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Medien, Macher, Manipulatoren

27.09.2020  |  Manfred Gburek
Wie stellt man einen unbequem gewordenen Journalisten bloß? Besonders effektiv: Er wird einem Shitstorm ausgesetzt. So geschehen mit Roland Tichy, Herausgeber der Zeitschrift "Tichys Einblick" und bislang Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, am vergangenen Donnerstag, 24. September. Anlass: Ein satirischer Artikel, der in der Zeitschrift bereits am 15. September erschienen war, also neun Tage zuvor. Inhalt:

"Sawsan Chebli will ihren Wirkungskreis in den kommenden Bundestag verlegen. Hierzu benötigt sie jedoch einen Wahlkreis. Deshalb tritt sie gegen den Resignierenden Bürgermeister Müller an, der sich ebenfalls vor der Bedeutungslosigkeit ins Bundesparlament flüchten will. Was spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezial-demokratischen Partei der alten Männer."

Der Shitstorm verbreitet sich rasant durch Medien und Parteien. Tichy gibt den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung ab. Friedrich Merz, einer der Kandidaten für den CDU-Vorsitz, kommentiert: "Die einzig richtige Entscheidung." Aber war da nicht noch etwas? Ja, ein Stück Satire, veröffentlicht in der "Einblick"-Ausgabe einen Monat zuvor:

"Friedrich Merz zeigte im Deutschlandfunk, dass er eigentlich überflüssig ist. Fantasierte von einer 'europäischen Digitalpolitik' und ähnlichem Unsinn. Auf die gemeine Frage nach seiner Führungsfähigkeit antwortete Fritze, er habe in seinem Berufsleben oft genug bewiesen, dass er auch führen kann. Ein Blick in seiner Biografie zeigt, dass Anwalt Merz zwar in zahlreichen Aussichtsrats- und Beiräten saß - aber geführt hat er nur das große Wort."

Die Affäre um Tichy war in der vergangenen Woche nicht das einzige spektakuläre Medienereignis. Auch ein anderes lässt aufhorchen: Die Zeitschrift "Stern" arbeitet mit der Bewegung "Fridays for future" zusammen - just zu der Zeit, da die Freitags-Aktivisten mit ihrer neuen Großveranstaltung auf sich aufmerksam gemacht haben.

Eine Glosse von Marc Felix Serrao in der Online-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung bringt die Brisanz dieses Ereignisses so auf den Punkt: "Die Aktivisten durften mit entscheiden, worüber der 'Stern' berichtet und wie. Schon die Ankündigung hat ein grosses Echo ausgelöst. Grundfalsch sei das, sehr schade, mehr als fragwürdig - und überhaupt: Das habe doch nichts mehr mit Journalismus zu tun. Der letzte Befund stimmt. Der 'Stern' hat sich mit diesem Heft vom Journalismus verabschiedet. Aber das ist weder falsch, noch fragwürdig. Es ist ein überfälliges Bekenntnis."

Dessen hätte es gar nicht erst bedurft, denn die Zusammenarbeit der Medien mit externen Partnern hat bereits eine langjährige Tradition. Dazu ein weiteres aktuelles Ereignis: Am vergangenen Donnerstag wurden in Frankfurt die Gewinner des Deutschen Journalistenpreises bekanntgegeben. Ihre Beiträge waren in 16 verschiedenen Medien erschienen. Sponsoren und Förderer: BASF, Daimler, DWS, E.on, HSBC, Frankfurt Main Finance, K& K Verlagsanstalt, Huawei, News aktuell, Pictet, Ranstad. Der Kopf des Ganzen als Ideengeber und Veranstalter: der PR-Profi Volker Nordhoff mit seinem "The Early Editors Club".

Ein nicht minder vernetzter Profi ist Johann Oberauer, Herausgeber der Zeitschrift "Wirtschaftsjournalist". Er hat sich unter anderem um eine aktuelle Veröffentlichung aller Journalistenpreise im deutschsprachigen Raum verdient gemacht: insgesamt 227 zuzüglich 61 Stipendien und 15 Fotopreise. Sein Kommentar spricht Bände:

"Wirtschaftsjournalistenpreise sind besonders hoch dotiert. Der Ernst-Schneider-Preis mit 55.000 Euro, der Herbert Quandt-Medienpreis mit 50.000 Euro. Aber auch in anderen Ressorts gibt es viel Bares: 30.500 Euro verteilt der Dr. Georg Schreiber-Medienpreis der AOK Bayern für außergewöhnliche Beiträge zu Gesundheit und Sozialem. Dort, wo Geld im Spiel ist, ist natürlich auch die Frage nach der Moral nicht weit. Also: Kann man Geld annehmen? Vermutlich würde ich es annehmen - und wieder spenden."

Allein schon die bisherigen Ausführungen zeigen: Es ist gar nicht so einfach, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Denn der Weg dahin verläuft im Zickzack, und an jeder Gabelung stehen Influenzer bereit, um uns auf die eine oder andere Weise den Weg in ihre Richtung zu weisen. Aber sind nicht wenigstens die öffentlich-rechtlichen Medien frei von Einflussnahme, weil diese ihnen von Rechts wegen nicht gestattet ist? Nein, sie sind es nicht, ja sie können es nicht sein, weil ihren Redakteuren bis hinauf zur Spitze jahrzehntelang der Haltungs- bzw. Gesinnungsjournalismus auferlegt wurde, salopp auch Einheitsmeinung genannt. Davon können sich ihre Apparate nicht mal eben trennen.

Die aktuelle ARD/ZDF-Langzeitstudie zur Massenkommunikation gibt da leider nur wenig Aufschluss, denn sie ist im Wesentlichen voll des Lobes für ihre Art der Informationsvermittlung.

Hier sind drei Beispiele: "Der Intendant des ZDF und stellvertretende Vorsitzende der ARD/ZDF-Forschungskommission Dr. Thomas Bellut: 'Die Studie unterstreicht, wie wichtig die öffentlich-rechtlichen Sender für die Zuschauerinnen und Zuschauer sind, um zuverlässige Informationen zu erhalten.' - 'Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung informieren sich über Politik und das aktuelle Geschehen am ehesten im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen.' - Auch in der Corona-Krise konnten die redaktionellen Angebote der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radioanbieter mit glaubwürdigen, kompetenten und unterhaltsamen Inhalten punkten.'

In einem Punkt geben die Autoren der Studie allerdings zu, dass ihren Fernseh- und Rundfunkprogrammen ein Konkurrent erwachsen ist, der mehr zu bieten hat: „Die immer stärkere Rezeption von Video- und Audio-Inhalten sowie von Artikeln über das Internet gehört jedoch für immer mehr Menschen zum Alltag." Fazit: Ganz gleich, zu welchem Medium wir gerade greifen, uns sollte stets bewusst sein, dass es so etwas wie Neutralität nie und nimmer geben kann. Der beste Schutz vor Fakenews besteht allemal darin, selbst nachzudenken, bevor es andere für uns tun.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.


Neu bei www.gburek.eu: Im Bann der US-Wahl


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