfalls der Ungewißheit verdankt.) Dieses realitätsferne Beispiel bietet uns dennoch einen gewinnbringenden Hinweis für die der Realität entsprechende dynamische Betrachtung des Wirtschaftsprozesses. So drückt eine sinkende Geldhaltung ein höheres Sicherheitsgefühl aus, eine steigende Geldhaltung hingegen eine höhere Unsicherheit.

Ein Grund für vermehrte Unsicherheit liegt beispielsweise in der zunehmenden Instabilität der politischen Rahmenbedingungen. Da jede Investition das investierte Geld für einen bestimmten Zeitrahmen bindet, rechnet sich in einem riskanteren politischen Umfeld eine Investition nicht mehr. Schließlich verlangt der Anleger für das zusätzliche Verlustrisiko eine Kompensation in Form einer höheren Rendite und manche Projekte rechnen sich unter Einbeziehung dieses Risikozuschlags einfach nicht mehr. Zudem ist bei einer Investition das investierte Geld über einen mehr oder weniger langen Zeitraum nicht sofort verfügbar, was den eigenen Aktionsradius, im Extremfall die Fluchtmöglichkeiten, stark einschränkt.

Natürlich könnte das "freigewordene" Geld auch konsumiert werden. Im Gegensatz zur dritten Option, der Erhöhung der Geldhaltung, drückt die Ausweitung des Konsums eine wesentlich resignativere Einschätzung der Gesamtsituation aus. Wozu auf Konsum überhaupt noch verzichten, wenn es sowieso keine Zukunft mehr gibt.

Soweit eine einführende Betrachtung zum ökonomischen Phänomen der Geldhaltung in Zeiten der wirtschaftspolitischen Passivität. Im Zeitalter des Interventionismus kommt man um eine zusätzliche Auseinandersetzung mit den Dynamiken des Interventionismus nicht umhin.

Im aktuellen Beispiel legen wir unser Augenmerk auf die von der Ausweitung der ungedeckten Geldmenge ausgelösten Verzerrungen. Die Inflationierung der Geldmenge verursacht nicht nur die Wellenbewegungen des Konjunkturzyklus. Sie setzt eine Entwicklung in Gang, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Hyperinflation, der vollständigen Flucht aus dem Papiergeld, endet. Schon Voltaire warnte eindringlich vor dem Papiergeld:"Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück - Null."

Was haben diese Ausführungen mit der oben erwähnten Einschätzung der Fondsmanagerin Celina Lin zu tun?

Die Flucht aus dem Papiergeld erfolgt nicht unangekündigt. Das Verständnis um die ökonomischen Dynamiken und der zugrundeliegenden Verhaltensweisen der Marktteilnehmer erlaubt es dem aufmerksamen Beobachter die Zeichen der Zeit, wie den Marktkommentar von Celina Lin, richtig zu deuten.


Phase 1

Auf dem bahnbrechenden Frühwerk Ludwig von Mises "Die Theorie des Geldes und der Umlaufmittel" (1912) aufbauend legt Mises Schüler Murray N. Rothbard in "Man, Economy, and State" den Weg vom ersten Inflationierungsschub durch die Zentralbank und das Bankensystem bis zu dessen ultimativen Ende, der Hyperinflation, detailliert dar.

Auf den ersten Inflationierungsschub reagiert die Bevölkerung mit der Erhöhung der Geldhaltung, wie Rothbard erörtert:

When the government and the banking system begin inflating, the public will usually aid them unwittingly in this task. The public, not cognizant of the true nature of the process, believes that the rise in prices is transient and that prices will soon return to "normal". As we have noted above, people will therefore hoard more money, i.e., keep a greater proportion of their income in the form of cash balances. The social demand for money, in short, increases. (Murray N. Rothbard, Man, Economy and State, p. 1019)

Rothbard konzentriert sich in seinen Ausführungen auf den Blickwinkel der Konsumenten. Ergänzend fügen wir noch die Sicht eines Investors hinzu. Wie bereits erwähnt, löst die Inflationierung der Geldmenge den Konjunkturzyklus aus. Es kommt zu einer Verzerrung der Produktionsstruktur. Während die Konsumenten aufgrund des künstlich abgesenkten Zinssatzes mehr konsumieren, zu sparen zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr aus, erfreuen sich kapitalintensive Unternehmungen, die aufgrund des abgesenkten Zinssatzes plötzlich finanzierbar erscheinen und mit Scheingewinnen noch zusätzlich an Attraktivität gewinnen, eines massiven Zuflusses an Kapital, d.h. realen Ressourcen, und an künstlichem Kredit, dem ungedeckten, aus dem Nichts geschaffenen Papiergeld.




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