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Zitterpartie

14.09.2007  |  Klaus Singer
Nach den stark negativen und auch so aufgefassten US-Arbeitsmarkdaten vom vergangenen Freitag haben sich die Aktienindices erholt. Der Dow hat die Kerbe sogar nahezu ausgewetzt. Heute Nachmittag steht die US-Konjunktur erneut auf dem Prüfstand, und dann mit einem sehr breit gefassten Datenkranz, der vom Einzelhandelsumsatz über die Leistungsbilanz, die Ex-, Importpreise, die Industrieproduktion und Kapazitäts-Auslastung, die Lagerbestände bis hin zur Verbraucherstimmung reicht.

Im Vorfeld stimmen die US-Futures auf Kursabschläge ein. Unser DAX geht an der Obergrenze eines seit mehreren Jahren bestehenden Aufwärtskanals in Deckung.

Die Aktienkurse in der vergangenen Woche erneut so hoch zu schaukeln, hat die Bullen weitere Kraft gekostet. Das ist gut daran zu erkennen, dass das Volumenverhältnis im S&P 500 in sehr stark überdehnter Akkumulation läuft (siehe Chart des Tages unter "Markt" auf der Web-Seite der
TimePattern). Gleichzeitig ist die Stimmung nach Auswertung des VIX beständig "ungesund" optimistisch. Dass die Bären per Saldo bisher keine nennenswerten Positionen in Indexoptionen aufgebaut haben, spricht, wie manch anderer Hinweis auch, dafür, dass sich die "Märkte in einem labilen Gleichgewicht" befinden. Die Brisanz der Lage ergibt sich auch aus der erwähnten extremen Akkumulationstätigkeit: Die mittlere Länge einer solchen Phase ist mit aktuell einem Kalendermonat Dauer erreicht. Wenn sich hier keine Distributionsphase mit zumindest nicht fallenden Kursen anschließt, dürfte es schnell sehr eng werden für die Bullen.

Der Dollar wurde wie erwartet in den vergangenen Tagen erneut schwächer, der "Dollar-Index notierte zuletzt an einem 10-Jahres-Tief". Sein Abwärtspotenzial gegen Euro ist zwar noch nicht ganz ausgereizt, aber ob es noch erreicht wird, steht dahin. Die langjährig gewohnte "positive Korrelation" zwischen (gegen Euro) fallendem Dollar und steigenden Aktienkursen hat sich in dieser Woche wieder umgesetzt (siehe z.B. auch Korrelationsmatrix unter "Intermarket" auf der Web-Seite der TimePattern). Wenn vom Euro/Dollar keine stützenden Einflüsse mehr zu erwarten sind, dürften es Aktien schwer haben, sich oben zu halten.

Der für die amerikanische Exportindustrie positive Währungseffekt eines schwachen Dollar wird konterkariert durch die "Kreditkrise". "Dreimonatsgeld" (Treasury Bills) rentiert aktuell mit knapp 4 Prozent, die effektive Fed Funds Rate notiert bei knapp 5,2 Prozent. Die erhebliche Differenz von 1,2 Prozent spiegelt den deutlichen Risikoaufschlag z.B. bei Commercial Papers wider. Zum Vergleich: Im Euro-Raum beträgt der Unterschied zwischen Zinsen für dreimonatige Anlage und Tagesgeld 0,7 Prozent, allerdings auch auf niedrigerem Niveau (4 Prozent für Tagesgeld).

Zugleich ist der aktuell wieder geschrumpfte Abstand zwischen der effektiven und der Target Fed Funds Rate aber auch ein Zeichen dafür, dass die Märkte nur noch eine "geringere Wahrscheinlichkeit" sehen, dass die Fed am kommenden Dienstag die "Leitzinsen senken" wird. Vor einer Woche sah das noch ganz anders aus, da war ein kleiner Zinsschritt so gut wie sicher, selbst ein größerer war nicht aus der Welt. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Zinssenkungsphantasie den Bullen momentan auch nicht weiterhilft.

Die Carry-Trade-Indikatoren Dollar/Yen und Euro/Yen zogen in den vergangenen Tagen erneut an. Die wohltuende Wirkung des entsprechenden Liquiditätsflusses auf Aktien und andere "Assets" war unverkennbar. Die Zinsen für Dreimonatsgeld zogen zuletzt etwas an, gleichzeitig gab es einen deutlichen Abverkauf von TBonds. Da gleichzeitig die Zinsen des "Liquiditätsparkplatzes" der Anlage in dreimonatigen T-Bills anzog, dürfte auch von hier Kapital in andere "Assets" gewandert sein. Welche das sind, ist unschwer zu erraten, es sind Edelmetalle, Öl und andere Rohstoffe, und auch Aktien.

Die Einschätzung einzelner Basiswerte durch die TimePatternAnalysis ergibt folgendes: Das Aufwärtspotential bei den großen Aktien-Indices ist nunmehr gering. Aber auch bei den kleineren ist nicht mehr viel zu holen. Selbst beim Gold-Bugs-Index ist es zu Tempoverlust gekommen.

Während beim Euro/Yen noch ein Aufwärtsszenario bis in den Bereich 161 aufgezeigt wird, ist es bei Dollar/Yen wenig wahrscheinlich, dass das Währungspaar die neuralgische Zone zwischen 114,50 und 115,50 nach oben verlassen kann. Nach wie vor wird das Topp bei beiden in der kommenden Woche avisiert, danach wird eine deutliche Abwärtsbewegung angezeigt.

Für Euro/Dollar ergibt sich ein Restpotenzial bis 1,3970. Parallel dazu sich die Chancen an der Oberseite für Edelmetalle weitgehend ausgeschöpft. Auch Brent-Öl dürfte jetzt kaum noch über sein Allzeithoch bei 78,30 hinaus kommen. TBonds haben in den vergangenen Tagen den erwarteten Abwärtsswing gezeigt, allerdings von einem nach den verpatzten Arbeitsmarktdaten deutlich erhöhten Niveau aus. Weiteres signifikantes, vor allem nachhaltiges Abwärtspotenzial wird nicht angezeigt.

Am kommenden Dienstag ist FOMC-Termin, am kommenden Freitag großer Verfallstag. Wenn man die obigen Mosaiksteine hinzufügt, so ergibt sich als Gesamtbild, dass eine Zäsur bevorsteht. Die Wolken über der Bullenherde werden dunkler.

Nicht ganz unwichtig bei diesem Zeithorizont auch: Bis 20. September stehen rund 130 Mrd. Dollar an Commercial Papers zur Revolvierung an. Deren Gesamtsumme wird auf rund 2.000 Mrd. Dollar veranschlagt. Momentan scheint das kaum jemanden zu interessieren. Aber vielleicht kommt das ja noch...


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



Mehr zur TimePatternAnalysis im Sammelwerk "Die Investmentstrategien der Profis", mehr zu "Weltsichten - Weitsichten", dem Buch von Robert Rethfeld und Klaus Singer.






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